Zurzeit geht es für Aston Martin ja vor allem darum, ihre Modellreihen noch halbwegs anständig über die Zeit zu retten. Beim Vantage gelang und gelingt das bis dato ganz gut, die beiden Spezial-Editionen GT8 und GT12 passen zum Charakter und waren auch schwuppdiwupp ausverkauft – zu nicht ganz unlukrativen Kursen by the way.
Dem DB9 hingegen merkte man irgendwie an, dass die Luft knapp wurde allmählich. Die GT-Version ging aufgrund des PS-Mehrwerts noch okay, dessen Bond-Edition indes wirkte ein bisschen wie der verzweifelte Versuch, noch etwas mitzunehmen vom 007-Fieber, das der Kinofilm Spectre seinerzeit ausgelöst hatte – so wie das Hersteller von Softdrinks, Senf oder Spielzeug halt auch taten zu dieser Zeit.
Aston Martin DB11 löst endlich DB9 ab
Bis Ende 2016 gibt es den DB9 noch zu kaufen, zu satten Rabatten wie es heißt. Bereits im Oktober tritt jedoch seine offizielle Ablöse an, der DB11 , der – entgegen anders lautender Befürchtungen – eben kein erneuter Aufguss mehr ist. Sogar ganz im Gegenteil. Für das wichtigste Modell der Markengeschichte wurde vieles auf null gesetzt und neu hochgezogen. Motor, Fahrwerk, Plattform, Infotainment – nichts ist zu bisherigen Modellen verwandt, ohne dass dabei das spezielle Flair verloren gegangen wäre.
Denn auch wenn es sich bei einem Aston schon ein bisschen ungewohnt anfühlt, dass er einem in patinierter Arbeitskleidung gegenübersteht statt im hochglanzpolierten Designerdress, kommt dieses markenspirituelle Feeling direkt rüber. Über die Proportionen, die auch die schwarzweiße Folie der Tarnkappe nicht ruinieren kann, über den vielleicht etwas sehr himmelblauen Innenraum mit seinen pittoresken Details, und natürlich über diese, auf frivole Art äußerst eloquente V12-Stimme, die sich beim Anlassen nun in einen leisen Modus schalten lässt – all jene, die in einer Wohnsiedlung frühmorgens schon mal aus Versehen die komplette Nachbarschaft kaltgestartet haben, wissen, was das wert ist.
Aston Martin DB11 – Prototyp mit geschliffenem Benehmen
Noch seien bestimmte Details ein paar Prozent weit vom Serienstand entfernt, erklärt Matt Becker, Ex-Lotus-Mann und seit gut anderthalb Jahren Chefentwickler. Das merkt man recht offensichtlich im neuen LCD-Instrumentendisplay, dessen animierter Drehzahlmesser die Drehzahl nicht ganz so schnell mitzählt, wie sie der Motor erreicht.
Und man merkt es auch an der Abstimmung der drei ESP-Modi. Die Eingriffe passieren zwar bereits feinfühlig, im Trackmode jedoch kommen sie erst sehr, sehr spät, sodass man selbst kräftig gegenlenken muss. Das hat schon seinen Reiz, um ehrlich zu sein, passt aber nicht so recht zur Positionierung des DB11, der ein Gran Turismo sein will – nicht mehr aber auch nicht weniger.
Und auch wenn die Grenzziehung da sicherlich ein bisschen schwammig ist, schon weil die Bezeichnung GT recht ungeniert auf alle möglichen Autos gepappt wird in letzter Zeit, so wie der DB11 das Thema interpretiert, stellt man es sich vor. Die 3,9 Sekunden bis Hundert und der Topspeed von 322 km/h spielen dabei sicher eine Rolle, entscheidend wird aber die qualitative Komponente sein. Und die zerstreut alle Sorgen über die Daseinsberechtigung der Marke, ihr Selbstverständnis und ihren Platz in der Sportwagenwelt recht schnell und recht nachhaltig.
608 PS im DB11 gut dosierbar
Der komplett neu entwickelte, 608 PS starke 5,2-Liter-Biturbo entfaltet seine 700 Nm statt einen mit Ihnen niederzutrampeln; das Fahrwerk mit dreifach einstellbaren Bilstein-Dämpfern, reguliert die Rollbewegung der Karosserie sinngemäß der Modi „GT“, „Sport“ und „Sport+“, ohne dabei hüben zu wattig oder drüben zu starr zu geraten, und auch das Handling insgesamt vermittelt trotz der stattlichen Statur dieses Gefühl von müheloser Agilität, das man mit dem GT-Thema assoziiert.
Fürs Fahren am äußersten Limit ist der DB11 nicht gebaut, das ist auch weiterhin Aufgabe der Vantage-Modelle und der Vanquish-Erben, die sich eines Tages von ihm ableiten werden. Nichtsdestotrotz beherrscht er es – besser als die überwiegende Mehrheit seiner Konkurrenz, da lege ich mich fest. Beim Einlenken spürt man einen leichten Drang zum Untersteuern, den bekäme man über die Torque-Vectoring-Funktion aber noch wegentwickelt, verspricht Becker.
Klasse Lenkung im Aston Martin DB11
Im weiteren Kurvenverlauf jedoch hängt sich der DB11 so richtig rein. Engagiert statt übereifrig, prima balanciert und vor allem sehr fahraktiv in seiner Anbindung. Das liegt zum einen am sauber dosierbaren Motor, der je nach Vorliebe das Heck ein bisschen rumdrückt oder einen linear an der Haftungsgrenze entlangpowert.
Und zum anderen liegt es an der ultradirekt übersetzten, leichtgängigen, und insbesondere glasklar rückmeldenden Lenkung. An ihr habe man besonders lange herumgetüftelt, sagt Becker, jetzt sei man aber happy mit ihr. Und das völlig zu recht, weil sie es schafft, diesen für die Sportlichkeit so entscheidenden Punkt, an dem die Reifen beginnen, seitwärts zu radieren, sehr gefühlsecht in die Handflächen zu übertragen.
Das Gesamtbild ist jedenfalls ein stimmiges, zumal auch der transaxial verbaute ZF-Automat ebenso flink wie gefühlvoll über seine acht Stufen turnt. Kurzum: der DB11 kann alles, was er als GT können muss – unter fahrdynamischen Gesichtspunkten vielleicht sogar mehr als das.
Trotzdem steht am Ende die Frage, was er können könnte, wenn sie das Gewicht etwas besser im Zaum gehalten hätten. Mit gut 1.850 Kilo liegt er zwar ganz gut im Klassenschnitt, von einer kompletten Neuentwicklung hätte man dahingehend aber mehr erwarten dürfen. Mehr im Sinne von weniger, versteht sich.
Aston Martin DB11 Coupé 5.2 V12 | |
Grundpreis | 218.595 € |
Außenmaße | 4739 x 1940 x 1279 mm |
Kofferraumvolumen | 270 l |
Hubraum / Motor | 5204 cm³ / 12-Zylinder |
Leistung | 447 kW / 608 PS bei 6500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 322 km/h |
Verbrauch | 11,4 l/100 km |