Audi RS 4 Avant: Mit dem V8-Sauger auf Abschieds-Tour

Letzte Ausfahrt im Audi RS 4 Avant
Auf Abschiedstour mit dem V8-Sauger

Inhalt von

Erneut verlässt ein geschätztes Automobil mit einem V8-Saugmotor die Bühne – der Audi RS 4 Avant. Obwohl es ganz bestimmt Gründe gibt, sich auf den Nachfolger mit Turbotriebwerk zu freuen, gebührt dem Kombi mit seinem üppigen 4,2-Liter-Aggregat ein würdiger Abschied. Warum nicht in Andalusien?

Audi RS 4  Avant, Frontansicht
Foto: Manuel Hollenbach

Als Straße der Sehnsucht ging die A-397 von Marbella nach Ronda bislang noch nicht in die Geschichte ein – zumindest nicht dass wir wüssten. Und unser Wissen über die spanische Literatur und Kunst hält sich zugegebenermaßen in recht engen Grenzen. Für Freunde gepflegter Kurvenkombinationen gilt sie jedoch zweifelsfrei als Traumroute, und für alle, die auf abgeschiedene Rennstrecken stehen, sowieso.

Denn wer in Ronda auf die A-367 abbiegt, ihr wenige Kilometer folgt, sieht rechter Hand die private Rennstrecke Ascari. Für den Audi RS 4 Avant sind es bis dorthin noch ein paar linke und rechte Haken, bis zu seinem Produktionsende dagegen nicht – mit dem Modellwechsel des A4 geht auch der sportliche Kombi der Generation B8 in die Geschichte ein. Und mit ihm der 4,2-Liter-V8 und wohl auch das Kronenraddifferenzial im Antriebsstrang. Beides zählte bereits zu den Merkmalen des intern B7 genannten Vorgängers, und bei dessen Debüt 2005 war die Aufregung mindestens genauso groß wie nun beim Abschied des B8. Warum?

Audi RS 4 vom Turbo zum Sauger und zurück

Die bange Frage lautete, ob der Achtzylindermotor ein ähnlich bedrückendes Beschleunigungserlebnis bieten kann wie der von ihm abgelöste 2,7-Liter-Biturbo-V6. Schon seltsam, wie manchmal die Geschichte verläuft, oder? Jetzt verhält es sich nämlich ziemlich genau umgekehrt. Dabei sehen die meisten sport auto-Redaktionsmitglieder beim Stichwort noch immer Gelb. Imolagelb, um genau zu sein, denn in diese nur wenig dezenten Farbe war der damalige Dauertest-RS-4 getaucht. Obendrein zählte ein ominöses Sportpaket mit tiefergelegter Karosserie, Sportauspuff und Schalensitzen zur Ausstattung. Ein zweites Fahrzeug in dieser Konfiguration kam uns allerdings bislang noch nicht unter.

Wie auch immer, der frei saugende Nachfolger brauchte nur wenige Meter, um alle Zweifel wegzubrüllen, wenngleich er vorwiegend beim Geradeausfahren brillierte. Mit dem B8 erledigte sich das Thema, wie er auch jetzt gerade wieder unter Beweis stellt. Zwar änderte sich an der grundsätzlichen Kraftverteilung von 40 zu 60 (Vorder-/Hinterachse) nichts, sogar bis zu 85 Prozent könnte das Mittendifferenzial nach hinten schicken.

Doch das bei seiner Präsentation vorgestellte, optional erhältliche Sportdifferenzial an der Hinterachse ist ein echter Hundling, wie wohl der Bayer sagen würde. Seine Wirkungsweise: Es lenkt den Kraftfluss zum kurvenäußeren Rad und beeinflusst so das Einlenkverhalten positiv. Also schlägt der misanorote Testwagen Haken um die Briten- und Rentnerparadiese – was oft auch zusammenfällt – an den nördlichen Hängen Marbellas, schwingt sich hinauf in den Nationalpark Sierra de las Nieves. Zweifelsfrei zu klären, ob das nun mit Gebirge der Schneeleoparden oder der Schneeglöckchen übersetzt wird, gelang leider nicht. Gesehen haben wir keines von beidem.

Audi RS 4 und der V8: Wach, heiser, gewaltig

Der Audi RS 4 jedenfalls arbeitet im Dynamic-Modus – genauer gesagt: seine Lenkung, die Gasannahme, das Sportdifferenzial und die Abgasanlage. Was mit dem Getriebe ist? Wird selbst geschaltet, da regt ja schon die Frage auf. Munteres Paddelzupfen ist also angesagt, beim Herunterschalten von einem kurzen, dumpfen Aufbrüllen, beim Heraufschalten von wütendem Schnauben des Direkteinspritzers begleitet. Sie wissen, wie wir ticken, ein manuelles Schaltgetriebe (so wie noch beim B7) wäre uns lieber, doch der Siebengang-Doppelkuppler arbeitet schon ziemlich großartig: unaufgeregt, dennoch furchtbar schnell, dabei unerreicht treffsicher, und zwar immer – ohne Anzeichen von Schwäche.

Die emotionale Komponente steuert eben der Motor bei, was ihm zusammen mit dem Verbrennen von Kraftstoff ziemlich leichtfällt. Hellwach wie ein Moderator beim Frühstücksfernsehen erwartet er Gaspedalbefehle, setzt sie ruckfrei um, macht sich dann den Drehzahlberg untertan. Gleichmäßig joggt er hinauf, legt bei rund 3.800/min noch eine Schippe drauf, bekommt dabei einen metallisch-heiseren Unterton, jedoch ohne das Tourenwagenähnliche Scheppern seines Erzfeindes BMW M3. Nein, er gibt lieber den dicken Achtender, klingt gewaltig, aber rund, kein Ami eben.

Aktives DRC-Fahrwerk vermindert Seitenneigung

Wenn der Kombi einlenkt, dann gleich die ganze Fuhre, die vorderen 20-Zoll-Räder biegen ab, das Heck drückt nach, und sollte die Kurve arg eng sein, hilft ein lässig gesetzter Lastwechsel. Seitenneigung? Berechtigte Frage, schließlich ginge der Avant ja auch als Familienkutsche durch. Doch dagegen kämpft das sogenannte DRC-Fahrwerk ziemlich erfolgreich. Vereinfacht gesagt: Die jeweils diagonal gegenüberliegenden Dämpfer sind hydraulisch miteinander verbunden. Federt also beispielsweise das Dämpferbein vorne links in einer Linkskurve aus, sorgt das Zentralventil dafür, dass das einfedernde Dämpferbein hinten rechts eine stützende Gegenkraft aufbaut. Und eigentlich ist der ganze Zauber Nebensache – für jene Typen, die am Straßenrand gebrauchte Golfbälle verticken, sowieso.

Sie ließ der Audi RS 4 tief grantelnd rechts liegen, links die einsame Bar auf halber Höhe, die mit einer deutschen Biermarke wirbt, keiner besonders guten übrigens, aber lassen wir das. Stattdessen lieber noch einen Schluck vom 450 PS starken V8, er zählt dafür definitiv zu den Guten, doch den Audi-Entwicklern erscheint er nicht mehr gut genug. Geifernd dreht das Aggregat – obwohl leicht langhubig ausgelegt – hoch, 5.000, 6.000, 7.000, 8.000 und weiter, tobt, will so gar nichts von seinem soeben eingetretenen Ruhestand wissen.

V8-Abschiedstour im Grenzbereich auf dem Ascari Race Ressort

Ronda liegt hinter uns, da vorne geht es rechts zum Ascari Race Resort, benannt übrigens nach dem italienischen Rennfahrer Alberto Ascari. Hier kann es den im Allgemeinen betont humorlosen spanischen Uniformierten egal sein, was passiert, ihr Territorium wurde soeben verlassen. Ein niederländischer Pfiffikus konnte sich durch Vergolden eines Patents diese herrliche Anlage bauen. Jetzt häuft er mit der Vermietung des 5,425 km langen Kurses und der perfekten Infrastruktur vermutlich noch mehr Geld an. Ob ihm der Audi RS 4 wohl zu wenig exklusiv wäre?

Ach, was soll's. Ein Streckenposten reckt den Daumen, die Ampel steht auf Grün, der Audi stürzt sich bereits die erste Rechts hinab, verträgt sofort wieder Vollgas, schießt auf den Linksknick zu, kurz Gas wegnehmen, dann weiter, der Kurs fließt herrlich dahin. Dem Audi steht dagegen zuweilen sein Gewicht von knapp 1,9 Tonnen im Weg. Ungerührt zimmert der Audi RS 4 einige Brems-, Einlenk- und Scheitelpunkte später die lange Gerade hinunter, dann der ultraschnelle Rechtsknick, jetzt kurz bergauf, die Schikane geht ums Verrecken nicht als Gerade. Auch die zweite in die Senke nicht, dann über die Kuppe, auf die eine beinahe endlose überhöhte Links folgt.

Der Audi setzt sich geradezu hinein, die Fast-90-Grad-Links naht, die Keramikbremse beißt zu – und jetzt untersteuert er mal wieder. Der RS 4 geht sicher nicht als Sportwagen durch, dafür aber als agiler Sportkombi. Die Nadel des Drehzahlmessers wischt gerade wieder über die 8 hinweg, whumpf, Gangwechsel, der V8 schnaubt, Runde zwei. Selbst wenn wir beim Stichwort RS 4 noch immer zunächst Gelb sehen, wird uns der V8-Audi fehlen. Weil es ungeachtet der technischen und emotionalen Brillanz moderner Turbotriebwerke um jeden dicken Sauger schade ist – um fast jeden. Es sei ihm also noch eine Fahrt gegönnt, auf der A-397, zurück nach Marbella.

Technische Daten
Audi RS 4 Avant
Grundpreis77.900 €
Außenmaße4719 x 1850 x 1416 mm
Kofferraumvolumen490 bis 1430 l
Hubraum / Motor4163 cm³ / 8-Zylinder
Leistung331 kW / 450 PS bei 8250 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
Verbrauch10,7 l/100 km