„Die größten Fortschritte haben wir beim Packaging und der Karosseriesteifigkeit gemacht“, erklärt Andreas Zygan, Baureihenleiter SUV bei Mercedes. Klingt abstrakt, wirkt sich aber ganz praktisch aus: Die zweite Generation des GLE Coupé hat einen zwei Zentimeter längeren Radstand, das bringt 2,8 Zentimeter mehr Beinraum auf der Rückbank. Weil die Sitzposition hinten etwas mehr in die Mitte gerückt ist, bleibt unter dem flach auslaufenden Dach mehr Kopffreiheit. Die langt auch für 1,90 Meter lange Autotester, allerdings ist die Bank etwas näher am Boden als beim GLE ohne den Coupé-Zusatz.
Mitfahrt auf der Transfagarasan
Wir sitzen jedoch vorn, der Pressesprecher hinten – klassische Vorab-Mitfahrt-Besetzung. Denn noch dürfen wir nur auf den Beifahrersitz eines Vorserienautos sitzen, noch sind nicht alle Fugen so, wie sie in Serie sein sollen. Das macht jedoch nichts, denn auch so machen Karosserie und Innenraum einen sehr soliden Eindruck. Nichts knarzt auf der Transfagarasan. Obwohl Wellen und Schlaglöcher genügend Anlass zum Knarzen gäben. Die Anfang der 1970er von nicht immer ganz Freiwilligen in die südlichen Karpaten gebaute Straße windet sich 90 Kilometer lang von Sibiu in Richtung eines auf 2.000 Meter über dem Meer gelegenen Pass samt Bergsee und Verkaufsbüdchen. Von dort stößt ein unbeleuchteter, 800 Meter langer Tunnel auf die andere Seite durch, wo es wieder runtergeht. Und wie es runtergeht: Kurven aller Radien liegen dort in einer Landschaft herum, die lieblicher wirkt als in den Alpen und bezaubernde Ausblicke bietet. Topgear bezeichnet die Straße als schönste der Welt und an Sommer-Sonntagen kann es vorkommen, dass sich die Einheimischen Ausflügler kilometerlang den Berg hinaufstauen. Wir haben Glück und sind früh dran, können fast ungestört fahren. Kaum jemand nimmt von den GLE Coupés mit Böblinger Kennzeichen Notiz.
GLE Coupé als Pärchenauto
Trotz des verbesserten Sitzkomforts auf der Rückbank sieht Mercedes das Coupé ohnehin eher als „Pärchenauto“: Das Szenario ist schnell beschrieben: Kinder aus dem Haus, komfortable finanzielle Situation, Sinn für Ästhetik. Genügend Gepäck für eine aktive Freizeitgestaltung passt auch in den Kofferraum des Coupés: 655 bis 1.790 Liter sind gutes Kombimaß und halten im Maximum einen Golf-Kofferraum Abstand zur praktischeren Version mit dem steilen Heck. Praktischer wurde die Hutablage: Die lässt sich nun leichter zusammenfalten.
Direktere Lenkung, sportlicheres ESP
Gegenüber dem Vorgänger hat das GLE Coupé zwar einen um zwei Zentimeter längeren Radstand, gegenüber dem neuen Steilheck-GLE soll er aber dank sechs Zentimeter kürzerem Radstand agiler ums Eck gehen. „Wir haben außerdem die Lenkung direkter ausgelegt, das ESP sportlicher abgestimmt und in der Getriebe-Software andere Schaltpunkte hinterlegt“, erklärt Zygan und gibt Gas. Der Baureihenleiter hat sichtlich Freude am 330 PS starken Diesel im GLE 400d Coupé und führt gleich den Motorsound im Sportprogramm vor: Ein Soundaktuator in der Reserveradmulde erzeugt einen tiefen, bassigen Sound, der nach Kraft klingt – und nur innen hörbar ist. Im Comfort-Modus säuselt der Sechszylinder leise, wirkt in Geräusch und Laufruhe sehr kultiviert.
OM 656 mit 700 Nm
Die Ruhe täuscht. Denn Kraft scheint der OM 656 ohne Ende zu haben. Dem Reihensechszylinder mit Vollalu-Gehäuse hilft eine zweistufige Aufladung auf die Sprünge, eine motornahe Abgasreinigung hilft, die Emissionen unterhalb des Euro-6d-Niveaus zu halten. Bis zu 700 Nm leistet der Motor im 400d. Das ist zu spüren: Beinahe leichtfüßig fliegt das GLE Coupé auf der Transfagarasan von Kehre zu Kehre.
Aktives Fahrwerk mit 48-Volt-Technik
Dass die 6-Kolben-Festsattel-Bremsen des Sportpakets vor der Kurve keinen Stress bekommen, haben sie dem agileren Chassis zu verdanken – und dem aktiven Fahrwerk. Das stemmt sich mit 48-Volt-Technik gegen Quer- und Längskräfte, neigt sich im Sport-Plus-Modus sogar gegen die Fliehkraft.
Straffere Grundabstimmung
Schon das Standardfahrwerk hat eine straffere Grundabstimmung und andere Stabilisatoren als das Nicht-Coupé – vier Türen haben beide GLE-Versionen. Wie gut das Coupé liegt, lässt sich im direkten Vergleich mit einem konventionellen GLE 300d auch auf dem Beifahrersitz erfahren. Erst spät kündigt Untersteuern den Beginn des Grenzbereichs an, früh kann der Fahrer wieder aufs Gas – das ESP regelt später, lässt eine längere Leine. Sitze mit höheren Seitenwangen halten Fahrer und Beifahrer am Platz, stützen stärker als im normalen GLE. Der Komfort passt, die Verarbeitung der Materialien wirkt auch im Vorserienauto routiniert. Und die Preise? Dazu gibt Mercedes noch keinen Kommentar ab. Anfang 2020 kommt das GLE Coupé auf den Markt.