Junge, was können die Koreaner beschleunigen. Nicht nur auf 100, sondern auch auf beeindruckend. So, wie sich bei uns in 30 Jahren von Lantra, Pony und Co zu Ioniq und Co pushten. Optisch und technisch. Kochte der elektrische Ioniq 5 in Vergleichstest eben noch das deutsche Establishment ab, flutscht ab Frühjahr 2023 mit dem Ioniq 6 der nächste Stromer durch den Wind. Im Gegensatz zum eher kubischen Ioniq 5 setzt der Ioniq 6 auf konsequente Tropfenform, was ihm den sehr günstigen cw-Wert von 0,21 einbringt. Es beginnt an der Front mit gesteuerten Luftklappen, setzt sich über Air Curtains und Radhausverkleidungen sowie einen glatten Unterboden fort und endet am Heck mit Diffusor und einem auffälligen Spoiler, der zudem mit 240 LED Pixeln leuchtet.
Wo etwa Mercedes bei seinem Windschlupf-Wunder EQXX auf eine Art Abrissheck setzt, lassen die Koreaner die Karosserie des 4,86 Meter langen Stromers sanft auslaufen. Weniger sanft tritt die Technik auf, gibt der Konkurrenz zu knapsen – grundsätzlich mit 800 Volt-Technik sowie je nach Version mit bis zu 77 kW Akkukapazität, maximal zwei Motoren mit bis zu 325 PS und 605 Newtonmetern oder einer maximalen Reichweite von 614 Kilometern (2 WD mit 18 Zöllern). Nicht zu vergessen: der konsequent durchdesignte Innenraum, die fortgeschrittene Digitalisierung und insgesamt 700 Lichtpixel als Wiedererkennungsthema innen und außen.
Kameras bringen Reichweite – na ja, ein wenig
Als Basis nutzt der Neue die bekannte elektrische Konzernplattform (Electric Global Modular Plattform E-GMP), die ihn mit Ioniq 5 und Kia EV6 eint. Erkennbar unter anderem am flachen Wagenboden ohne störenden Tunnel, über dem vorn ein eigenständiges Cockpit wartet, geprägt von zwei 12-Zoll-Bildschirmen – einer davon berührungssensitiv. Wer statt konventioneller Außenspiegel die Kameraversion ordert, erhält neben circa 3 Kilometern mehr Reichweite pro Akkuladung zudem zwei Bildschirme an Rändern des geschwungenen Armaturenträgers mit dem Schubladen-Handschuhfach.
Pixel als Markenbotschafter
Vier der 700 Pixel platziert Hyundai auf dem Lenkradtopf, wo sie unter anderem über den Ladezustand informieren und für Markenidentität sorgen, denn das Logo dort ist passé. Die übrigen Displays bieten wie gewohnt akkurate Grafiken und Menüdarstellungen. Die Bedienung läuft zwar nicht mehr so intuitiv wie früher, erfordert eine etwas höhere Bereitschaft zum Einstieg in die Menüs, funktioniert nach Eingewöhnung jedoch grundsätzlich problemlos. Einzig die Entfernung zum Touchscreen könnte etwas kürzer und damit griffgünstiger sein, vor allem bei der Fahrt über unebene Straßen. An den knubbeligen Fahrwählhebel gewöhnt man sich nach kurzer Zeit ebenso wie an den Umzug der Fensterhebertasten von der Türverkleidung in die Mittelkonsole. Der Grund: die Türtafeln sollen cleaner und flächiger wirken, die dortigen Lichtinszenierungen ungestörter bleiben.
Digital, nachhaltig, relaxend
Neben den aus transparentem Kunststoff gefertigten Türtaschen bietet die brückenartige Mittelkonsole weiteren Stauraum. Und diverse Oberflächen eine besondere Umweltfreundlichkeit: Naturgegerbtes Leder auf den Sitzen hier, Bezüge aus recycelten PET-Flaschen dort, plus Lackierungen mit pflanzlichen Ölen, Pigmenten aus recycelten Autoreifen oder Teppiche aus wiederverwerteten Fischernetzen. Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind der neue Luxus. Und ein modernes Narrativ für den Hyundai im Ioniq 6-Werbeclip drei ganz normale Menschen auftreten lässt, die mit dem Metaverse arbeiten. Als Designerin für aus Müll recycelter Mode, die ihre Modenschau im Metaverse von der entsprechenden Metaverse-Bookerin managen lässt, während ein hipper Kerl mit grünen Haaren die passende digitale Innenarchitektur kreiert. Natürlich immer mithilfe des Ioniq 6, der mit schneller Vernetzung, großem Bildschirm, viel Platz, Relax-Sitz und bidirektionalem Laden überzeugt. Und nebenbei auch noch Strecke macht. Was ja stimmt, oder?
Zackige Beschleunigung
Womit wir wieder direkt zu unserem Narrativ (der Technik) und den Möglichkeiten des Ioniq 6-Topmodells kommen: der kurzfristig schwindelerregenden Beschleunigung aus dem Stand in 5,1 Sekunden auf 100 sowie 185 km/h abgeregelte Höchstgeschwindigkeit. Die sich dank des Potenzials der E-GMP problemlos auskosten lassen. Obwohl noch nicht auf dem letzten (europäischem) Stand, fährt der Ioniq 6 bereits in der übrigen Welt-Abstimmung dank seiner steifen Karosserie, dem langen Radstand von 2,95 Metern plus des tiefen Schwerpunkts problemlos und sicher. Die Lenkung wird für uns bis zum Start Anfang 2023 per spezieller Software nachgeschärft und auch das Fahrwerk mit seinen konventionellen Dämpfern bekommt ein neues Setup. Die dazugehörigen Testfahrten unter anderem auf dem Nürburgring laufen.
Straffes Abrollen, geschmeidiges Laden
Im Moment lässt einen der Ioniq 6 noch die Unebenheiten des teils ruppigen koreanischen Straßenbaus mit ihren rauen Oberflächen, Querfugen und Speedbumps spüren, die großen 20 Zöller kopieren das meiste davon akribisch bis in den etwas hoch montieren Fahrersitz. Mit den ebenfalls erhältlichen 18 Zöller dürften die Sache geschmeidiger laufen. Grundsätzlich geschmeidig läuft es beim Laden, hier saugt sich der Akku an der 350 kW-Säule in 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent, 800 Volt-Technik sei Dank. Wer besonders weit kommen will, kombiniert den großen Akku mit dem 229 PS starken buchstäblichen Heckantrieb, Power-Fans greifen zum 4WD mit zwei Motoren und 325 PS, Sparsame zum 53 kWh-Akku und 151 PS-Motor, bei denen die Reichweite 429 Kilometer beträgt.
Fazit
Der Ioniq 6 kommt Anfang 2023 als stromlinienförmige, reichweitenstärkere Alternative zum Ioniq 5. Da die Preise der beiden ähnlich ausfallen dürften, bleibt die Wahl dank der praktisch identischen Technik reine Geschmackssache.