Es war ja klar. Schon im Vorfeld, als es ums Wann ging, ums Wie und ums Warumausgerechnet-mi TT en-in-der-Stadt, schon da haben wir über das Thema geredet, haben gewitzelt, wie hoch die Kaution wohl sein würde, wenn sie uns erwischen. Und ob sie irgendwer bezahlen würde. Und wir haben besprochen, was wir sagen würden, wenn es so weit ist, um uns schließlich zu fragen, ob Flucht nicht vielleicht sogar die beste Lösung wäre.
Fünfzylinder brüllt alle zusammen
Kurz vor elf passiert es dann. Im Schritttempo dieselt der Mondeo in den Kreisverkehr. Silbergrau natürlich, Kombi natürlich, Radkappen – so unauffällig, dass es schon wieder auffällig ist. Nach zwei Ehrenrunden wird das edle Stück den Randstein hochgewürgt, Türen springen auf: „N’Abend allerseits!“ Freundlich. In zivil.
Und dann stehst du da. Vor dir die Rennleitung, hinter dir die Skyline von Frankfurt und der Megastar vom Wörthersee – mit Riesentheke, Sidepipe und einer Zulassung, die nur nach dem altbayerischen Mia-san-mia-Prinzip ausgestellt worden sein kann. Wie auch immer: Es roch nach Ärger.
Kurze Zeit vorher roch es noch nach Sprit. Der Audi TT Clubsport Turbo reist im Einzelzimmer an. Hinter einer Lagerhalle wird abgeladen. „Privatgrundstück. Widerrechtlich parkende …“ Hausfriedensbruch? Das geringere Übel.
Normalerweise beginnen Fahrberichte mit dem Einsteigen, diesmal knistert’s schon davor. Noch im Hänger wird das Concept-Car aus seinem Pyjama gewuschelt. Reinschlüpfen in das Audi TT Clubsport Turbo Concept. Türen und Cockpit-Architektur entstammen der Großserie, nur der Startknopf zog ans Lenkrad um. Zündung – der Fünfzylinder brüllt alle Anwesenden erst mal ordentlich zusammen. Er grölt, rülpst, stichelt mit Flammen, schießt, knallt, schnaubt dem Kollegen beim Soundclip-Dreh fast die GoPro aus der Hand und ofenröhrt derart, dass sie ein paar Kilometer weiter den Maintower evakuieren. Ganz bestimmt.
Audi TT Clubsport Turbo Concept mit LED-Säbelzähnen
Ein versteckter Taster hebt die Frontpartie des Audi TT Clubsport Turbo Concept elektrisch an, damit er sich an der Rampe nicht das Kohlefasernäschen aufschürft, dann krabbelt er vorsichtig hinab. Ein, zwei Gasstöße granteln noch aus dem Seitenschweller, dann steht er da und wirkt. Und endlich wirkt er stimmig. LED-Säbelzähne in der Schürze; geschüsselte 20-Zöller, welche aus dem RS 6-Regal stammen; und diese wunderbaren Breitbaubacken – vorn aus CfK, hinten integriert ins Aluminium des Seitenteils, die nicht nur dem gigantischen Grill die richtigen Proportionen geben, sondern auch ganz verschmitzt mit der Rennsporthistorie reminiszieren. Mit der eigenen ebenso wie mit der der Konkurrenz.
Schauen Sie ihm mal genau auf den Hintern. Nein, nicht genieren, er mag das: Mit den ausgebauten Radhäusern ist sich der Audi TT Clubsport Turbo quasi selbst Garage. Außenrum Concept, drinnen steht das Serienauto. Ein bisschen wie damals beim IMSA-Racer 90 GTO, meint Audi. Wir meinen: Eher wie beim Porsche 935, der sich im Laufe seiner langen Karriere zu immer aberwitzigeren Ausbaustufen hochschaukelte, im Kern aber stets als Neunelfer erkennbar blieb.
Und genau nach diesem Muster ist das Audi TT Clubsport Turbo Concept gestrickt. Stilistisch, aber insbesondere prinzipiell: Denn normalerweise sind Concept-Cars recht windige Hütten, notdürftig zusammengeleimt, um gut auszusehen. Die einzige Anforderung, die man an ihren Antrieb stellt, ist das Vorhandensein. Um schicke Leistungsdaten auf Glassäulen zu drucken, oder um mit Journalisten einmal ums Karree zu kullern. Bitte nicht schneller als 18 km/h, Sie wissen ja, Einzelstück und so.
Audi TT Clubsport Turbo Concept mit 600 PS
Dieses hier ist anders, es ist ein richtiges Auto, ein TT, kein stinknormaler zwar, aber ein TT. Heißt: Der Motor ist keine Nebensächlichkeit, die nur die Optik rumtragen soll, er ist der Hauptteil – und noch viel extremer als das ganze Drumherum. Rein körperlich gibt er den altbekannten Fünfzylinder: 2.480 Kubik, langhubig. Genau, der, der den TT RS befeuerte und künftig wieder befeuern wird. Aktuell engagiert er sich nur im Audi RS 3. 367 PS und 465 Nm leistet er dort – so viel wie nie. Und doch fast erbärmlich, wenn man bedenkt, was hier in ihm steckt: 600 PS, 650 Nm, Ausrufezeichen!
Einfach aus den Kolben schüttelt er sich solch vogelwilde Leistungsdaten aber nicht. Will sagen: Sie haben ihn ordentlich auf links gedreht. Pleuel, Kurbelwelle, Kolben, Einspritzventile, Auslassnockenwelle – alles stammt ebenso aus dem Rennsport wie der riesige Garrett-Turbolader, dessen 60-Millimeter-Turbine maximal 1,8 bar Ladedruck erzeugt. Problem: Durch die massive Aufladung und den eher geringen Hubraum – wir reden hier über eine spezifische Leistung von 240 PS pro Liter – entstünde zwischen Gas und Annahme ein gähnendes Turboloch. Konjunktiv deshalb, weil Audi es stopft.
Zumindest fast. Und zwar mit Hilfe eines E-Verdichters. Dieser sitzt unmittelbar hinter dem Ladeluftkühler in einem Bypass, wird binnen 200 Millisekunden elektromotorisch auf 72.000/min beschleunigt und übernimmt so lange die Aufladung, bis der Abgasturbo Schwung geholt hat. Leuchtet ein, oder?
Druck von früh bis alles zu spät
Mehr noch: Es funktioniert. Sobald die Metallkupplung den Fünfzylinder in den Allradantrieb drischt, randaliert das Audi TT Clubsport Turbo Concept im Fahrbericht vorwärts. Weggeblasen ist der leichte Gummibandeffekt in der Kraftentfaltung freilich nicht. Dennoch: Das Drehmoment wächst früher an, steiler empor und wuchert länger und buschiger an den Drehzahlbändern entlang. Und natürlich haben die Audianer tolle Dinge zur Veranschaulichung errechnet: Zum Beispiel, dass der TT dank der Hybridaufladung in den ersten 2,5 Sekunden nach dem Start sechs Meter mehr zurücklegt als mit konventionellem Turbokonzept.
Oder dass zwischen 3.000 und 7.000/min stets über 92 Prozent des maximalen Drehmoments anliegen. Mit anderen Worten: Das Ding geht von vorn bis hinten wie die Pest. Er steht unter Druck, und der steht unter Strom. Fühlbar und hörbar. Im Gasansatz vernimmt man ein leises Fiepen, wenn das Hochvoltnetz den Zusatzverdichter anschmeißt, dann mischen sich Auspuffdonnern und der Fünfzylinder- Marsch. Markenfolklore featuring Zukunftsmusik, wenn man so will.
Wie viel TT RS steckt im Clubsport?
Wobei: So fern ist diese Zukunft gar nicht. Denn der electric turbo geht in Serie. Nächstes Jahr, im Audi SQ7, zusammen mit einem neuen V8 TDI. Aber pssst, von mir haben Sie’s nicht! Und auch die Rolle des Fünfzylinders dürfte in Zukunft eine tragendere werden. Nicht nur in Bezug auf seine Beziehung mit dem E-Verdichter, sondern generell. Schon bei der Entwicklung des Audi TT Clubsport Turbo Concept habe man eng mit der Quattro GmbH zusammengearbeitet, heißt es.
Ganz ins Blaue hineinentwickelt ist das Showcar also nicht. Und das lässt zwei Schlüsse zu. Erstens: Im Einzelstück steckt schon ein kleines bisschen TT RS. Breitbau? Aufladungsprinzip? Durchaus im Bereich des Möglichen, nur 600 PS werden es am Ende wohl doch nicht sein.
Schluss Nummer zwei ist etwas spekulativer. Lassen Sie mich deshalb kurz ausholen: Seit einiger Zeit ist offiziell bekannt, dass Audi seinen altgedienten V8-Sauger pensioniert. Folge: Der neue R8 steht derzeit ohne Basismotor da. Rein emotional betrachtet mag das verschmerzbar sein. Problem ist nur, dass es für den chinesischen Markt eine kleinvolumige Alternative zum Zehnzylinder braucht, da alles ab vier Litern Hubraum dort absurd strafbesteuert wird. Infrage kommen also der V8-Biturbo aus S6 und RS 6 – oder eben jener Reihenfünfer. 450, vielleicht 480 PS müsste er dafür bringen. Schaffe er locker – auch im Serientrimm, sagt Technikvorstand Hackenberg. Schau’n mer mal, sagt der Kaiser.
Audi TT Clubsport Turbo Concept geht spielerisch
Doch der Motor ist bekanntermaßen nur der Nenner, was zählt, ist das Gewicht – selbst hier, wo man angesichts der Muskelmasse nicht jedes Gramm gleich merkt. 1.396 Kilo wiegt das Audi TT Clubsport Turbo Concept – ähnlich viel wie ein serienmäßiger TTS, dessen leichterer Vierzylindermotor erst mal wieder reingespart werden will: Ein Käfig aus Titan ersetzt die Rücksitze, statt Armauflagen an den Türen gibt es nur Zuziehschlaufen, die Klima flog raus, Rennschalen ersetzen die Zig-Wege-Sitze, dazu die diversen Karosserieteile aus Kohlefaser: Schweller, Stoßfänger, Kotflügel, Haube. Letztere bringt rund 15 Kilo. Kurzum: Leichtbau ist Sisyphusarbeit.
Doch die zahlt sich in Fahrfreude aus: Allein wie das Audi TT Clubsport Turbo Concept im Fahrbericht einlenkt, um Ecken fetzt. Spielerisch, humorlos, aber auch nicht von ungefähr: staubtrockenes Gewindefahrwerk, 275er-Reifen rundum, da lässt sich selbst die Kopflastigkeit aushebeln. Seitenneigung? Null. Untersteuern? Keins, auch weil ihn die radselektive Momentenverteilung mit gewieften Drehmomentimpulsen unterstützt. Viel wichtiger als die tatsächliche Dynamik jedoch: Obwohl als Concept eigentlich unnahbar, lässt es einen an sich heran. Dieser synthetische Schleier, der für gewöhnlich das Fahrgefühl bei Audi überzieht, er ist weg. Alles wirkt echt, real, lässt sich berühren und berührt deshalb umso mehr. Vielleicht auch weil an ein paar Ecken noch Kanten sind. Bei Volleinschlag raspeln die Räder an der Radhausverkleidung, gelegentlich motzt das ESP.
Stummel in Gummimanschette
Innig wird die Liaison aber vor allem durchs Schaltgetriebe. Wieder mal. Es ist ein kleines Kaleidoskop in die TT-Trilogie: Gehäuse vom TT zwei, Gummimanschette vom Urmodell, extra stabile Innereien und der kürzeste Schaltstock der Audi-Geschichte. Enge Gassen, ultrapräzise Rastung, festes Gefühl. Einhellige Meinung: Mordsgaudi. Schreibt, dass es geil ist, sagen die Audianer, dann kommt so was vielleicht. Tun wir hiermit, jetzt seid’s ihr dran!
Ganz echt, man läuft Gefahr sich in Rage zu fahren. Der Plan deshalb: erst die Bilder. Doch dann waren da ja die Cops. Flucht? Scheidet aus, überall am Auto pappen Blitzgeräte, der Fotograf ist in den Innenraum geknäult. Wie wollten wir uns gleich noch mal rausreden? Zu spät, sie reden bereits: Was wir hier treiben? TT, Studie, sport auto; so und so, aha, aha. Ob man sich da mal reinsetzen dürfe. Wenn’s sein muss. Scherz. Klar. Die Situation entspannt sich. Selfies werden geschossen, PS-Gespräche geführt, dann hat Frankfurt ernstere Probleme. Später, als wir eine verwaiste Industriegebietsstraße hinunterbrett … – ich meine natürlich – entlangrollen, treffen wir den Mondeo noch mal: Seitenfenster geöffnet, Arm rausgestreckt. Kelle? Smartphone!