Keine Bange, die große Citroën-Geschichte erzählen wir hier nicht, aber ein wenig Rückschau muss sein – zum Beispiel auf das Segment, was heute als Kompakt- oder Golfklasse bekannt ist. Schauen wir doch mal ins Jahr 1970. Da streitet man sich in Wolfsburg darüber, ob der Käfer den Karren nicht noch länger ziehen kann. Nein, kann er nicht. 1974 dann kommt der erste Golf, wahrlich keinen Tag zu früh.
Aber eben vier Jahre später als der Volkswagen von Citroën, der GS. Scheibenbremsen vorn und hinten! Hydropneumatische Federung wie beim DS! Das alles gab es 1970 in Serie, und ganz Verwegene kauften sich ab 1973 den GS Birotor mit Wankelmotor. Avantgarde konnte Citroën damals also. Dieses Anders-Sein ist vorbei in Zeiten geteilter Plattformen und Komponenten, klar. Doch konventionell geriet der neue C4 nicht.
Kompakter? SUV? Coupé?
Er wird zwar der einzige Citroën in der Kompaktklasse sein, wenn der C4 Cactus demnächst in Rente geht. Doch ganz brav und auf Nummer Sicher ein Kompakter oder ein SUV sein wie alle anderen will er nicht. Die neue Citroën-Alternative zu Golf, Ceed, Octavia oder Focus ist ein gut 1,50 Meter hohes Crossover-Coupé, das mit erhöhter Bodenfreiheit dezent Feldwegtauglichkeit suggeriert und durch die früh geneigte Dachlinie einen Schuss Dynamik dazumixt. Das sieht gefällig aus ohne jenen unterschwelligen Schuss bräsiger Aggressivität, der manche größeren SUV-Coupés umweht. Die gelungenen Proportionen beschädigt Citroën auch nicht durch falsche Sparsamkeit bei der Bereifung: Serienmäßig sind 18-Zöller montiert – kleinere Räder sähen in den großen Radhäusern wohl auch verloren aus.
Gegenüber dem Wettbewerb sitze man sieben bis zehn Zentimeter höher, bescheinigt Citroën dem C4. Will sagen: Es sitzt sich erhöht in diesem Citroën, und weil sich die Motorhaube nicht wie bei vielen Standard-Kompakten direkt hinter der Winschutzscheibe wegduckt, sondern nahezu waagerecht verläuft bis zu den schmalen Lichtleisten im Bug, fährt etwas suviges Trutzburg-Gefühl mit.
Es ist eines der angenehmen Sorte – vor allem in den Testwagen, die nach der Devise "Einmal mit allem" sehr wohnlich und elegant konfiguriert sind. Gestepptes Leder über den bequemen (hinten etwas kurzen) Sitzen, Glasdach, überall Materialien, die gut aussehen und sich gut anfassen. Das alles ist schon sehr luxuriös und geschmackvoll gemacht, wird aber natürlich nicht zum Grundpreis geboten, der beim 131 PS-Benziner in Grundausstattung Feel knapp unter 24.000 Euro bleibt. Dafür gibt es immerhin schon LED-Scheinwerfer, DAB-Radio mit Apple Carplay und Android Auto sowie eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik.
Clevere Ideen? Anwesend
Bei der Einrichtung zeigt Citroën nicht nur Stilempfinden, sondern auch Sinn fürs clevere Ideen. So gibt es nicht nur zwei Handschuhfächer, sondern darüber noch eine ausklappbare Halterung für Tablets, damit der Beifahrer unterwegs arbeiten oder Filme streamen kann. Ablagen gibt es jede Menge, und bei der Bedienung verkniff sich Citroën allzu verwegenen Futurismus: Der Wählhebel der etwas betulich agierenden Achtgang-Automatik (2.000 Euro) ist zwar wie bei manchen Wettbewerbern nur noch ein kleiner Stummel. Doch es gibt noch richtige Tasten und Drehregler für die Klimatisierung.
Verrückt, über was man sich freuen kann, oder? Aber es ist nicht alles Gold. So ist die Übersichtlich nach schräg hinten (ja, die C-Säule ist sehr massig) und hinten, wo über dem klassenüblich großen Gepäckraum nur Platz blieb für eine flache, durch einen Spoiler und die nicht komplett absenkbaren Fondkopfstützen zugebaute Heckscheibe, eher bescheiden. Dankenswerterweise hat schon das Basismodell wenigstens Parksensoren hinten serienmäßig an Bord, die Sicherheit beim Rangieren wächst aber erheblich mit Sensoren auch vorn und Rundum-Kamera (beides Serie in der Topausstattung Shine, ab 26.940 Euro).
Serienmäßig ist hingegen ein Reminder für jene Zeitgenossen an Bord, die kilometerweit mit eingeschaltetem Blinker Verwirrung stiften, weil nicht klar ist, ob sie dösen oder wirklich abbiegen oder ausscheren wollen: Der Blinker des C4 gibt nach einiger Zeit Geradeausfahrt jede Zurückhaltung auf und klick-klackt so nervig laut, dass der Fahrer ihn sofort abstellt, um dieser Marter zu entkommen.
Ein kleines Detail nur, doch es ermöglicht nahtlos den Übergang zu einem Weltrekord: Im Wettstreit um den kleinsten Drehzahlmesser der Gegenwart, der womöglich keinen anderen Autohersteller interessiert, geht die Goldmedaille fraglos an den C4. Denn was der Motor so treibt, signalisiert er im Format einer Euro-Münze im volldigitalen Cockpit. Viel deutlicher kann man nicht zeigen, dass der gute alte Verbrenner nicht mehr als beseelte Maschine, sondern als schnöder Pflichterfüller angesehen wird.
131 PS zum Verkaufsstart
Und wie erfüllt er seine Pflicht, der aktuell einzige Benziner? Der 131 PS starke Dreizylinder arbeitet sich solide die Drehzahlleiter hoch, klingt unten herum ziemlich knurrig, dafür oben heraus aber nicht nervig. Man ist notfalls ausreichend schnell unterwegs, gerät aber kaum in Versuchung, es wirklich wissen zu wollen. Dafür ist dann wohl der 155 PS-Benziner zuständig, der im März gemeinsam mit dem Einsteiger-Otto und -Diesel der 100 PS-Klasse kommt.
Doch der mittlere Benziner könnte sich als goldene Mitte herusschälen. Denn er passt sehr gut zur Fahrwerksauslegung, die laut Citroën den besten Federungskomfort dieser Klasse ermöglichen soll. Das erscheint nach ersten Testfahrten doch sehr hoch gegriffen, denn Querrinnen und Schlaglöchern schenkt der C4 mehr Aufmerksamkeit als etwa ein VW Golf mit adaptiven Dämpfern. Auf mittelprächtigen Landstraßen hingegen wiegt der C4 sehr fein und beflissen über Wellen oder Buckel hinweg und vermittelt eine zufriedene Fahrfreude, die irgendwie auch zur sehr leichtgängigen, aber weitgehend gefühllosen Lenkung passt. Dieses Auto kauft man nicht, um durch Kurven zu pfeffern. Man kauft es, um gelassen über Land zu strömen.
Nicht ganz unerwartet verarbeitet der e-C4, der durch farbliche Akzente auf sein Antriebskonzept hinweist, kleine Knuffe und Stöße besser als der Benziner. Rund 500 Mehrgewicht, die natürlich überwiegend der 50 kWh große Akku verursacht, zeigen hier positive Folgen, dämpfen dafür aber die Kurvenfreude ein wenig.
Laden mit bis zu 100 kW
350 Kilometern Reichweite nach WLTP gehen in Ordnung, zumal der e-C4 das Schnelladen mit 100 kW beherrscht. 30 Minuten sollen so für eine 80 Prozent-Ladung reichen, dreiphasig an der heimischen Wallbox sollen dafür weniger als fünf Stunden genügen.
Mit drei Fahrmodi und dem rechten Fuß lässt sich außerdem so einiges bewirken: 100 kW gibt es im Sport-, 80 kW im Normal- und 60 – für den Stadtverkehr absolut ausreichende Kilowatt im Eco-Modus. Die Unterschiede sind beim Beschleunigen klar spürbar, was Spielkinder oft zum Kippschalter greifen lässt: Zum Überholen flink in den Sport-Modus und mit Schwung am Sattelschlepper vorbei, dann beim Rollen zurück auf Eco – und schon signalisiert die Reichweitenanzeige erhöhte Reserven. Die lassen sich durch cleveres Rollen und Rekuperieren weiter beeinflussen, wobei es dafür nur zwei per Tastendruck wählbare Stufen gibt. Paddel am Lenkrad wären klar die bessere Lösung.
Wie die Verbrenner ist auch der Stromer gut bestückt mit Assistenz, serienmäßig etwa mit Spurhalte-, Notbrems- und Aufmerksamkeitshelfern. In der finalen Ausbaustufe zählt Citroën bis zu 20 und meint damit auch das Talent, auf der Autobahn autonom Abstand und Fahrspur zu halten, sofern der Fahrer die Hände am Lenkrad hält.
Fazit
So zukünftig wie vor 50 Jahren der GS wirkt der C4 heute natürlich nicht. Aber er tut der Kompaktklasse mit ihren vielen Spielarten im weiten Feld der Crossover und SUV gut. Nicht nur wegen seines Designs und seines schön gemachten Innenraums, sondern weil er eine eigene Idee vom Fahren vermittelt. Das gilt auch für den e-C4, der dank Förderung nur wenig mehr kostet als der Handschalter-Otto.