Um potenziellen Elektro-Kunden die Reichweiten-Angst zu nehmen, forschte Mercedes offenbar auch an der Idee eines Range-Extenders – also einem kleinen Verbrennungsmotor, der als Generator eine leer gefahrene Batterie laden kann. Das bestätigte ein hochrangiger Daimler-Ingenieur gegenüber den Kollegen von Autocar. Der Benzinmotor fand offenbar unter der Fronthaube des Elektro-Flaggschiffs EQS Platz und erweiterte den Einsatzradius deutlich. Das Konzept schaffte es sogar in den Prototypen-Status – es gibt also mindestens einen Testwagen.
Für diesen EQS-Testwagen wurde dafür der bekannte Zweiliter-Vierzylinder-Benziner (M254) halbiert und als Einliter-Zweizylinder mit Turboaufladung samt Tank und Abgasanlage unter der vorderen Haube versteckt. An dieser Stelle verfügt der EQS ohnehin über keinen Kofferraum. Platz für die Verbrenner-Technik gibt es also. Der Verbrennungsmotor treibt dabei lediglich einen Generator an, der die Batterie lädt. Der Antrieb des Dickschiffs erfolgt wie im Serienmodell über einen an der Hinterachse verbauten Elektromotor mit mindestens 292 PS.
Vierstellige Reichweite möglich
Zusammen mit der 108 kWh großen Unterflur-Batterie (Lithium-Ionen) hätte der EQS RE damit seinen theoretischen Einsatzradius ohne Lade- oder Tankstopp auf deutlich mehr als 800 Kilometer erweitern können. Der EQS 450+ schaffte im WLTP-Zyklus schon vor dem Facelift rein elektrisch bis zu 782 Kilometer. Ab Ende April 2024 ist obendrein die Version mit 118-kWh-Akku zu haben. Je nach Volumen des Kraftstofftanks wären dank Range-Extender damit sicher 1.000 Kilometer drin gewesen.
Allerdings hätte dieser vergleichsweise kleine Nutzen einen großen technischen und finanziellen Aufwand bedeutet und wäre wohl nur für wenige Kunden interessant gewesen. Schließlich kostet das Einstiegsmodell der 5,20 Meter langen Elektro-Limousine bereits gut 110.000 Euro. Nun wurde das Projekt EQS mit Range-Extender eingestellt. Wahrscheinlich haben sich die Verantwortlichen bei Mercedes die Erfahrungen der Konkurrenz noch einmal genauer angesehen. Und damit ist nicht nur der Mazda MX-30 gemeint, der derzeit mit Wankel-Range-Extender zu haben ist.
Auch BMW hatte beispielsweise mit dem i3 lange ein Elektroauto mit Range-Extender (Zweizylinder-Rollermotor unter dem Kofferraumboden) im Programm. Der i3 verfügte damals allerdings über eine viel kleinere Batterie und weniger Reichweite. In den ersten Jahren ab 2013 betrug die nutzbare Batteriekapazität gerade 18,8 kWh, was die Reichweite auf rund 150 Kilometer begrenzte. Ein Range-Extender war zu dieser Zeit die einzige Möglichkeit, den Einsatzradius für die tägliche Pendelei zu erweitern. Die letzten Modelle von 2018 bis 2022 wurden hierzulande mit größeren Batterien (37,9 kWh) und ohne Reichweiten-Verlängerer verkauft.
Fazit
Mercedes testete sein Elektro-Flaggschiff EQS zur Erhöhung der Reichweite offenbar auch mit einem Range-Extender-Konzept. Dazu halbierten die Stuttgarter den Zweiliter-Vierzylinder-Benziner M254, und versteckten ihn als Einliter-Zweizylinder-Turbo unter der großen Fronthaube der 5,20 Meter langen Limousine. Die Reichweite konnte dadurch zwar erweitert werden, gleichzeitig stiegen aber auch Preis und Gewicht. Das Projekt wurde eingestellt.