Murciélago war schon gut. So gut, dass ihn Torero Rafael Molino an einem Herbsttag 1879 auf Druck des Publikums nach großartigem Kampf begnadigte. Ferruccio Lamborghini liebte Murciélago. Alle Fronthauben seiner Sportwagenkreationen zierte das Wappen mit dem Abbild dieses Stiers. Seit 2001 trägt auch ein Sportwagen den Namens des legendären Bullen, der nach 24 Schwertstichen noch auf den Beinen stand.
Murciélago ist nicht extrem genug
Doch weder Name noch Aussehen waren der Lamborghini-Führung extrem genug - so wurde die Variante Reventón geboren. Auch die hätte dem Firmengründer sicher gefallen. Reventón war nicht gut, Reventón war ein Killer, der den jungen Stierkämpfer Felix Guzmán 1943 an einem Maitag in Mexiko City tödlich verletzte.
Reventon strahlt Bösartigkeit aus
Der glatten Lamborghini Murciélago-Karosse sind scharfe Kanten gewachsen, die durch die mattgraue Farbe noch besser zur Geltung kommen. Die Schnauze wie die eines gierigen Hais, die Felgen wie rotierende Klingen, die alles zu Kleinholz schnipseln, was ihm zu nah kommt, die Gesamt-Erscheinung die eines Tarnkappenbombers. Nie hat ein Auto so viel Bösartigkeit ausgestrahlt wie diese Abwandlung des Murciélago.
Der 6,5-Liter-V12 im Reventón leistet 650 PS
Die Analogie zum Kampfflugzeug ist gewollt. Niemand würde sich wundern, wenn durch die Luftauslässe am Heck die Flammen eines zweistrahligen Düsentriebwerks schlügen. Braucht der 6,5-Liter-V12 mehr Atemluft, stellen sich zwei Klappen an den Flanken hinter dem Cockpit auf. Innen lassen sich die Instrumente auf Flugzeuganmutung umschalten. Im Drehzahlmesser kreist kein Zeiger mehr, stattdessen erheben sich zwei Balken wie die Schwingen eines Flugsauriers, wenn der Zwölfzylinder seine Stimme erhebt. Gitterrohrrahmen, Kohlefaser-Karosserie, 650 PS, Topspeed 340 Kilometer pro Stunde.
Etwas Wüsteres hat Lamborghini nie gebaut – mag man meinen. Es gab da mal ein Experiment mit einem Lamborghini Countach . Dieser Keil bot in den Siebzigern die Grundlage für das Aussehen aller nachfolgenden Lambos. Er wirkte so flach, dass der Betrachter beim Blick in den Rückspiegel gar nicht auf die Idee kam, die linke Spur zu räumen – sollte das Ungetüm doch einfach unter ihm durchfahren. Einzig den Makel mangelnder Potenz wurde er einfach nicht los. Viel Luft, wenig Pumpe, flüsterte man hinter vorgehaltener Hand, auch wenn er es in der letzten Ausbaustufe auf 490 PS brachte. Vielleicht fehlte es am Animalischen. Countach war der einzige Lamborghini, der nicht nach einem Stier benannt wurde.
Lamborghini Countach Turbo S ist ein Unikat
In den meisten Auflistungen der Countach-Varianten fehlt ein Modell. Exakt zwei Stück davon gab der Firmengründer 1984 in Auftrag. Der Prototyp ist verschollen, doch der zweite lebt. Als Fremder inmitten einer Ferrari-Sammlung fristete er sein Dasein in Dänemark. Mit 9.000 Kilometern auf dem Tacho kaufte ihn der gelernte Stuckateur Dietmar Götz, der ihn hegt und pflegt.
Ein lamboverrückter Akkordeon-Lehrer spürte das Einzelstück auf. Das passt, denn dieser Countach ist ein Blasebalg. Den mächtigen 4,8-Liter-Zwölfzylinder flankieren zwei wuchtige Turbolader. Die Verdichtung mussten die Ingenieure zurücknehmen, geänderte Kolben einbauen, zwei Ladeluftkühler unterbringen und eine Auspuffkühlung installieren, damit die Rakete nicht abfackelt. Bei 0,7 bar beginnt die Ladedruck-Skala. Unter dem Lenkrad sitzt eine Handkurbel, so fett, dass sich damit vermutlich auch Atom-U-Boote anblasen ließen. Wer bis zum Anschlag kurbelt, presst bis zu 1,5 bar in die Brennkammern. Die Synchronisation des Zwölfzylinders mit den sechs Weber-Doppelvergasern und den zwei Ladern muss ein Albtraum gewesen sein.
Mit 333 km/h war er das schnellste Straßenauto der Welt
Das Ergebnis lässt zumindest auf dem Papier den anthrazitfarbenen Reventón zu Mittelgrau erblassen. 748 PS und 876 Newtonmeter liefert das schwarze Geschoss ab. Mit 333 km/h Spitze war er das schnellste Straßenauto der Welt. So gesehen ist es ein bisschen traurige Ironie, dass sich zwei der seltensten Sportwagen aller Zeiten ausgerechnet in der Schweiz treffen.
Wer den Reventón im ersten Gang ausdreht, hat das Autobahn-Tempolimit von 120 km/h schon erreicht. Dann begegnet man sich eben auf abgesperrter Piste. Rennstrecke wäre ein großes Wort, doch neben dem liebevoll restaurierten Komplex eines ehemaligen Tanklagers in Romanshorn, dem „Autobau“, existiert ein Tempel des Tempos – inklusive Einfahrbahn mit Randsteinen und Kiesbetten.
Countach bedeutet so viel wie Donnerwetter, und der Name ist beim Turbo Programm. Lockert der Reventón bei 4.000 Umdrehungen noch die Muskeln, schnaubt der Klassiker schon heftig. Nach kurzem Turboloch hetzen die 345 Millimeter dicken Hinterradwalzen los, und der Countach tritt seinen Lenker selbst bei niedrigem Ladedruck heftig ins Kreuz. Das Gebrüll ist dunkel und heiser. Auch unter Bodybuildern soll es Kettenraucher geben. Der Tacho reicht bis 425 km/h, doch schon nach zwei Sekunden im zweiten Gang ist der Bremspunkt erreicht. Jetzt heißt es, den Stier bei den Hörnern zu packen. Die Abblasventile fauchen. Die Bremse spricht eher zäh an und fordert selbstbewusstes Zutreten, die Lenkung kennt keine Servo-Unterstützung – ein Auto für ganze Männer eben.
Danach in den Reventón zu steigen, ist eine Zeitreise. Geräumige Schalensitze, graues Wildleder, Wippenschaltung. Nach dem Ritt auf dem wilden Turbo-Tier wirkt das alles fast enttäuschend zivilisiert. Anstatt den Druckpunkt einer strammen Sintermetallkupplung zu ertasten, hat der linke Fuß beim Anfahren Pause. Den Rest macht das halbautomatische Sechsganggetriebe. Lenkung, Bremse – alles leichtgängig und fein dosierbar.
Kaufpreis: eine Million Euro plus Steuern
„Andere Hersteller bauen einen Prototypen, Lamborghini baut gleich 20 und verkauft sie“, sagt René Hirsch begeistert. Der Schweizer Lamborghini-Händler ist einer der wenigen, die eine solche Rarität ihr Eigen nennen. Er würde sich trennen – für eine Million Euro plus Steuern. Die Stimme des Neuen ist deutlich lauter, der Schub aber schwächer. Allerdings ist das Duell auf dieser kurzen Bahn unfair. Der Reventón braucht mit seinem Saugmotor mehr Drehzahl. Er marschiert erst bei 6.000 Touren richtig los, da muss der Countach-Reiter schon schalten.
Auf dem Papier hat der junge Reventón die Nase hauchdünn vorn. Mit der Beschleunigung von 3,4 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h nimmt er dem Countach Turbo 28 Hundertstelsekunden ab. Doch grau ist alle Theorie. Man müsste sie richtig gegeneinander antreten lassen, aber das verbieten die Etikette. Kampfstiere kämpfen gegen bewaffnete Männer, nicht gegeneinander.
Lamborghini Countach Turbo S | |
Außenmaße | 4140 x 2050 x 1050 mm |
Hubraum / Motor | 4754 cm³ / 12-Zylinder |
Höchstgeschwindigkeit | 333 km/h |