Um mit dem wichtigsten potenziellen Missverständnis von vornherein aufzuräumen: Die eine Abgasnorm namens „Euro 6“ gibt es nicht und hat es nie gegeben. Stattdessen gab es von vornherein Unter-Normen, die sich inzwischen auf ganze neun (!) summiert haben. Diese Unterkategorien sind mit einem Kleinbuchstaben als Unterscheidungsmerkmal gekennzeichnet. Wobei Euro 6a direkt eine Besonderheit darstellt: Auf dem Papier hat die Abgasnorm zwar existiert, in der Praxis war sie jedoch nie von Bedeutung. Hier ging es erst mit Euro 6b los. Die Abgasnorm wurde am 1. September 2014 für alle Typgenehmigungen neuer Pkw und ein Jahr später für ausnahmslos alle neu zugelassenen Autos verpflichtend eingeführt.
Die Grenzwerte bleiben immer gleich
Die Gemeinsamkeit aller Euro-6-Unternormen sind die Grenzwerte bei der jeweiligen Schadstoffart. Egal, ob Euro 6b oder Euro 6d-ISC-FCM: Ein Diesel-Pkw darf laut Gesetz einen maximalen CO-Ausstoß (Kohlenmonoxid) von 500 Milligramm pro Kilometer (mg/km) haben, der NOx-Ausstoß (Stickoxide) darf nicht über 80 mg/km liegen. Die Partikelmasse ist mit 4,5 mg/km festgeschrieben, und zwar sowohl für Diesel- als auch für Ottomotoren. Benzinern ist dagegen ein CO-Ausstoß von 1.000 mg/km erlaubt, während die NOx-Emission den Wert von 60 mg/km nicht überschreiten darf.
Hauptunterscheidungsmerkmal der einzelnen Euro-6-Kategorien sind einerseits die Gültigkeitsdaten:
Und natürlich jene Feinheiten, die den Überblick in Sachen Abgasnormen derzeit so schwierig machen. Die Euro-6b-Einstufung beispielsweise wurde noch auf Basis des NEFZ-Zyklus gewährt. Bedeutet: Die Autos mussten ihr Abgasverhalten lediglich auf dem Prüfstand nachweisen, und zwar in einen vergleichsweise laschen Testverfahren. Bei der aktuell noch gültigen Euro 6c-Norm kommt dagegen der neue WLTP-Prüfzyklus samt WLTC-Messverfahren zur Anwendung. Auch hier wird ein Auto auf dem Prüfstand gemessen, allerdings unter etwas verschärften Bedingungen. Es wird stärker beschleunigt, die Autos müssen mit unterschiedlichen Ausstattungen getestet werden und es gibt insgesamt weniger Schlupflöcher. Das soll Verbrauchs und Abgastests realitätsnäher machen.
RDE, EVAP, ISC, FCM; Durchblick im Abkürzungs-Wirrwarr
Dasselbe Ziel verfolgt die EU mit dem RDE-Verfahren. Die Abkürzung steht für „Real Driving Emissions“, also das Abgasverhalten unter realen Fahrbedingungen. Genau diese werden bei den Abgasnormen Euro 6d-TEMP und Euro 6d getestet, nicht aber bei Euro 6b- und Euro 6c-Fahrzeugen. Der Unterschied zwischen den beiden Euro 6d-Normen ist der Konformitäts-, also der Umrechnungsfaktor. Euro 6d-TEMP gesteht einem Diesel auf der Straße den 2,1-fachen NOx-Ausstoß im Vergleich zum Prüfstand zu. Wenn das Auto im Labor also 80 mg/km ausstößt, dürfen es auf der Straße 168 sein. Euro 6d senkt den Faktor auf 1,43. Aus den 80 mg/km auf dem Prüfstand dürfen im Realbetrieb also maximal 114,4 mg/km werden. Bei den Feinstaubpartikeln liegt der Konformitätsfaktor in beiden Fällen bei 1,5. Dieselben Faktoren gelten übrigens auch für Ottomotoren.
Dann gibt es noch drei ominöse Abkürzungen, die im Zusammenhang mit Euro 6d-TEMP und Euro 6d eine Rolle spielen: EVAP, ISC und FCM. EVAP bedeutet „Evaporative Emission“, es geht also um Verdunstungsemissionen. Hier wird getestet, wie viele Kohlenwasserstoffe ein Auto im Zeitraum von 48 Stunden aus seinem Kraftstoffsystem ausdünstet. ISC steht für „In-Service-Conformity-Tests“ und bedeutet, dass auch bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge nachweisen müssen, dass sie weiterhin die Abgasregularien erfüllen. Diese Regelung ist seit 1. Januar 2019 für alle Typgenehmigungen und ab 1. September 2019 für alle Neuzulassungen verpflichtend.
Die Abgasnorm macht keine CO2-Vorgaben
FCM („Fuel Consumption Monitoring“) heißt: Ein Pkw muss künftig seinen realen Kraftstoff- und Energieverbrauch im gesamten Fahrbetrieb speichern. Die Werte können über die Diagnose-Schnittstelle ausgelesen und bewertet werden, womit die Lücke zwischen Prüfstandsmessung und Realemissionen bzw. -verbrauch weiter reduziert werden soll. Pflicht wird FCM ab 1. Januar 2020 für neue Fahrzeugtypen und ein Jahr später für alle neu zugelassenen Autos.
Für Fahrzeughalter oder Autofahrer haben diese Vorschriften dem ADAC zufolge allerdings keine Bedeutung. Sie richten sich allein an die Fahrzeughersteller und sollen diese überwachen. Allerdings könnte die Logistik bei Prüfständen wie schon bei der ersten Umstellung des Prüfverfahrens WLTP zu Problemen und ggf. Lieferengpässen bei den Autoherstellern führen.
Übrigens: Konkrete CO2-Vorgaben (Kohlendioxid) machte keine der bisherigen Abgasnormen; auch nicht Euro 6 mit seinen gesamten Unterkategorien. Hier gilt lediglich ein Zielwert für die gesamte Flotte eines Automobilherstellers, der ab 2021 auf 95 g/km festgeschrieben ist.