Verdammte Axt! Ungestüm hämmert das V10-Aggregat in den Drehzahlbegrenzer, wütet bei 8.500/min. Schon wieder den richtigen Zeitpunkt verpennt? Das gibt's doch gar nicht. Der Zeigefinger zupfte doch bei 8.300/min am rechten, metallisch kühlen Schaltpaddel, gab also eigentlich rechtzeitig den Befehl an das Doppelkupplungsgetriebe, den dritten seiner sieben Gänge durchzuladen.
Lamborghini Huracán mit 5,2-Liter-V10
Okay, dann also das nächste Mal eben noch früher. Allmählich kommen die Reifen des Lamborghini Huracán im Fahrbericht auf Temperatur, was angesichts der Masse an Gummi (245/30 vorne und 305/30 hinten) auch nicht mal eben auf die Schnelle klappt. Damit wandelt sich zudem das Fahrverhalten, wechselt von Entkoffeiniert auf Espresso. Jenes Untersteuern, das der Vorgänger Gallardo erst in den scharfgemachten Varianten Superleggera und Squadra Corse ablegte, verkrümelt sich allmählich.
Stattdessen lässt sich der Lamborghini Huracán im Fahrbericht mit gezielten Lastwechseln vor den teils engen Ecken der spanischen Privatrennstrecke Ascari optimal platzieren, sofort vollstreckt der 5,2-Liter-Saugmotor den Gasbefehl, der Allradantrieb schleudert das Drehmoment zwischen den Achsen hin und her. Statt einer Viscokupplung übernimmt nun eine elektronisch geregelte Lamellenkupplung den harten Job, schickt üblicherweise 30 Prozent an die Vorderachse, maximal 50.
Die Hinterachse des Lamborghini Huracán bekommt im Extremfall 100 Prozent der 560 Nm und 610 PS ab, doch das passiert wirklich nur selten, denn meistens schiebt der Huracán nicht nur, er zieht auch immer ein bisschen. Hups, aufpassen, schon wieder feuert das mit einer kombinierten Direkt- und Saugrohreinspritzung ausgerüstete Triebwerk über die 7.000er-Marke, grölt, schreit, brüllt, dass die Bauruinen im nahen Ronda bröckeln. Klick – diesmal stimmt der Zeitpunkt, das Getriebe lädt nach.
201.705 Euro kostet der Lamborghini Huracán mindestens
Die Arbeitsbedingungen im Cockpit des Lamborghini Huracán könnten kaum besser sein, denn der Verstellbereich von Sitzen und Lenkrad ist großzügig bemessen, und das 12,3 Zoll große TFT-Display liefert gestochen scharfe Informationen, die sich je nach Wunsch prominent oder nebensächlich darstellen lassen. Monitor in der Mittelkonsole? Fehlanzeige, alles inklusive Navigationskarte steckt im Zentraldisplay – abgesehen von drei Zusatzinstrumenten. Nur das mit der Drehzahl müssen wir noch klären.
Und das Platzangebot im Lamborghini Huracán? Nach der enttäuschenden ersten Sitzprobe im Fotostudio war diesbezüglich die Erwartung gering – und die Freude ist nun umso größer, da die im Testwagen montierten Schalensitze die entscheidenden Zentimeter Luft nach oben bringen. Klar, im Grundpreis von 201.705 Euro sind sie nicht enthalten, wo kämen wir denn da hin, doch sie bieten besten Komfort und Seitenhalt, ohne die Herausforderung des Einstiegs in den 1,17 Meter flachen Lamborghini Huracán weiter zu verkomplizieren.
Also weiter, die Grandiosität des Saugmotors auskosten, jene sabbernde Gier nach Drehzahl, jene Besessenheit nach Gasstößen, die selbst den besten aller Turbomotoren (noch) abgeht. In 3,2 Sekunden soll aus dem Stand Tempo 100 niedergerungen sein, mit freundlicher Unterstützung der Launch Control und des Leistungsgewichts von 2,33 kg/PS. Wenn der Huracán allerdings einmal auf der sport auto-Waage steht, dürfte er bestenfalls nicht mehr wiegen als der Gallardo, trotz der neuen Rohkarosserie in Alu-Carbon- Mischbauweise. Ihr Mindergewicht von zehn Prozent gegenüber der Konstruktion des Vorgängers brauchen das Doppelkupplungsgetriebe sowie üppiges Dämmmaterial auf, sollte doch der Neue etwas komfortabler werden.
Lamborghini Huracán mit aufpreispflichtiger LDS-Lenkung
Fürs Protokoll: Dank der optionalen, adaptiven Dämpfer ist der Lamborghini Huracán das tatsächlich auch. Jetzt allerdings arbeiten Antrieb, Dämpfer und Lenkung im Corsa-Modus, der Lamborghini schießt ohne spürbares Rollen um den Kurs, wirkt steif, präzise, verlässlich. Einzig die aufpreispflichtige LDS-Lenkung will nicht so recht zum besten Kumpel werden, arbeitet sie doch mit einer variablen Übersetzung (9 : 1 bis 17 : 1), was auf Kosten der allerletzten Prozentpunkte Präzision geht. Immerhin, im Corsa-Modus wirkt sie nicht so furchtbar lasch wie im Strada, die Haltekräfte sind okay – dennoch ein verzichtbares Extra.
Auf die Hilfe des ESP lässt sich ebenfalls verzichten, doch die freizügigste Stufe des mit drei statt einem Gierratensensor ausgerüsteten Systems lässt die Zügel so locker, dass ein Eingreifen der Elektronik nicht plump die Bestzeit verhagelt, sondern vor einem Ausflug in die Notaufnahme bewahrt. Klick, vierter Gang, die Querbeschleunigung in der langen, hängenden Linkskurve kurz vor Start-Ziel malträtiert den Magen. Wenig später trödelt der Lamborghini Huracán im Fahrbericht in die Boxengasse. Kamen die Schaltbefehle wirklich zu spät? Nein, trotz eines Chips mit einer Übertragungsrate von 60 Frames pro Sekunde kommt die Nadel des virtuellen Drehzahlmessers beim vollen Auswringen des V10 nicht ganz hinterher. „Du musst bei rund 8.200/min schalten, dann passt's“, raunt ein Lambo-Testpilot herüber. Na wenn das so ist – die Ampel in der Boxengasse leuchtet noch grün. Bis später dann.
Lamborghini Huracán LP 610-4 Coupé | |
Grundpreis | 201.824 € |
Außenmaße | 4459 x 1924 x 1165 mm |
Kofferraumvolumen | 100 l |
Hubraum / Motor | 5204 cm³ / 10-Zylinder |
Leistung | 449 kW / 610 PS bei 8250 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 325 km/h |
Verbrauch | 12,5 l/100 km |