Den Startschuss für die Track 25 genannte Mission setzte der Speedtail, ein Hyper-GT mit drei Sitzen, 1.050 PS und 403 km/h Topspeed. Nummer zwei ist die offene Fassung des 720S, die Drei er hier: das neue Topmodell der Sports Series – der 600LT Spider, der genauso extrem ist, wie er rüberkommt. Er leistet namensgebende 600 PS, was per se schon alles andere als schlampig ist, aber durch die Suffixe nochmal an Dramatik gewinnt.
Praktisch keine Steifigkeitseinbußen
Spider steht bei McLaren synonym für Cabrio, klar, LT wiederum für Longtail, was angesichts des marginalen Längswachstums jetzt nicht ganz so klar erscheint. Ob das Kürzel so glücklich gewählt ist, sei nun aber mal ebenso dahingestellt wie die Sinnhaftigkeit der Verbindung zum einstigen McLaren F1 GTR LT – jenem GT1-Rennwagen aus den Neunzigern, dessen Tail tatsächlich long gewesen ist. Fest steht: LT ist das Äquivalent zu dem, was Porsche RS nennen würde. Sprich: Ninja-Level. Die maximale Stufe fahrdynamischer Radikalisierung. Und in Verbindung mit einer Cabrio-Karosserie ist das schon ziemlich plemplem.
Doch im Gegensatz zu einem 911, den so ein bewegliches Dachteil spürbar aus dem Sportwagenkonzept bringt, steckt die Kohlefaser-Karosseriestruktur des McLaren das durchbrochene Rückgrat praktisch ohne Steifigkeitseinbußen weg. Und auch das Mehrgewicht vermag den Kohl nicht fett zu machen. 50 Kilogramm addieren sich durch Verdeck, -mechanik und -peripherie hinzu. Gleichzeitig sparen die vielen LT-Maßnahmen aber bis zu 100 Kilogramm gegenüber der Ausgangsbasis ein. Zu Ende gerechnet: Der 600LT Spider wiegt trocken mindestens 1.297 Kilogramm, was 1.406 kg inklusive Flüssigkeiten entspricht und bedeutet, dass er als Cabrio immer noch rund 20 Kilo leichter ist als die leichteste Version des 570S Coupé, das selbst leichtester seiner Klasse ist. Denken Sie mal drüber nach!
41.000 Euro Aufpreis zum 570S
Jetzt aber raus aus der Theorie, rüber in die Praxis und rein in die CfK-Sitzschale, die ihrerseits von der CfK-Schale des Monocoques umgeben ist. In der Mitte des Cockpits hängt das Touchscreen-Navi, alles andere ist radikal aufs Wesentliche reduziert. Die Scheibe besteht aus Dünnglas; die Radbolzen aus Titan; Handschuhfach, Türtaschen und Teppiche wurden wegrationalisiert. Konsequenz zum Anfassen. Das Aber: Einige der Diätmaßnahmen kosten horrende Aufpreise, wie auch die LT-Version selbst einen horrenden Aufpreis kostet. 41.000 Euro mehr als der 570S. Hart!
Doch in dieser Liga kostet weniger nicht nur mehr, weniger ist auch mehr. Mag sein, dass es inzwischen allerhand Systeme gibt, die Gewicht kaschieren können, es rausfiltern aus dem Fahrgefühl und sogar instrumentalisieren. Ungeschehen jedoch wird es einzig und allein dadurch, dass es nicht existiert. Das merkst du in jedem Mazda MX-5, in der Alpine. Und erst recht merkst du es hier – zumal der 600LT seine Leichtigkeit mit seiner Auslegung zu betonen weiß: straffere Motorlager, geschmiedete Alu-Doppelquerlenker, steifere Dämpfer, ein vom McLaren Senna inspirierter Bremskraftverstärker und so weiter. Unterm Strich? Abartiges Reaktionsvermögen, penetrante Rückmeldung und ein Motor, der restlos unterfordert scheint.
Inferno aus Drehmoment und Vortrieb
Isoliert betrachtet legt der 3,8-Liter-V8 mit seinen beiden Monoscroll-Ladern etwas pampig los, aufgrund des geringen Gewichts wirkt das Turboloch aber seichter, als es ist. Ab 2500/min läuft die Lutzi und das sprichwörtliche Streichholz fällt wwwwuschhhh in den Benzinkanister. Was folgt, ist ein Inferno aus Drehmoment und Vortrieb, das sich mit den derben Gangwechseln des Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes zu einer Kettenreaktion hochschaukelt. Der V8 dreht tobsüchtig; das rauchig-heisere Gegröle prügelt sich gemeinsam mit dem Fahrtwind durch den Innenraum; die Endrohrkamine spucken Feuer. Das Gemüt ist in Nullkommanix erhitzt, der lange Pedalweg leider jedoch ein recht direkter in den Knast – zumindest habe das der Deputy des hiesigen Sheriff-Departments ausdrücklich betont.
Glücklicherweise hat McLaren vorgesorgt und eine kleine Fahrdynamik-Oase inmitten der Geröllwüste aufgetan – einen Steinwurf östlich des Örtchens Surprise. Wie passend! Die Strecke kennt kein Mensch, ist bretteben, in sich verschlungen, aber mit durchaus zackigen Kurven gewürzt. Gefahren wird offen, was für viele andere Cabrios nichts anderes wäre als ein Nackenschlag. Dem 600LT Spider hingegen ist keinerlei Verweichlichung anzumerken. Kein Schlottern, wenn man über die Curbs rattert, kein Knautschen im Fahrgefühl, auch dann nicht, wenn die Querkraft ordentlich zerrt. Stattdessen: Fokus. Immer. Die kurze Front haftet an der feinporigen Hydraulik-Lenkung, das dreistufig adaptive, aber durchweg unbeugsame Fahrwerk wirkt wie eine Beißzange auf den Kurvenverlauf – wobei ein guter Teil des Potenzials auch hier aufs Konto der Reifen geht.
Perfekte Mitte zwischen Grip und Gleitreibung
McLaren hat sich für die 600LT-Versionen von Pirelli einen spezifischen Trofeo R aufkochen lassen, der zwischen Grip und Gleitreibung die perfekte Mitte zu treffen scheint. Beim Rausbeschleunigen würde man sich gelegentlich zwar etwas mehr Räson im Hintern wünschen, andersrum verhilft einem diese Restlockerheit aber auch zur richtigen Dosis Handlings-Spielraum. Vor allem in langen Bögen lässt sich die Lastwechselwilligkeit des Mittelmotorkonzepts wunderbar ausnutzen. Anbremsen, einlenken, Gas anlegen, bis die Front am Limit kratzt, dann lupfen und schwuppdiwupp schon verlagert sich die Lenkbewegung ins Heck.