Da reden alle immerzu vom Techniktransfer aus dem Motorsport, fabulieren darüber, dass irgendein Massekabel schon weiß-Gott-wie-viele Führungskilometer in Le Mans abgespult hat, und dann stellt ausgerechnet das klitzekleine Fiat-Töchterchen Abarth ein komplettes Rennauto auf die Straße. Nein, keinen halbseidenen Abklatsch, der – wie wir Journalisten gerne schreiben – ein bisschen in die Richtung tendiert, sondern ein Rennauto im Wortsinn. Der Abarth 695 Biposto sei der wildeste Abarth der jüngeren Geschichte, die Essenz aus Wahnsinn und Leidenschaft, das kleinste Supercar der Welt – und auch wenn sich all das nach aufgebauschtem Marketinggefasel liest, es bringt die Sache auf den Punkt.
Geschlechtsumwandlung mit dem Abarth 695 Biposto vollbracht
Ausgangspunkt des ganzen ist – wie bei allen Abarth-Modellen aktuell – ist der Fiat 500. Und der ist von Haus aus ja eigentlich eher in der Damenwelt verhaftet: bekommt Bärchenzoos auf der Hutablage installiert, wird mit Reserve-Stilettos vollgeramscht, oder – wenn’s ganz schlimm kommt – als Werberträger für Mandys Nagelstudio an einer Straßenecke ausgesetzt.
2008 hat Abarth angefangen ihn Stück für Stück da rauszuholen, erst mit etwas mehr Leistung, dann mit noch ein bisschen mehr, mit Retro-Rallye-Looks im Stile der sagenumwobenen 124 Spider und 131, und mit den exklusiven beziehungsweise hochexklusiven Tributo-Varianten im Namen von Ferrari und Maserati. Doch erst mit dem Abarth 695 Biposto ist die Geschlechtsumwandlung vollends vollbracht. Mit anderen Worten: Er ist der erste Cinquecento, der kein schnuckeliges Hochzeitstaggeschenk mehr sein will, sondern viel lieber Scheidungsgrund.
Die Basics des Abarth 695 Biposto lesen sich zunächst gar nicht so schockierend. 1.4-Liter-Turbo, 190 PS, 230 km/h Topspeed. Alles im Rahmen des üblichen Kleinwagen-Wahnsinns. Einzigartig wird die Nummer dann aber durch die Inhaltsstoffe: Polycarbonat-Scheiben samt Schiebefenstern, Tank-, Öl- und Kühlerverschlüsse aus Titan, Aluhaube, Sabelt-Sitze mit Vierpunktgurten, ein zusätzliches Zentraldisplay für die wirklich relevanten Informationen wie Rundenzeit, und – sozusagen als Tüpfelchen auf dem Bi – ein Klauenschaltgetriebe, Dog-Box genannt.
Schaltkulisse hat das Zeug zum Pin-up des Jahrzehnts
Nicht missverstehen: All das gibt es wahlweise, addiert den 39.900 Euro noch mal zünftige 21.500 dazu – ist aber eigentlich ein Muss. Oder anders ausgedrückt: In seiner Standardfassung ist der größtenteils handmontierte Abarth 695 Biposto nicht so viel mehr als eine um 10 PS aufgepäppelte, abgespeckte Version des bisherigen 695, voll aufgerüstet hingegen ist er nur noch ein paar Prozent vom Markenpokalracer Assetto Corse entfernt.
Dreh- und Angelpunkt der Rennsport-Atmosphäre ist die Schaltung. Allein wie sie dasteht: vollmetallisch, gertenschlank, mit restlos entblößtem Gestänge und einem Schaltstock, der sich vom Bodenblech bis auf Höhe des Lenkrads streckt. Gäbe es Pin-ups in Technikmagazinen, jene hier wäre Playmate des Jahrzehnts. Und das Beste daran: Sie will rangenommen werden, je härter, je lieber.
Hintergrund: In konventionellen Schaltgetrieben werden die Drehmomente von Schaltmuffe und Schaltrad durch die Synchronisation erst aneinander angeglichen, hier reißt man den Gang mit dem Unterarm quasi direkt ins Räderwerk. Ruckartig, mit oder – noch besser – ohne Kupplung, und begleitet von einem wunderbar satten Klackgeräusch. Kurzum: Allein vom Flair gibt es nichts Vergleichbares zurzeit – keine Porsche-Schaltung, keine offene R8-Kulisse, kein DKG dieser Welt.
Abarth 695 Biposto mit humorlosem Fahrwerk
Und Abarth zieht das Rennthema eiskalt durch: Fond und Kofferraum des 695 Biposto sind komplett leer geräumt, das humorlose Fahrwerk erschüttert die Einrichtung immer wieder bis in ihren Grundfesten, überall schimmert Kohlefaser, und statt irgendwelcher Entertainment-Systeme mit Internetradio und weiß-der-Kuckuck-was-für-Streamings ist die einzige Audioquelle die Abgasanlage von Akrapovič.
Zusammen mit der giftig zuschnappenden Lamellensperre an der Vorderachse und der Metallkupplung entsteht ein richtig intensives Fahrgefühl, das sich wegen des ESP allerdings nicht bis ganz in die Spitzen entfalten darf. Schade ja, aber nachvollziehbar. Dass man auf einen Leinen-los-Modus verzichtete, liegt laut Abarth am kurzen Radstand, der sich mit der relativ schmalen Spur und dem hohem Aufbau zu heiklen Situationen aufschaukeln könne. Beweis gefällig? Dann klicken Sie sich doch mal in einen der Youtube-Clips zur Trofeo Abarth: Dort rollt sich in fast jedem Rennen einer ab.
Auf einer Skala von eins bis zehn? Eine glatte Zwölf
Den Spaß am Abarth 695 Biposto bremst die Elektronik aber nicht, zumal sie wirklich erst kurz vor knapp, dann aber resolut dazwischenhaut. Wer das permanente Tänzeln im Heck also immer schön mit der Lenkung pariert, flippert ungehemmt durchs Autodromo. Im Sportmodus fällt der Turbo-Vierzylinder wie ein tollwütiges Eichhörnchen über den Fronttriebler her, pfeift, wuschelt in der Lenkung herum und kugelblitzt das bisschen Auto schließlich überaus zackig voran. Wie viel davon nun tatsächlich Performance ist, ließ sich im klatschnassen Varano nicht abstecken. Noch nicht. Für den Unterhaltungswert gibt es auf der berühmten Skala von eins bis zehn aber schon jetzt eine glatte Zwölf.
Fiat Abarth 695 Biposto Biposto | |
Grundpreis | 39.900 € |
Außenmaße | 3657 x 1647 x 1485 mm |
Kofferraumvolumen | 255 bis 550 l |
Hubraum / Motor | 1368 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 140 kW / 190 PS bei 5500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 230 km/h |
Verbrauch | 6,2 l/100 km |