Zu den paradoxen Argumentationsmustern beim Thema Elektromobilität gehört die Behauptung, Elektroautos seien ein reines Großstadt-Vehikel und nichts für Menschen auf dem Land. Das ist so weit richtig, wenn man Batterie-Reichweiten aus dem vorigen Jahrzehnt zugrunde legt und das Ziel in den Vordergrund stellt, durch reduzierte Abgase die Großstadtluft sauberer zu machen. Unter praktischen Gesichtspunkten passt es anders herum besser: Auf dem Land werden täglich deutlich mehr Kilometer auf dem Weg zur Arbeit zurückgelegt. Dafür sind die Reichweiten längst mehr als nur ausreichend. Zudem macht sich der Betriebskostenvorteil von Elektroautos auf dem Konto sichtlich bemerkbar – und durch die Möglichkeit, vor dem eigenen Haus das Auto über Nacht aufladen zu können, stellt sich die Frage nach öffentlichen Ladestationen lange nicht so dringend wie in der Großstadt.
Dort sieht die Wohnsituation völlig anders aus: Altstadtviertel, in denen man abends froh ist, einen Parkplatz am Rand der Straße zu finden. Oder eine moderne Wohnanlage mit Tiefgaragenplatz – aber ohne Lademöglichkeit, weil die Eigentümer-Gemeinschaft das bislang nicht als besonders brennendes Thema angesehen hat. Also muss man Ladesäulen in der Stadt finden.
Ist das ein Ding der Unmöglichkeit? Gegenfrage: Würde man vom Kauf eines Benziners oder Diesels abraten, nur weil in der eigenen Straße keine Tankstelle ist?
Weit über 1000 Ladepunkte
Ganz gleich, ob man im Web die Übersichtskarte von Ladenetz.de oder den Ladeatlas Elektromobilität Bayern aufruft – oder die Apps zum Beispiel von Plugshare oder Chargemap: Begrenzt man den Kartenausschnitt etwa auf München, scheint die Stadt nur noch aus bunten Ladepunkten zu bestehen. Die Zahl der Zapfsäulen ist inzwischen deutlich vierstellig. Allein die Stadtwerke München haben in den vergangenen zwei Jahren die Anzahl der Ladestationen, die sich über das Stadtgebiet verstreuen, von 350 auf fast 700 verdoppelt. Diese Zahl kann man mal zwei nehmen, denn pro Säule gibt es zwei Ladepunkte, die mit maximal 22 kW Ladeleistung Ökostrom zum Tarif von 39 Cent pro Kilowattstunde feilbieten. Für langsames Laden beim Kino- oder Restaurantbesuch (so Corona das irgendwann wieder zulässt) oder während eines Geschäftstermins in der Stadt ist also gesorgt. Hinzu kommen Schnellladesäulen, die nicht nur auf den Autobahnen ringsum oder am Flughafen gebaut werden, sondern auch im Stadtgebiet. So hat die Baywa an ihrer Hauptverwaltung im Arabellapark vier öffentliche Ladesäulen installiert, die Elektrofahrzeuge – für allerdings üppige Preise – mit bis zu 150 kW Leistung befüllen.
Das Ladesystem des neuen Fiat 500 bringt einiges an Voraussetzungen mit, diese Lademöglichkeiten effizient zu nutzen. An AC-Säulen erreicht er eine Ladeleistung von 11 kW. Während eines zweistündigen Termins lässt sich also nebenbei rund die Hälfte der Batteriekapazität wieder nachfüllen. Noch besser funktioniert das beim Einkauf. Supermarktketten wie Aldi, Lidl oder Kaufland bieten an immer mehr Standorten kostenlose Lademöglichkeiten mit 50 kW schnellen Ladern. Während eines halbstündigen Einkaufs samt Fototermin fasste der kleine Fiat Strom für deutlich mehr als hundert Kilometer Fahrstrecke nach. Bislang funktionierte das per Knopfdruck an der Säule. Anfang Februar führten Lidl und Kaufland eigene Apps ein; die sind in einigen Regionen nun erforderlich, um den weiterhin kostenlosen Ladevorgang zu starten.
Die potenzielle Ladeleistung des neuen Fiat 500 wird mit diesen 50-kW-Säulen längst nicht ausgereizt. Die Entwickler haben sich für eine praxistaugliche Kombination aus Batteriegröße und Ladeleistung entschieden: Die 42 Kilowattstunden Speicherkapazität werden über das Combined Charging System (CCS) mit bis zu 85 kW versorgt. Rein rechnerisch ließe sich die Batterie in einer halben Stunde wieder auffüllen.
Aber diese Rechnung ist gleich aus mehreren Gründen theoretisch. Außen- und Betriebstemperatur der Hochvolt-Akkus machen sich bei der Lade-Performance ebenso bemerkbar wie der Ladezustand (SoC) der Lithium-Ionen-Zellen. Überdies wird bei fast vollen Akkus die Ladeleistung vom System gedrosselt, um die Batteriezellen zu schonen und somit eine möglichst hohe Lebensdauer zu erreichen. Beim neuen Fiat 500 verläuft diese klassische Ladekurve tendenziell in mehreren Stufen: Mit weitgehend leerer Batterie bei nasskalten Temperaturen schaffte er während der ersten Ausfahrten eine Ladeleistung von rund 75 kW, die sich dann bei halb voller Batterie im Bereich von 50 kW einpendelte. Signifikant ist dann, wie das System die Leistung abregelt, wenn 85 Prozent Batteriefüllstand erreicht sind: Der Wert fällt in wenigen Sekunden auf 11 kW. Ab diesem Punkt ist es cleverer, mit dem Auto einfach loszufahren, der Zeitaufwand für den weiteren Aufenthalt am Schnelllader steht in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zur gewonnenen Reichweite. Deshalb kommuniziert Fiat auch 35 Minuten für die Ladung von 0 auf 80 Prozent. Das ist alltagskonform. Mit relativ leeren Batterien einen kurzen Stopp am Schnelllader einzulegen bringt genug Strom für die Fahrt nach Hause oder sogar die nächsten Tage.
Gute Rekuperation
Denn das One-Pedal-Driving im Range-Modus des neuen Fiat 500 sorgt nicht nur für Fahrspaß, sondern auch für eine hohe Rekuperationsleistung. Im reinen Innenstadt-Messzyklus gibt Fiat eine WLTP-Reichweite von über 400 Kilometern an. Selbst wenn diese im Winter schrumpft – damit kommt man als durchschnittlicher Großstadtbewohner mit einem Ladestopp entspannt über die Woche. Ohne Reichweitenangst und ohne Energiekrise.
Fiat 500 C e La Prima | |
Grundpreis | 37.990 € |
Außenmaße | 3632 x 1683 x 1527 mm |
Kofferraumvolumen | 185 bis 550 l |
Höchstgeschwindigkeit | 150 km/h |
Verbrauch | 0,0 kWh/100 km |