Ärgern Sie sich auch über das permanente Größenwachstum bei Autos? Darüber, dass ein 3er heute so groß ist wie ein 5er vor zehn Jahren? Oder darüber, dass ein M3/4 ja genau genommen kein Sportwagen mehr ist, sondern ein 3er mit dickem Motor? Dann sind Sie bei der Firma Donkervoort in Lelystad am Ijsselmeer vielleicht an der richtigen Adresse. Seit 1978 produziert Joop Donkervoort den Traum vom Fahren, aber ohne die Kompromisse der Großserie. Bis vor gut zehn Jahren fielen seine Fahrzeuge noch ganz eindeutig in die Kategorie Super Seven: zweisitzige, offene Sportwagen, die an Einbäume mit frei stehenden Rädern erinnerten. Spartanisch ausgestattet, dafür aber auch extrem leicht und agil. Und genauso hatte der legendäre Formel-1-Designer Colin Chapman Ende der 50er Jahre die Ikone Super Seven einst für die Marke Lotus konzipiert.
Nur die Grundidee ist geblieben
Wer heutzutage den 70-jährigen Joop Donkervoort – richtig, der Zusatz JD70 flicht dem Gründer der Marke zum Geburtstag ein kleines Kränzchen – mit dem Begriff Super Seven daherkommt, erntet einen zornigen Gesichtsausdruck. "Das Super-Seven-Konzept haben wir schon lange hinter uns gelassen, wir bauen heute Supersportwagen!" Übrig geblieben sind vom Ursprungskonzept bestenfalls noch die Silhouette und einige Konstruktionsprinzipien: der D8 GTO-JD70 ist ein hüfthohes Fahrprojektil, dass nach wie vor auf einem grazilen Gitterrohrrahmen aufbaut, alle Teile des Bodykits sind aus Carbon oder Aluminium gefertigt. Zusammen mit der kleinen Grundfläche entsteht so ein Auto, dass die Super-Seven-Grundidee beim Gewicht in die Neuzeit übersetzt: je nach Ausstattung wiegt der von Fans liebevoll "Donky" genannte Zweisitzer zwischen 680 und 715 Kilo – alle Supersportwagen wiegen heute schon mal mindestens doppelt so viel.
Beim Leistungsgewicht spielt der D8 GTO-JD70 somit in der höchsten Spielklasse: mit 1,6 Kilo hat jedes PS im "Donky" ein leichtes Spiel – ein Ferrari LaFerrari steht mit 963 PS bei 1.430 Kilo kaum besser da. Der Treibsatz unter der langen Fronthaube stammt von Audi: der Reihenfünfzylinder mit 2,5 Liter Hubraum ist mechanisch identisch mit dem Triebwerk aus dem Audi TT RS. Das 415 PS starke Herz des "Donky" ist also lupenreine Großserientechnik, was aber Zuverlässigkeit und Standfestigkeit garantiert. Donkervoort vermählt das Punch-starke Turbotriebwerk mit einem Tremec-Fünfganggetriebe mit Handschaltung. Ein Doppelkupplungsgetriebe ist selbstverständlich nicht erhältlich: "Viel zu schwer für unser Fahrzeugkonzept", so Denis Donkervoort, der Sohn des Firmengründers.
Das neue Modell löst den Vorgänger D8 GTO-40 ab, und wurde nötig, weil im Abgasstrang aus Zulassungsgründen ein Partikelfilter (OPF) untergebracht werden musste. "Damit erfüllen wir in Europa die gültigen Abgas- und Zulassungsnormen, auch in Deutschland", sagt Denis Donkervoort. Der GTO-JD70 verfügt jetzt über eine Sidepipe-Auspuffanlage auf der rechten Fahrerseite. Der Wegfall der klassischen Auspuffendrohre im Heck erlaubte die Ergänzung eines großzügig gestalteten Heckdiffusors, dazu wurde der Kühlereinlass neu designt. Die neuen Radabdeckungen vorne verfügen außerdem über sogenannte Turning Vanes, die den Auftrieb an der Vorderachse wirkungsvoll reduzieren.
Fahrerlebnis ohne Filter
In der Theorie ist beim JD70 also alles angerichtet, um wesentlich leistungsstärkeren Supersportwagen Paroli bieten zu können. Löst der neue "Donky" sein Versprechen auch in der Praxis ein? Unbedingt! Bei der Längsdynamik profitiert der offene Zweisitzer von seinem niedrigen Leistungsgewicht: Beim stehenden Start kommt man sich vor, als würde man von einem Katapult abgeschossen. Die 245 Millimeter breiten Semislicks von Nankang sowie die sauber austarierte Abstimmung der Hinterachse sind mit der 415-PS-Beissattacke des Audi-Triebwerks nicht überfordert. Der Fahrer braucht freilich stramme Wadeln, denn die Kupplung ist wie bei einem Rennwagen eher schwergängig, und auch die Schaltarbeit am nur wenige Zentimeter hohen Schaltknauf erfordert Konzentration, Kraft und ein wenig Übung. Schon nach wenigen Kilometern weicht dem Fahrer das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, weil der Donkervoort ein einmalig ursprüngliches und ungefiltertes Fahrerlebnis versprüht.
Die Freude hat auch bei Kurvenfahrt kein Ende: dank des enormen mechanischen Grips ist man tendenziell fast immer zu langsam. Donkervoort rühmt sich mit Querkräften im Bereich von 2g, was im niederländischen Straßenverkehr selbstverständlich nicht nachprüfbar ist. Glaubhaft ist es aber dennoch, auch wenn sich Interessenten darauf gefasst machen müssen, viel zu üben. Weil Gewicht beim "Donky" alles ist, fehlt eine Servolenkung, dazu ist der Lenkeinschlag ebenso wie der mögliche Gegenlenkeinschlag konstruktionsbedingt begrenzt.
Könner gefragt, Rennstrecke erwünscht
Will sagen: der GTO-JD70 ist kein Driftauto, sondern eine Präzisionswaffe für Könner. Das wahre Performance-Potenzial liegt so außerordentlich hoch, dass es sich nur auf der Rennstrecke ausloten lässt. Die hohen Lenkkräfte und das Fehlen moderner Assistenzsysteme wie ESP oder ABS macht das Fahren am Limit zum Ritt auf der Rasierklinge. Immerhin ist aber eine sechsstufige Traktionskontrolle an Bord, dazu können Kunden ein Renn-ABS bestellen. Auch eine Rennservolenkung befindet sich in der gedanklichen Vorbereitung, was irgendwie Sinn macht: ein leichtes Auto und eine schwergängige Lenkung stehen gewissermaßen im natürlich Widerspruch. Allerdings lautet das Gegenargument: Gewicht!
Viele Donkervoort-Kunden fahren auf der Rennstrecke, aber ebenso viele nutzen den flachen Zweisitzer als Zweit- oder Drittauto im Sommer. Und auch im schnöden Alltagsverkehr liefert der "Donky" als radikale Fahrspaßmaschine ab: die tiefe Sitzposition macht jedem Novizen deutlich, dass alle anderen Straßenfahrzeuge mittlerweile zu Tankern mutiert sind. Dabei braucht es zum Schnellfahren ebenso wie zum Cruisen eigentlich wenig mehr als einen Motor mit vier Rädern – genau das ist der Donkervoort in letzter Konsequenz. Und dem Turbotriebwerk von Audi ist auch nichts vorzuwerfen, außer, dass er nicht (mehr) klingt. Der Grund? Richtig, der Partikelfilter hat ihm seine biestige, raue Note geraubt, er knurrt nur noch verhalten und bläst dezent ab, wenn der Fahrer den Fuß vom Gas nimmt. Die Donkervoort-Macher sind sich des Problems durchaus bewusst, aber machen können sie wenig: die Geräusch- und Emissionsvorschriften sind halt leider so, wie sie heute sind.
Perfektion hat ihren Preis
Ein Thema muss unbedingt noch angesprochen werden: Fahrzeuge in Super Seven-Manier sind tendenziell eher etwas liederlich verarbeitet, denn ursprünglich wurden sie mal als günstige Kit Cars entwickelt, die der Endkunde in Eigenregie selber aufbauen kann. Der Donkervoort GTO-JD70 ist dagegen absolut makellos verarbeitet. Die Türen wiegen beispielsweise gerade mal 5 Kilo, schließen aber so satt wie in einer S-Klasse von Mercedes. Dieser maximal hohe Anspruch an Qualität und Perfektion zieht sich durch das gesamte Auto und durch jedes noch so kleine Detail. Das hat leider auch seinen Preis: der Donkervoort GTO-JD70 kostet mindestens 198.000 Euro. Donkervoort hat das Super-Seven-Segment also nicht nur bei der Fahrdynamik und der Qualität verlassen, sondern auch beim Preis. Die Kundschaft hält das übrigens nicht ab: die Wartezeit für einen neuen "Donky" beträgt gut anderthalb Jahre, trotz Corona und Wirtschaftskrise. Alles Super also, aber nichts mehr Seven…