Eine steife Brise weht Sand vom benachbarten, kilometerlangen Nordseestrand über den dunklen Asphalt von Zandvoort. Die Grand Prix Strecke kennt wohl jeder Motorsport-Fan aus dem TV. Kaum eine andere Piste bietet so viel Topographie kombiniert mit Steilkurven und schmalen Auslaufzonen, wie der Dünenkurs westlich von Amsterdam.
Dabei fragen Sie sich: Warum eigentlich Rennstrecke? Ein Alpina fühlt sich doch vor allem auf der Autobahn wohl. Nun, daran hegt wohl niemand Zweifel und doch gibt es stets Kunden, die sich mit ihren Autos auf Trackdays rumtreiben. Und so lauert der Alpina B5 GT in der Boxengasse. Die letzten Exemplare des B5 haben sich für ihre 250 Käufer – alle circa 70 Limousinen und 180 Touring-Versionen sind bereits verkauft – rausgeputzt. So trägt er nun kleine Flaps an der Schürze, markantere Buckel auf der Haube, retrohaften Streifenlook an den Flanken und vier Titanrohre am Heck. Wie immer bei Alpina: Ist alles sehr dezent.
Leistung kann ein Alpina nie genug haben
Das gilt jedoch – wie immer bei Alpina – nicht für die Leistung. Die absoluten Zahlen: 634 PS und 800 Nm Drehmoment. Der Topspeed gipfelt bei der Limousine in 330 km/h. Den Touring bremst die Windmauer bereits bei 328 km/h – was ihn immer noch zum derzeit schnellsten Kombi adelt. Ja, überhaupt sind das Autoquartettwerte, wie sie einen Alpina seit jeher zum Supertrumpf erheben. Okay, heute flashen uns diese Zahlen nicht mehr, da sich quasi jede Woche ein neuer E-Sportler mit vierstelligen Leistungswerten ankündigt.
Zumal der Leistungsaufschlag beim 4,4-Liter-Achtzylinder gegenüber dem nun ausgelaufenen B5 moderate 13 PS und 50 Nm Drehmoment beträgt. Doch die muss man mit geänderter Luftführung und Motorsteuerung erst mal finden. Denn hier oben am Leistungsgipfel wird die Luft für diese Sportler im Nadelstreifensmoking bekanntlich dünner. Zumal es nicht unbedingt um die maximale Leistung allein, sondern vielmehr um ihre Darreichungsform geht. Denn der Gipfel ist ein Plateau. Und dabei reden wir hier nicht von einer kleinen sonnigen Lichtung, sondern von der Hochebene eines Zentralmassivs.
Sie merken schon: Bei Alpina ist die alte Welt noch heil. Gleich wenn das der letzte 5er aus Buchloe ist und der sympathische Familienbetrieb seinen guten Firmennamen ab 2026 an BMW abtritt. Doch das ist Zukunftsmusik, die nur unnötig vom Hier und Jetzt ablenkt.
Kann der Gran Turismo auch Rundstrecke?
Und schon sind wir auf einer rund 4,2 Kilometer lange Warm-Up-Runde. Den schnellsten Punkt der Strecke erreicht der B5 am Ende der Start-Ziel-Geraden. Hier heißt es hart anbremsen. Der GT bleibt bemerkenswert stabil. Dabei lässt die Bremsanlage mit gelochten 395-mm-Bremsscheiben an der Vorderachse und 398-mm-Scheiben an der Hinterachse auch nach drei Runden am Stück keinerlei Fading oder Ermüdung durchblicken.
Apropos Blickführung: Volle Konzentration beim Einlenken, denn bereits Turn eins hat es in sich. Leicht erhöht, scheitelt sich die 180-Grad-Kurve an der innenliegenden Boxenmauer spät. Also heißt es lange außen bleiben, den Innencurb anvisieren aber nur leicht streifen, um anschließend sauber rauszubeschleunigen. Traktionsprobleme? Kennt der B5 GT dank variablem Allradantrieb und speziell für den Alpina angemischten Pirelli-Reifen nicht. Und auch der Grip an der Vorderachse scheint nie abzureißen. Dabei sind die vielen engen, aber vor allem die langen Kurven ein echtes Reifen-Martyrium.
So wie die Hugenholtz genannte Steilkurve, die in ihrer Form einzigartig sein dürfte. Hier gibt es zwei Bewältigungsstrategien: Entweder aggressiv geradeaus Hineinbremsen und die U-Form mit einem V kreuzen. Klar, das ist mutmaßlich schneller, nimmt der Kehre jedoch den fahrerischen Reiz. Viel schöner ist’s sich am oberen Rand entlangzuhangeln und erst im zweiten Drittel nach innen zu stechen. Dann spürt man die volle Kompression in der Senke, die der B5 GT bemerkenswert fein abfedert. Klar, sanftes Federn, das kann ein Alpina, obwohl er auf der Piste nicht im Comfort-Plus-Modus dämpft. Dafür muss das Fahrwerk hier in "Sport Plus" auch keine Querfugen oder Schlaglöcher verdauen.
Auf der Kuppe kurvenausgangs entlastet der Zweitonner nun gut kontrollierbar und es folgt einer der schönsten Streckenabschnitte mit flowigen Kurvenkombinationen. Die gehen, je nach Mut und Können des Fahrers teils voll. Die Linie sollte jedoch stimmen, um den richtigen Bremspunkt hinter dem nächsten Hügelchen noch zu erwischen. Wiederum macht es einem die Power-Limousine leicht: Die fein abgestimmt Lenkung erfordert zwar höhere Lenkwinkel als ein M5, dennoch klebt der B5 auf Anhieb auf der Ideallinie, zumal der Fahrer trotz des hohen Gewichts wenig von der bewegten Masse spürt.
Edles Powerflair
Ein paar Lockerungsübungen gefällig? Klar doch. Die solide Allradtraktion lässt sich in ESP-Sportstellung mit ein paar feinen Powerslides auflockern. Dabei reitet man auf der breiten Drehmomentwelle, während die ZF-Automatik trotz Rennstreckenschärfung ruck- sowie zugunterbrechungsfrei durch die acht Gänge wandelt. Aber natürlich ist auch selbst Schalten schön! Zumal Sie hier in gefräste Schaltwippen greifen. Deren angeraute Oberfläche fühlt sich sogar noch besser an, als sie aussieht. Überhaupt ist es erstaunlich, wie es Alpina schafft, den ohnehin hochwertigen 5er-Innenraum mit gestepptem Nappa-Leder und kupferfarbenen GT-Akzenten spürbar aufzuwerten und den Fahrer in bequemen Sportsitzen abzustützen.
Ja, Seitenhalt wird zum Schluss noch mal wichtig. Der B5 wirft sich in die letzte Steilkurve vor dem Ziel, die an ein Oval erinnert. Nicht nur, weil sie sich langstreckt, sondern weil an ihrem oberen Ende statt eines Kiesbettes eine Betonmauer droht. Noch einmal beschleunigt der 4,4-Liter-V8-Biturbo am Scheitelpunkt voll durch. Dabei darf er dank des Mittelschalldämpfers seine Beats im Innenraum sogar etwas kerniger spielen. Unter uns Benzinverrückten: Das ist Musik in den Ohren. Die nun leider für immer verstummt, denn dieser B5 GT ist der letzte Alpina-5er aus Buchloe.