Nach 6 und 9 kommt – 3. Wie bitte? Logisch, zumindest bei Kia. Dort folgt im neu sortierten Elektro-Programm auf das viertürige Crossover-Coupé EV6 und den SUV-Jumbo EV9 nun der kompakte EV3. Unser Demo-Auto ist ein weißer GT-Line mit fast allem an Bord, was der Konfigurator hergibt. Die große Batterie, die 19-Zoll-Alus, der aktive Totwinkelassistent, der elektrisch verstellbare Fahrersitz, die elektrisch betätigte Heckklappe und der Premium-Sound gehören zur GT-Line. Dazu kommen Nettigkeiten wie das Head-up-Display, der Parkassistent mit Fernbedienung, die Relax-Sitze mit Belüftung vorn oder das Glasschiebedach. Derart aufgerüstet überschreitet der EV3 locker die 50.000-Euro-Grenze. Doch bereits die deutlich günstigere Basis besitzt eine Zweizonen-Klimaautomatik, ein Navi mit Online-Diensten, eine Rückfahrkamera, einen Adaptiv-Tempomaten und einen Autobahn-Assistenten.
Die 204 PS des EV3 reichen erwartungsgemäß gut aus, um den rund 1,9 Tonnen schweren Fronttriebler munter in Bewegung zu setzen. Beschleunigung und Ansprache variieren elektro-typisch je nach gewähltem Fahrprogramm zwischen angemessen und lebendig, die verschiedenen Modi kombinieren unterschiedliche Fahrpedal-Kennlinien und Rekuperationsstufen miteinander. Auch ein persönliches Set-up lässt sich hinterlegen.
Präzision und Komfort liegen auf gutem Klassenniveau
Wenn der Fahrer die Rekuperation nicht selbst per Lenkrad-Paddle steuern will, kann er den neuen Geschwindigkeitsassistenten mit adaptiver Rekuperation aktivieren, den der EV3 als erstes Modell im Hyundai-Konzern mitbringt. Er passt die Energierückgewinnung und damit die Intensität der Verzögerung auf der Basis detaillierter Navigationsdaten an die Fahr- und Verkehrssituation an. Im dichten Stadtverkehr von Seoul ist die Adaptiv-Einstellung nicht immer sinnvoll, da hier viele Störfaktoren in Form von zwei- und vierrädrigen Spontan-Spurwechslern. Bei geringerer Verkehrsdichte oder auf der Autobahn klappt die automatische Anpassung hingegen hervorragend. Ist dazu noch der adaptive Tempomat aktiviert, reicht sie bis zum Stillstand und zum automatischen Wiederanfahren.
Lenkung und Fahrwerk halten den EV3 sicher auf Kurs, Präzision und Komfort liegen auf gutem Klassenniveau. Unebenheiten wie gröbere Brückenfugen oder die in Korea allgegenwärtigen Temposchwellen werden souverän mit gut bedämpftem Ein- und Ausfedern abgearbeitet. Schlaglöcher und andere einseitige Asphalt-Deformationen bügelt der Kia zwar weniger lässig weg, lässt sich von ihnen aber auch nicht wirklich aus der Ruhe bringen. Kein Wunder, denn am Fahrwerk sparen die Koreaner nicht: Mehrlenkerachse hinten und Scheibenbremsen rundum haben in diesem Segment längst nicht alle.
Ersatz für den Niro EV
Mit einer Länge von 4,31 Metern, mit 150 kW Leistung und Akkugrößen ab 58 kWh zielt der EV3 dorthin, wo in Europa die Musik spielt – und noch ein anderer Dreier mit ähnlichen Daten wartet, nämlich der ID.3 von VW. Dem könnte der EV3 zu Preisen ab rund 36.000 Euro durchaus wehtun, wenn die Koreaner ihre Hausaufgaben gemacht haben. Und dann gibt es ja noch den Niro EV aus dem eigenen Haus, den der EV3 aber schon bald ersetzen soll.
Rein optisch lässt der EV3 seinen Markenkollegen schon mal alt aussehen, zitiert außen und innen den selbstbewussten, glattflächigen Look der größeren SUV EV5 (derzeit nur in China) und EV9. Bei der Technik bedient sich der neue Allrounder aber gerne beim Niro. Dessen Antrieb und 400-Volt-Architektur kombiniert er wahlweise mit einem 58- oder 81-kWh-Akku; Kia gibt dafür WLTP-Reichweiten von 436 respektive 605 Kilometern an. Gut: Die große Batterie lässt sich auch mit der Basisausstattung kombinieren (ab 41.390 Euro). Die maximale Ladeleistung fällt mit 11 kW an der Wallbox sowie 101 und 128 kW am Schnelllader allerdings überschaubar aus – da ginge auch mit 400-Volt-Technik noch mehr. Den typischen DC-Ladehub von 10 auf 80 Prozent sollen beide Akkuversionen in rund einer halben Stunde schaffen. Leistung und Drehmoment sind mit 150 kW und 283 Nm vorerst nicht verhandelbar. Später sollen aber eine Allradversion mit zusätzlichem Heckmotor und ein nochmals stärkerer GT folgen.
Bis zu 1.250 Liter Kofferraumvolumen
Features wie mehrfach abgedichtete Türen, Gasdruckheber an der Fronthaube (darunter: 25-Liter-Frunk) oder der solide, stoffbezogene Ladeboden im Kofferraum (460 Liter inklusive Unterbodenfach/1.250 Liter bei umgelegten Rücksitzen) zeugen ebenfalls von Liebe zum Detail – wobei nicht verschwiegen werden darf, dass die im Cockpit verwendeten Kunststoffe nicht alle von höchster haptischer Anmutung sind. Immerhin verwendet Kia zum Teil Materialien mit Recycling-Bestandteilen; Näheres dazu verrät ein kleiner QR-Code am rechten Rand des Armaturenträgers. Per weiterem QR-Code auf dem Infodisplay lässt sich übrigens die komplette Betriebsanleitung online abrufen – nur für den Fall, dass sich die Bedienung einmal nicht direkt erschließen sollte.
Das Interieur ist je nach Ausstattung mehrfarbig und mit verschiedenen Stoffen und Kunststoffen gestaltet, das Cockpit vom zusammenhängenden Tacho- und Infotainment-Display geprägt. Letzteres teilt sich in drei Zonen auf: je 12,5 Zoll links und rechts für Tachoeinheit und Infotainment sowie fünf Zoll in der Mitte für die Klimaeinstellungen. Da sich der Klimabereich je nach Größe des Fahrers und Sitzeinstellung gern hinter dem Lenkradkranz versteckt, lässt er sich auch in der rechten Zone darstellen. Sie bietet zahlreiche Möglichkeiten für Info-Anordnung, Medienwiedergabe per Streaming-App und optische Personalisierung.
Kostenpflichtige Infotainment-Inhalte
Die Mittelkonsole zwischen den Vordersitzen dient indes nicht nur als Armablage, sondern bei Bedarf ebenfalls als Tisch. Das flache Kunststoffteil unterhalb des Polsters lässt sich nach vorn ausziehen und trägt dann den Pausen-Snack, den Laptop oder was auch immer Sie abzustellen gedenken. Vielleicht sogar einen Wecker, denn dank der Relaxation-Sitze mit Liegefunktion könnten Sie beispielsweise Ladepausen mit einem Nickerchen überbrücken.
Alternativ und aufpreispflichtig sind die In-Car-Games, die Sie sich aus dem Store direkt über das Infotainment herunterladen können. Hier kommt allerdings die wirklich gute Nachricht dabei: Obwohl Kia einen digitalen Shop in den EV3 integriert, sind hier lediglich Gimmicks für Geld zu bekommen, die nicht an Fahrzeugfunktionen geknüpft sind. Also anders als bei BMW oder Mercedes beispielsweise müssen Sie hier nicht gegen Geld die bereits verbaute Sitzheizung oder ein Assistenzsystem freischalten. Alles, was im EV3 verbaut ist, haben Sie auf Lebenszeit mit dem Fahrzeugkauf bereits erworben.
Dazu wird der Serien EV3 das erste Kia-Modell sein, das mit AI-Infotainment lieferbar ist. Es soll aktiv mit dem Fahrer interagieren und Aufträge wie Kino-Reservierungen oder Parkplatz-Buchungen eigenständig ausführen können. Die Sprachunterstützung dafür liefert ChatGPT, das 30-Zoll-Panorama-Display stammt aus dem Kia EV9. Auch das ist eine gute Nachricht, denn es bedeutet, dass die Touch-Displays User-Eingaben endlich flüssig und reaktionsschnell umsetzen. Dazu kommen Musik- und Video-Streaming sowie ein 12,3 Zoll großes Head-up-Display.
Marktstart und Preise
Der Kia EV3 ist ab sofort bestellbar. Die ersten Auslieferungen sollen laut Kia zum Jahresende 2024 erfolgen. Der 240 PS starke Elektro-SUV ist in den Ausstattungsvarianten Air, Earth und GT-line erhältlich. Mit dem 58,3 kWh-Akku startet er bei 35.990 Euro, die Version mit 81,4 kWh-Batterie listet Kia mit einem Preis ab 41.390 Euro.
Zusätzlich gibt es für Kunden, die bis zum 31. Dezember bestellen, als Frühbucher-Rabatt einige Vergünstigungen. Diese enthalten eine zweijährige Premium-Mobilitätsgarantie sowie den Entfall der Grundgebühr für den Ladeservice Kia Charge Advanced und das Paket Aral Pulse Light. Kia gewährt auf den EV3 sieben Jahre Garantie, was die Antriebsbatterie einschließt.
Fazit
Nach einem elektrischen Ober- (EV9) und Mittelklasse-SUV (EV5) präsentiert Kia nun ein kompaktes Pendant. Der EV3 bereichert noch 2024 das Kia-Portfolio. Beim Design bleibt die Serienversion eng am Concept Car; das war bei den größeren Brüdern auch so. Recycling-Materialien, gute Raumausnutzung und ein leistungsstarkes Infotainment-System zählen zu den Stärken des kompakten E-SUV.