Jeep hat einen neuen Pickup! Nach der ersten Messepräsentation Ende 2018 gab es nun für uns die exklusive Gelegenheit, mit dem neuen Gladiator auszureiten. 27 Jahre ist es her, dass mit dem Commanche auf Basis des damaligen Jeep Cherokee die Pickup-Ära bei Jeep vorerst auf Eis gelegt wurde. Die Midsize-Pickups lagen in den USA nicht mehr im Trend, gekauft wurden vor allem Großgeräte vom Schlage eines Dodge Ram. Doch die Zeiten haben sich gewandelt, auch im Ursprungsland der Pritschenwagen sind die mittelgroßen Pickup mit bis zu einer Tonne Zuladung wieder gefragt, zahlreiche neue Modelle künden davon.
Entsprechend sieht auch Jeep die Zeit gekommen, wieder in das Segment einzusteigen und wählte den Wrangler als Basis für das neue Projekt "Gladiator". Das ist nur folgerichtig, denn der Wrangler ist das letzte verbliebene Fahrzeug im Jeep-Programm, das noch mit einem robusten Leiterrahmen vorfährt, Grundbedingung für einen stabilen Offroad-Pickup.
Wer meint, der Gladiator sei nur ein Wrangler mit offener Ladefläche, irrt sich. Tatsächlich wurde der Wagen im Vergleich zum viertürigen Wrangler Unlimited um fast 80 Zentimeter gestreckt. Das fällt auf, wenn man daneben steht, der Gladiator ist ein echt langes Fuhrwerk, misst 5,54 Meter vom einen Ende bis zum anderen. Auch der Radstand wuchs im Vergleich zum Wrangler Unlimited entsprechend um 49 Zentimeter auf 3,48 Meter. Der Wendekreis des Pickups beträgt 13,7 Meter.
Jeep Wrangler als Gladiator-Pickup
Der Jeep Wrangler Gladiator entspricht bis zur B-Säule der neuen Wrangler-JL-Baureihe und wird auch wie dieser in verschiedenen Ausstattungsversionen von der Basis "Sport" bis zum extrem geländegängigen "Rubicon" angeboten. Auch die Dach-Variationen (Stoffdach oder Hardtop) lassen sich wie beim Wrangler wählen. Die Windschutzscheibe kann umgelegt, die Aluminiumtüren leicht abgebaut werden – hierfür liefert Jeep jedem Neuwagen sogar das nötige Werkzeug mit Torx-Einsätzen mit.
Wie bei Pickups üblich ist die Ladefläche ein separates, auf dem verlängerten Rahmen montiertes Karosserieteil. Durch den verlängerten Rahmen kommt sie auf die klassenüblichen 1,5 Meter Innen-Länge. Das Ersatzrad bekommt der Gladiator klassentypisch unter der Ladefläche aufgehängt. Und noch ein Satz zu den Gewichtsklassen: Die Zuladung wird mit 725 Kilo und die maximale Anhängelast mit 3,5 Tonnen angegeben, letzteres ist im Pickup-Lager keine Selbstverständlichkeit.
Der Jeep Gladiator ist ein "echter Truck"
Jeep stellt beim neuen Gladiator heraus, dass es sich um einen "real truck", einen echten Lkw handelt. Das will man vor allem im Kontext mit der Robustheit, der Zuladung und der Anhängelast verstanden wissen und damit betonen, dass der Gladiator nicht nur ein modisches Spielzeug, sondern ein echtes Arbeitspferd ist. Um das sicherzustellen, wurde an erstaunlich vielen Stellen neu entwickelt und konstruiert, statt einfach nur einen normalen Wrangler-Rahmen in die Länge zu ziehen. Stattdessen wurde der Unterbau erheblich verstärkt. Auch beim Fahrwerk gibt es Neues, die Aufhängung der hinteren Starrachse übernehmen Komponenten aus dem Fullsize-Pickup Ram. Zusätzlich wurde außerdem noch ein leistungsfähigeres Kühlsystem verbaut, das auch bei extremer Beladung nicht in die Knie geht.
Viel Neues dafür, dass der Gladiator eigentlich (bis auf die Länge) aussieht, als würde man ihn schon lange kennen. Das gilt nicht nur für die Front, sondern auch für das Interieur – hier wurde 1:1 das Wrangler-Cockpit übernommen. In der zweiten Reihe gibt es dagegen Neuland. Die Rücksitze können sowohl mit der Lehne nach vorne geklappt werden (bringt eine größere ebene Verstaumöglichkeit) als auch mit den Sitzfläche nach oben. Unter den Sitzkissen befinden sich abschließbare Staufächer, um wertvolles Equipment nicht offen auf der Ladefläche befördern zu müssen.
Bei unserem Testwagen handelte es sich um den Gladiator in der Rubicon-Ausstattung für die USA, das bedeutet neben den 33 Zoll großen Geländereifen auch ein verbessertes Fahrwerk mit hochwertigen Fox-Dämpfern. In Deutschland wird man das wahrscheinlich nur gegen Aufpreis bekommen. Überhaupt nicht für den alten Kontinent vorgesehen ist der Motor in unserem Testwagen, ein 288 PS und maximal 352 Nm starker 3,6-Liter-V6-Benziner, kombiniert mit einem achtstufigen Automatikgetriebe. Über diesen Motor lässt sich weder besonders gut noch besonders schlecht sprechen, er macht halt seinen Job: Nicht besonders druckvoll, stattdessen wird eifrig in der Automatik hin- und hergeschaltet. Auch nicht besonders sparsam, runde 16 Liter Durchschnittsverbrauch meldete der Bordcomputer nach dem Fahrtag mit reichlich Gelände-Einlagen. Immerhin leise und laufruhig ist er.
Als Gladiator Rubicon im Gelände richtig groß
Was hingegen wirklich großes Kino ist: Die Fahrwerksabstimmung, wohlgemerkt unter den Maßstäben eines Midsize-Pickup beurteilt. Natürlich ist der Gladiator mit seinen beiden Starrachsen kein feinfühlig reagierender Sportwagen, sondern ein Heavy-Duty-Gerät. Doch dafür ist der Federungskomfort wirklich beachtlich und wird von den üblichen Wettbewerbern in diesem Segment mit blattgefederter Hinterachse so nicht erreicht. Bei der Lenkung hingegen fühlt man sich auf der Straße ein bisschen wie an der Pinne eines Außenborders – Richtung vorgeben und warten. Hier darf die Abstimmung der Europa-Modelle gerne noch etwas feinjustiert und nachgeschärft werden. Dafür ist der Geradeauslauf dem des immer ein klein bisschen nervös herumstreunernden Wrangler klar überlegen.
Im Gelände gelten natürlich andere Regeln, und im Gegensatz zu den allermeisten modernen SUV hat der Gladiator abseits der Straße wirklich etwas zu suchen. Erst recht, wenn es sich um die Rubicon-Variante handelt. Analog zum normalen Wrangler Rubicon ist auch im Gladiator das volle Gelände-Paket verbaut: Verstärkte Achsen mit Sperren vorne und hinten, per Knopfdruck entkoppelbarer Achs-Stabilisator für mehr Verschränkung, ultrakurze Geländeübersetzung mit dem Faktor 4:1
Das das alles nicht nur auf dem Papier gut aussieht, konnten wir bei einem ausgedehnten Geländetest in der Canyon-Landschaft rund um Moab/Utah erfahren. Unter Offroadfans ist diese Gegend Legende, aus gutem Grund. Beinharte Verschränkungspassagen, heftigste Steigungen und Gefälle sowie richtig rüde Verbindungspisten zeichnen die unendlich erscheinende Landschaft aus, hierher verirrt man sich besser nicht mit einem SUV. Unterwegs mit dem Gladiator fällt jedoch auf, wie wenig auffällt: Tatsächlich fühlt sich der 5,5 Meter lange Pickup im schwersten Gelände eigentlich nicht anders an als ein Wrangler Unlimited, sieht man einmal vom größeren Wendekreis ab.
Fühlt sich kaum anders an als ein Wrangler
Einschränkungen gibt es natürlich – der lange Radstand bedingt einen eher mäßigen Rampenwinkel, spitze Kuppen überfährt man besser schräg. Und der ewig lange Hecküberhang macht bei steilen Passagen gerne mal Bekanntschaft mit dem Boden der Tatsachen. Das alles ist jedoch – zumindest beim US-Gladiator Rubicon – keinerlei Problem, denn neben dem vollflächigen Unterfahrschutz sind stabile Schwellerschutzrohre und weitere Schutzrohre an den hinteren Fahrzeugecken montiert, da gibt so schnell nichts nach. In Verbindung mit der Rubicon-Ausstattung gibt im schweren Gelände in aller Regel eher der Fahrer als das Fahrzeug auf, der Gladiator dürfte der geländetauglichste Pickup weltweit sein.
Der für kommendes Jahr angekündigte V6-Diesel aus dem Jeep Grand Cherokee wird es nach vorläufigem Stand der Dinge wie auch der V6 Benziner nicht zu uns schaffen. Nach Europa kommt der Jeep Gladiator (europäische Publikums-Premiere auf dem Camp Jeep in Norditalien, Mitte Juli 2019) im Sommer 2020 mit den modernen Vierzylindermotoren: Ein 2,2-Liter Turbodiesel mit 200 PS und ein Zweiliter-Benziner neue Konzern-Benziner mit zwei Liter Hubraum und 270 PS. Beide Maschinen kosten im aktuellen Jeep Wrangler gleich viel.
Bliebe entsprechend noch die Frage nach dem Preis. Der für Deutschland steht noch nicht fest, allerdings etwas anderes: Günstig wird es nicht. In den USA liegt der Aufpreis für den Gladiator gegenüber dem Wrangler Unlimited in vergleichbarer Ausstattung bei exakt 2.100 Dollar (vor Steuern). Umjustiert auf die (erst jüngst wieder angehobenen) deutschen Preise bedeutet das: Einen Jeep Gladiator Rubicon wird es nicht unter 60.000 Euro geben, für das Basismodell sollte man sich rund 53.000 Euro bereitlegen.
Fazit
Der Jeep Gladiator überzeugt mit (für einen Pickup) hohem Federungskomfort und herausragenden Geländeeigenschaften. Auf der Straße fällt der gute Geradeauslauf und die verbesserungsfähige Lenkpräzision auf. Wirklich günstig wird er in Deutschland jedoch nicht werden.