6 offene Supersportwagen im Vergleich

6 offene Superportwagen im Vergleich
Cabrio-Tour durch die Champagne

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Der Sommer neigt sich langsam dem Ende, doch eine letzte Cabrio-Ausfahrt musste noch sein. Mit Porsche 911 Turbo S Cabriolet, Jaguar F-Type SVR Cabriolet, Chevrolet Corvette Z06 Cabriolet, Lamborghini Huracán Spyder, Ferrari 488 Spider und McLaren 650S Spider haben wir die Champagne erkundet und die Rennstrecke Reims–Gueux besucht.

Jaguar F-Type, Chevrolet Corvette, Lamborghini Huracán, Porsche 911 Turbo S, Ferrari 488 Spider
Foto: Rossen Gargolov

Es gehört ja zu unserer motorjournalistischen Pflicht, Sie in eine Geschichte hineinzuziehen. Und wenn es um Cabrios geht, wird sich da traditionell besonders ins Zeug gelegt. Der Plot ist praktisch immer derselbe: Erst wird der hiesige Sommer beschimpft, dann das Bühnenbild ausgerollt. Mal Gardasee, mal Provence – irgendetwas Urlaubsimpressionistisches eben, was das innere Auge leicht von einer Postkarte abgemalt bekommt.

Steht die Szenerie, wird fleißig darin herumgefahren, bis im Kopfkino eine Sommerschmonzette abläuft, die sehr viel mit Zypressenalleen und im Meer verglühenden Sonnen zu tun hat – und nur sehr wenig mit Autofahren.

Problem: Diese Nummer funktioniert nicht nach Cabrio-Textschema F. Erstens ist Atmosphäre hier kaum einzufangen, einfach weil sie dir, sobald sie zu schnuppern ist, direkt in die Nebenhöhlen steigt. Und zweitens muss Stimmung nicht gemacht werden, sie ist schon da. Und: Sie steht kurz vor dem Siedepunkt, wobei die Art und Weise, wie sie jeweils überkocht, am Ende den Unterschied machen wird. Einzige echte Gemeinsamkeit: Alle interpretieren das Thema „offen“ offensiv. Der Schwächste leistet 575 PS, der Langsamste rennt 310 km/h – Rosamunde Pilcher geht jedenfalls anders.

So richtig miteinander raufen darf die Bande trotz ihres kompetitiven Anscheins aber leider nicht. Vor allem Ferrari und Lamborghini zieren sich da. Das liegt zum einen an ihrer vieljährigen, sorgsam gepflegten Rivalität, die sich bis in die Schreibweise des Wortes „Spider“ beziehungsweise „Spyder“ durchzieht. Und dann sind die Open-Air-Versionen von 488 und Huracán laut ihren offiziellen Vertretern ja auch überhaupt gar keine Performance-Modelle – klar, wer käme angesichts von Launch Control und Trackprogrammen auch auf so einen Schmarrn!

Sei's drum, am Ende fightet man also nicht gegeneinander, sondern gemeinsam. Und zwar gegen einen ziemlich unberechenbaren Gegner, den Herbst, der ausgerechnet an diesem Septembermontag recht frontal angreift. Der Alpenraum ist jedenfalls derart mit Regenwolken verbarrikadiert, dass wir auf die Flügel ausweichen müssen und schließlich in Frankreich landen, genauer gesagt in der Gegend um Reims, jener Region östlich von Paris, in der sich Rennsportkult mit Champagnertradition vermischt. Ich meine: der perfekte Rahmen für Autos, die aufgrund ihrer Dachmechaniken ebenfalls etwas eingeklemmt erscheinen in der Zwickmühle aus Dynamik und Genuss.

Der Porsche 911 versteckt sein Potenzial

Den Weg des geringsten Widerstands geht der Turbo S, der einen nicht zur Ekstase treibt, sondern darin wiegt. Er ist der Heidschi-Bumbeidschi-Remix des High-Techno, pure Vortriebsfolter und Wellness-Oase zugleich, oder besser: der Ultimativkick-Boxer mit Samthandschuhen. Keiner hier bleibt in seiner Handhabe so unkapriziös, keiner bietet exorbitante Dynamik so geerdet an, und keiner bewegt seinen Charakter so stufenlos zwischen Alltag, Grantourismus und Besessenheit. Im Stadtverkehr scheint er mitsamt seiner Potenz einfach unterzutauchen.

Freilauffunktion, Start-Stopp, perfekte Sitze, keine Knitterfalten im Abrollkomfort, und unter der Gasfußspitze dieses 750 Nm tiefe Drehmomentreservoir, das sich entweder als Hochgenussmittel über die Antriebsstränge ergießt oder schlagartig berstet – wenn die Sport-Response-Funktion Motor und Getriebe vorspannt und entlädt. Der Vortrieb ist überwältigend, nur überwältigen würde er einen nie. Trotz variabler Schaufelgeometrie fließt die Kraft des 3,8-Liter-Sechszylinders im Normalbetrieb eher anschmiegsam als giftig los, trotz Overboost kommt in der Exekutive des Allradsystems niemals Hektik auf, und trotz der Fähigkeit, sich das massenphysikalische Manifest mittels Torque-Vektoren und Aktivstabis bis zum Gehtnichtmehr zurechtzubiegen, bricht er dessen Gesetze keinesfalls.

Allen anderen musst du Performance herauskitzeln, um sie schließlich in einem mehr oder weniger aufopferungsvollen Kampf zu unterwerfen – im Porsche hingegen läuft es umgekehrt. Man muss nichts erreichen, er reicht es dar. Dabei ist alles, was sich auf dem Weg in Richtung Grenzbereich ändert, die Geschwindigkeit, mit der er sein Fahrverhalten abspult. Ganz gleich, ob Zeitlupe oder Schnellvorlauf, der 911 verzahnt sich mit der Filigranmechanik eines Uhrwerks zwischen Handflächen und Streckenverlauf. Zielen, laden, abfeuern – eine Kanonenkugel mit dem Handling eines Skalpells. Kein Zicken, kein Zucken, kein Zögern, kein Zappeln – es gibt nichts, was dem Porsche 911 Turbo S vorzuwerfen wäre – außer der Tatsache, dass dem so ist.

Corvette operiert als Brutalo-Sportler

Und das wird einem vor allem im direkten Vergleich mit der Z06 bewusst. Wir stehen mitten in den Vogesen zum Fahrerwechsel. Ein Teil der Crew hat sich zum Splash and Dash in die Büsche geschlagen, der Fotograf klaubt die notwendigen Bestandteile seiner Ausrüstung aus den verschiedenen Kofferräumchen, die es zusammen genommen gerade so auf das Ladevolumen eines VW Touran bringen – ehe die sechs Perlen weiter gen Westen schnüren.

Der Elfer hat die schmalen Sträßchen bis hierhin eher liebkost, sich geradezu verbündet mit ihnen, die Corvette jedoch nimmt sie sich nun zur Brust. Wie der 911 ist der Chevy ein Vollcabrio, ebenfalls stoffbedacht und in der Karosseriestruktur demzufolge etwas zittriger als das entsprechende Coupé, was insofern aber nicht negativ auffällt, als eine leichte Schlaksigkeit zwischen den Komponenten bei der Corvette zum Status quo gehört. Bodenwellen werden schnurstracks durchgestellt statt abgenickt, Traktion ist nicht grundlegend vorhanden, sondern wird hergestellt, was angesichts der 881 Nm eine ganz schöne Herausforderung für die Sperrmechanik ist; und während das Schlürfgeröchel des 911 Turbo S seine längsdynamische Dramatik eher verharmlost, trifft die Z06 mit ihrem Mix aus Zwischengasgrunzen, Durchzugshämmern und Ausdrehgebrüll ziemlich genau den Ton des 6,2-Liter-V8. Kurzum: Der Elfer ist der Starchirurg für Fahrdynamik, der Chevy operiert sie eher im Bruce-Willis-Stil – und beides verspricht Erfolg.

Mag sein, dass einem die ersten Kurven mit der Z06 wie Wrestling vorkommen: Du prügelst los, sie zurück, und dann fällt man übereinander her. Irgendwann aber rauft man sich zusammen und drischt gemeinsam auf die Straße ein. Zwar fehlt aufgrund der niedrigeren Torsionssteifigkeit ein bisschen Widerstandskraft im Tauziehen mit den Fliehkräften, dennoch würde auch die offene Z06 eher Placken aus der Fahrbahn reißen, als sie loszulassen. Ob sie schneller ums Eck geht als so ein Turbo S und, wenn ja, wie viel, bleibt aufgrund einer Restportion Menschenverstand unerforscht. Fest steht nur: Sie fühlt sich schneller schneller an.

Erklären wir es so: Der 911 wird erst im Extrembetrieb so richtig spannend, erst dort meint man zu erahnen, dass es doch irgendwo so etwas wie ein Limit geben könnte, einen Punkt, an dem sich seine Dynamik nicht mehr noch weiter steigern lässt. Alles, was jedoch darunterliegt, ist die reinste Blumenwiese. In der Corvette hingegen hat man den Pfad zum Grenzbereich regelrecht emporzukraxeln. Das macht das Erreichen strapaziöser, gleichzeitig hat man aber schon auf halber Strecke das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Und schließlich zählt selbst bei solchen Cabrios nicht nur das Ziel, sondern auch der Weg dorthin.

Mautstation als Hinderniss für die flachen Sportwagen

Der unsrige hat soeben das Elsass durchquert und streckt sich nun an der A4 durch die Eintönigkeit der Ost-Champagne. Den Straßenrand hat man in regelmäßigen Abständen mit Betonkunstwerken drapiert. Sie sollen verhindern, dass man sich ins Delirium tempomatisiert, kolorieren den Trance-Zustand letzten Endes aber nur pastellfarben nach. Wach halten einen jedenfalls allein die Mautstationen.

Vor ihnen verwandelt sich der Gänsemarsch zu einem aufgescheuchten Hornissenschwarm. Jeder sticht in einen anderen Kanal. Der eine links, die anderen rechts. Die Schwierigkeit: Die Zahlautomaten entsprechen nicht unbedingt der Supersportwagen-Norm, also abschnallen, durchs Fenster klimmen, Karte reinfummeln und beim Belegabzupfen lospowern, damit man möglichst vor den anderen rauskommt. Die besten Chancen auf Positionsgewinne verschafft einem der Jaguar. Nicht nur, dass die bedienergonomische Diskrepanz zwischen Sitzposition und Bezahlpult bei ihm geringer ausfällt, auch das Spannungsverhältnis aus Krafterzeugung und ihrer Ausnutzung wirkt nirgendwo anders so leger.

McLaren 650S Spider, Cockpit
Rossen Gargolov
Viel Carbon auch im Cockpit de McLaren 650S. Dank konsequentem Leichtbau ist er der Leichteste im Test.

Wie die Corvette lädt er acht Zylinder per Kompressor auf, bleibt mit fünf Litern Hubraum und 575 PS aber zivilisierter und in seinen Ausläufern ergo nicht gar so verheerend. In der Corvette entfesselst du die Kraft. Ein Gasstoß, dann fällt sie über dich her und schleift dich als träge Masse mit.

Erster Reflex: sofort ablassen von ihr und warten, bis sich das mutierte Technikrelikt wieder zurückverkrochen hat in sein Verlies. Irgendwann jedoch ist man bereit zur Konfrontation, stellt sich, lockt die Bestie hervor, lässt sie kommen und die Drehzahlleiter hochwüten – um ihr dann, wenn sie selbst am Anschlag ist, mit dem Schaltstock den nächsten Gang derart in die Eingeweide zu rammen.

F-Type positioniert sich zwischen 911 und Z06

Der Jaguar wirkt im Vergleich jedenfalls wie ein Gassigang – in jeglicher Hinsicht. Er ist die Golden-Retriever-Züchtung eines Höllenhunds, nicht ganz so unterwürfig wie ein 911, aber nicht halb so blutrünstig wie diese Z06 – was vor allem am Allradantrieb liegt, der genau weiß, wie man den Jaguar F-Type SVR nehmen muss.

Okay, es hat etwas gedauert, bis die Jaguar-Jungs den Dreh raushatten, bis man wusste, wann man die Leine wo wie lang lassen durfte. Die ersten AWD-Versionen verfransten sich dabei noch in den vielen Wegen ihrer Kraftverteilung. Mal übertölpelte der Schub vor lauter Traktion die Vorderachse, mal grätschten die Torque-Vektoren derart derb dazwischen, dass man fast genauso quer ums Eck köterte wie mit den heckgetriebenen Modellen. Und mal passierte beides zugleich, was einen dann schon ein wenig hin- und herriss zwischen Linie und Führung. Mittlerweile jedoch sind die Handlungsstränge aufgedröselt: E-Sperre und Allradsystem wissen miteinander umzugehen, spielen sich die Impulse zu, statt sich zu piesacken, sodass man fast wie auf einem Snowboard um die Scheitelpunkte carven kann. Im regulären F-Type ist das die pure Freude, die SVR-Version unterstützt die Choreografie nun zusätzlich mit Seriosität: strafferes Fahrwerk, breitere Reifen, mehr Spannung in den Kennlinien – und als Summe daraus das gute Gefühl, endlich zu können, wenn man will. Solange man nur so dahingondelt, die Stoffkapuze ins Heck gefaltet, und der Hardrock der Titanabgasanlage einen am Hinterkopf massiert, trägt sich auch der sportlichste Anzug der Baureihe angenehm aufgeknöpft. Sobald Zug reinkommt in Kinematik und Antriebsstrang, legt er sich aber auf einmal hauteng an. Dann knüpft er seine sonst noch etwas lasche Lenkung an die Handgelenke, schnürt den Gaszug fest um den rechten Fuß und stretcht sich mit seinen Achsschenkeln in Kurven hinein, statt wie bisher wie in Baggy Pants in ihnen herumzuschlabbern.

Doch auch wenn diese slim-fitte Lässigkeit grundsätzlich ihren Charme hat, kommt man sich mit dem C-prominenten Heckflügel und der Karnevalsfanfare im Akustikschlepptau schon ein bisschen zu schrill gekleidet vor für die Stippvisite in der guten alten Zeit.

So versteckt sich der Jag am Ende des Defilees, als wir in Thillois auf die D 27 einbiegen – auf jene Strecke, die bis Mitte der 60er die Start-Ziel-Gerade des 8,3 Kilometer langen Grand-Prix-Kurses Reims–Gueux darstellte.

Früher siegten hier Fangio, Brabham und Hawthorn, heute dienen die stilecht konservierten Boxen- und Tribünenanlagen als Rennsportluft-Kurort für Enthusiasten. Wir atmen kurz mit, reiten dann aber eilig weiter, allein schon, um der Gefahr vorzubeugen, dass der Lambo von seinen ach so ruhmreichen Weggefährten wieder wegen seiner ruralen Abstammung gehänselt wird.

Der Huracán will auffallen

Den Lamborghini Huracán Spyder zieht es in die Stadt, dort steht seine Bühne, und mit der weiß er umzugehen. Er macht Oben-ohne-Feeling zu Exhibitionismus, das Öffnen des Dachs zu einer Peepshow und aus Mutter Beimer im Handumdrehen Lady Gaga. Anfangs reagiert das Bürgersteigpublikum in Reims noch recht gefasst auf die automobilerotische Spätvorstellung: 488 roooaaachsschrrr, F-Type ratatatrobobbl, Z06 prororororoppopop, 911 suuuuccchhhfffsshhh, 650S chogrrrrooooocchh – doch dann kommt, gööööööhhhrrrrr, der LP 610-4, und alle rasten aus. Das Design ist die pure Keilheit, der Klang des Zehnzylinders eine Hymne aus Natur, Gewalt und Verherrlichung, und das Fahrgefühl die einzig existierende Verbindung zwischen Extraterrestrik und Erdboden. Als Otto Normalo kommst du dir erstmal vor, als hätte man dich in einem Klingonenkreuzer zur alleinigen Rettung des Planeten entsandt: Kippschalterleisten, Instrumenten-TFT im Kampfjet-Look und als i-Tüpfelchen des Überstylings eine rot lackierte Schutzklappe über dem Starttaster, wie sie in Hollywood immer nur die ganz üblen Schurken öffnen dürfen. Doch dann lässt du ihn an, klickst in den D-Modus und stellst fest, dass dich das Teil gar nicht ins Nirwana katapultieren will, sondern nur von A nach B.

Okay, Parkhäuser und dergleichen liegen ihm nicht, dort kommt man sich vor, als wollte man eine Pizza durch einen Türspalt quetschen, alles andere jedoch ist dann schon Fleisch und Blut, wenn du mit den meisten anderen hier noch nach der eigenen Courage forschst. Die hexagonal geformten Bedienfelder sind nur Mimikry gutbürgerlicher Infotainment-Kultur aus Ingolstadt; die Steifigkeit der Alu-Stahl-CFK-Karosseriestruktur ist trotz des soften Tops exzellent; und die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine längst kein Streitgespräch mehr wie zu Gallardo-Zeiten, sondern ein konstruktiver Dialog, der sich über einen Kippschalter in der Lenkradspeiche im Tenor variieren lässt – von moderat im Strada-Modus bis hitzig in „Corsa“.

Mit anderen Worten: Solange du möchtest, schwimmt er im Mainstream mit, doch ehe er Gefahr läuft, darin zu versinken, kämpft er mit der Kraft seiner zehn Zylinder gegen ihn an. Bei allen anderen ist der Motor das Herzstück, bei ihm ist er ein Stück Herz. 5,2 Liter, zehn Zylinder, 610 PS und 560 Nm, die ganz ohne Wachstumsbeschleuniger entstehen, stattdessen als Bioprodukt aus Hubraum und Drehzahl. Im Teillastbetrieb legt er die Hälfte seiner Zylinder still, aber das ist nur ein Feigenblatt auf seiner Exzessivität. Sein wahres Wesen ist ein hemmungsloses, das sich kurz hinter dem ersten Drehzahldrittel demaskiert. Dann, wenn sich die Untertour-Tuba der Abgasanlage zur Posaune hochschraubt und die Kolben ein Längsdynamik-Schauspiel lostreten, das in seiner Mechanik an ein Glockenspiel erinnert und in seiner Wirkung an „Hells Bells“.

Solange er für seine Fans posiert, hält das Doppelkupplungsgetriebe das Drehzahl-Messer kurz; ist die Sphäre privat, zückt er es. Und so fuchtelst du dann durch die Champagne, dolchst ihn in die kuppigen Geraden und cuttest durch die engen Maschen der Weinberge, was so viel prickelnder ist als das Vorbeipromenieren an den selbstverliebten Chateaus des Brause-Imperiums in Épernay. Die kurze Front treibt sich wie ein Beil in den Kurvenverlauf, von hinten kommt die Kraft, während ein hochflexibles Allradsystem die Schläge stets so ausrichtet, dass man nicht danebenhackt.

Die Martialik seines Bewegungsapparats erinnert an die Streitaxt-Romantik der Corvette, die Präzision ihrer Ausübung erreicht nahezu Porsche-Niveau, und wenn man Cojones in der richtigen Größe hat, lassen sich sogar leichte Übersteuertendenzen wie die des F-Type ins Handling hebeln.

Jaguar F-Type, Chevrolet Corvette, Lamborghini Huracán, Porsche 911 Turbo S, Ferrari 488 Spider
Rossen Gargolov
Auch wenn es sich um sechs Supersport-Cabrios handelt, so gibt es doch wesentliche Charakterunterschiede.

Mclaren und Ferrari bieten gleiches Konzept

Eigentlich der perfekte Mix, gäbe es nicht noch zwei andere hier, die die Mischung aus Fahrdynamik und Erlebnis noch hochprozentiger dosieren: McLaren und Ferrari 488 Spider. Sie reduzieren die Offen-Komponente auf ein absolutes Minimum, überdachen sich solide statt mit Zwirn, was die Steifigkeit hochhält und Performance-Belangen unterm Strich mehr Spielraum gibt. Dabei ist die jeweilige Zielsetzung eine sehr, sehr ähnliche: Beide laden V8-Mittelmotoren mit zwei Turboladern auf, beide gelangen dadurch in dieselbe Leistungsregion, schütten ihre Kraft ausschließlich auf der Hinterachse aus, portionieren sie per Doppelkupplung und nähren ihren Mythos mit der Formel 1.

Dennoch: Der Weg, den sie beschreiten, könnte unterschiedlicher gar nicht sein. Bei Ferrari ist das Streben nach Dynamik mit Folklore gesäumt, mit dem Heißblut der italienischen Mentalität, mit Amore und Cuore. Bei McLaren folgt es dezidierten Eckpunkten, deren Einhaltung der strengen Aufsicht von Ron Dennis unterliegt, der Gefühlsausbruchsversuche sofort im Keim zu ersticken scheint.

Die Determinanten sind zum einen die Aerodynamik, deren Gesetze sich niemals ändern, was eine gewisse Gleichförmigkeit der verschiedenen Modelle zur Folge hat. Zum anderen konstituiert sich jeder McLaren aus ein und demselben Technikgerüst, das im Wesentlichen aus einem Kohlefaser-Monocoque und dem 3,8-Liter-Motor besteht und nur den Anforderungen entsprechend zurechtgeschnitten wird. Das Firmenmotto: Reduce to the max – und dem hat sich auch jede Spider-Version zu unterwerfen.

Nichts am 650S ist Zierde, Stuck oder vorhanden um den Willen des Vorhandenseins – sogar die Sperre wurde zugunsten einer rein elektronischen Regelung wegrationalisiert. Das Cockpit ist mit dem Wort „reduziert“ schon ausschweifend umschrieben, der hohle Klang schlicht das, was im Zuge des Verbrennungs-und Abgasprozesses anfällt; und auch das Handling wirkt derart auskalkuliert, dass man sich als Fahrer eigentlich wie ein Fehler im System vorkommt.

Rennfeeling im McLaren

Doch dann passiert das Unglaubliche: Die ach so kühle Maschine wird warm mit dir und du mir ihr, und dann merkst du, wie sich die komplexe Formel auf einmal Stück für Stück nach deinen fahrstilistischen Vorgaben aufzulösen beginnt. Die Faktoren: porentiefes Lenkgefühl, pedantischer Befehlsgehorsam, hochprozentige Kraftausnutzung und – auch wenn nie explizit vorgesehen – ein gewisses Maß an gegenseitiger Zuneigung. Das Resultat: Rennfeeling. Und zwar nicht nur das handelsübliche, das sich mit ein bisschen Käfig und Heckgeflügel herstellen lässt, sondern pures. Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wie es ist, mit einem LMP durch Le Mans zu donnern. Aber wenn du im McLaren 650S Spider sitzt, die Beine eingeschachtet ins Monocoque, vorn die hektischen Bewegungen des Einarmwischers und ein LED-Fernlichtkegel, der im Takt der Bodenwellen vibriert, und hinten im Nacken das Tosen der Lader und die Airbrake, die beim Anbremsen nach oben schnellt, fühlt sich jedes Provinzsträßchen auf einmal an wie die Hunaudières. Oder um die Kirche im Dorf zu lassen: Es fühlt sich so an, wie wir es uns ausmalen, was emotional sogar noch viel mehr wert sein dürfte.

Der 488 bringt einen jedenfalls nicht ganz so nah heran. Trotz eines Lenkrads, das alle Funktionen im F1-Stil auf sich versammelt, trotz der Leuchtdioden, die den Begrenzer anzählen, und trotz seiner Aktiv-Aerodynamik, die er getreu dem Klappflügelsystem diverser Rennserien als DRS bezeichnet, bleibt er in erster Linie Straßensportwagen. Extrem leichtgängige Lenkung, Dämpfermodus für Schlechtwege, Fahrmodi mit Nässeprogramm – alles Zugeständnisse an den Alltag, die ihn aber nicht davon abhalten, dynamischer zu sein als manche, die sich voll und ganz auf Dynamik konzentrieren. Wir haben eingangs ja von der Zwickmühle gesprochen, in der jeder der Sechserbande konzeptbedingt feststeckt. Der Ferrari ist derjenige, den sie am wenigsten einengt.

Das Handling kombiniert Ideallinienfokus mit kleinkindlichem Spieltrieb, die gesperrte Hinterachse beherrscht sture Traktion ebenso wie butterweichen Übergang in die Instabilität, während einem der 3,9-Liter-V8 mit omnipräsenter Fulminanz, penibelster Dosierbarkeit, apokalyptischer Klangkulisse und unmittelbaren Lastwechselreaktion auf recht unsentimentale Weise begrifflich macht, dass es mit dem Saugmotor zu Ende gehen wird – bei aller Liebe für die anachronistisch veranlagten Lamborghinisti. Kurzum: Der 488 ist die Quintessenz aus allen Philosophien hier. Hochexakt, monströs, ungezwungen, schillernd und ausgeklügelt zugleich – ein Konzentrat aller relevanten Performance- Fakten, dargeboten als Ode an die Freude. Und auch wenn bestimmt keiner der Anwesenden eine postkartographierte Szenerie benötigt, um einem das Kopfkino fremdzustarten, der Hocherotik-Thriller, den dir der Ferrari dreht, ist der einzige, der direkt auf dem Index landet – aber das nur, falls Sie noch Futter für Ihr inneres Auge brauchen sollten.

Technische Daten
Jaguar F-Type SVR Cabrio SVRChevrolet Corvette Z06 Cabrio 6.2 V8 Z06 3LZLamborghini Huracán LP 610-4 Spyder Porsche 911 Turbo S Cabriolet Turbo SFerrari 488 Spider McLaren 650S Spider
Grundpreis145.400 €127.500 €221.995 €218.223 €246.883 €255.000 €
Außenmaße4475 x 1884 x 1308 mm4514 x 1965 x 1243 mm4459 x 1924 x 1180 mm4507 x 1880 x 1294 mm4568 x 1952 x 1211 mm4512 x 1908 x 1203 mm
Kofferraumvolumen207 l171 l100 l115 l230 l144 l
Hubraum / Motor5000 cm³ / 8-Zylinder6162 cm³ / 8-Zylinder5204 cm³ / 10-Zylinder3800 cm³ / 6-Zylinder3902 cm³ / 8-Zylinder3799 cm³ / 8-Zylinder
Leistung423 kW / 575 PS bei 6500 U/min485 kW / 659 PS bei 6000 U/min449 kW / 610 PS bei 8250 U/min427 kW / 580 PS bei 6500 U/min492 kW / 670 PS bei 8000 U/min478 kW / 650 PS bei 7250 U/min
Höchstgeschwindigkeit314 km/h310 km/h324 km/h330 km/h325 km/h329 km/h
Verbrauch11,3 l/100 km14,1 l/100 km12,3 l/100 km9,3 l/100 km11,4 l/100 km11,7 l/100 km