Jetzt geht’s. Jetzt bleibt Zeit, die Lotusblume zu suchen. Das Navigationssystem errechnet fix die beste Route, das riesige Head-Up-Display spiegelt die Anweisungen in optimaler Position in die Windschutzscheibe. Schnell zappt sich die Neungangautomatik in den höchsten Gang, ganz sanft, beinahe unmerklich, die Drehzahl verharrt bei rund 1.500/min, der Sechszylinder-Diesel murmelt vor sich hin.
Die Freischaukelfunktion im Video
700 Newtonmeter maximales Drehmoment. Noch Fragen? Ja? Nach den Emissionen? Euro 6d, ohne temp. Also eine Stufe schärfer. RDE2. Darf also höchstens 120 mg NOx ausstoßen. Lotusblumen wissen das möglicherweise zu schätzen.
Jene allerdings, die im GLE blüht, ist virtuell, natürlich. Dahinter verbergend sich diverse Komfort-Funktionen, allesamt Sonderausstattungen, allesamt teuer. Aber auch irgendwie reizvoll in diesem S-Klassigen Ambiente. Exakt gesetzte Ziernähte, zurückhaltend dunkel gebeiztes Holz, offenporig, dezent-wuchtiger Instrumententräger. Davor: Zwei 12,3 Zoll große Displays in einem Rahmen, aktueller Mercedes-Einrichtungsstil.
Sitze mit Workout-Funktion
Trüge der Fahrer nun ein so genanntes Wearable von Garmin (nennen wir es einfach Pulsmesser), könnte im rechten Display nun die Herzfrequenz dargestellt, je nach Stresslevel eine passende Komposition aus Beleuchtung, Raumduft und Klang aktiviert werden, einfach per Klick. Stress? Nicht in Sicht. Sanft bewegen sich Sitzfläche und -lehne immer mal wieder um ein paar Millimeter, wollen so die Muskulatur entlasten. Stört weit weniger als vermutet. Auch weil die selbst viel Halt bieten, trotz gekonnt gautschiger Polsterung.
Massage geht auch, klar – oder eben Workouts. Dann musst du gezielt gegen jene Punkte drücken, die dich aus dem Sitz anstupsen. Soll die Ermüdung auf Langstrecken reduzieren. Und lange Strecken, ja, die kannst du gut mit dem Mercedes GLE 400d abarbeiten. Weil er dich ergonomisch optimal integriert, ein angenehmes Raumgefühl bietet, vor allem mit dem riesigen Panoramadach. Die optionale Luftfederung arbeitet beflissen, müht sich zuweilen an kurzen Bodenwellen ab, lässt dann den Aufbau eine Idee zu stark rollen.
Ein zum Vergleich gefahrener GLE 450 4matic mit dem neuen Aktivfahrwerk wirkt hier stabiler, noch komfortabler. Was die Hydraulik sonst noch kann, steht in der Ausgabe 25/2018 von auto motor und sport. Dennoch: Für den Federungskomfort des Mercedes GLE 400d würden andere SUV auch die letzte Windung ihrer Stahlfeder geben. Störende Aufbaubewegungen oder lästiges Nachschwingen? Nein. Weitestgehend Ruhe.
Dreiliter-Aggregat bringt wuchtigen Antriit
Auch vom Motor. Wenn du das Dreiliter-Aggregat forderst, donnermurmelt es eben, der Schub drückt dich in die weichen Polster. In 5,8 Sekunden soll der Motor den rund 2,3 Tonnen schweren SUV von null auf 100 km/h beschleunigen, im Durchschnitt 7,5 Liter Diesel verbrauchen. Hier auf dem Highway: Sicher. Aber über Land? Nun.
Kann der Mercedes denn Kurven? Bei der Masse? Ja, schon. Irgendwie. Wenn du jetzt nicht unbedingt die Agilität eines Hot Hatches erwartest. Schön: Das Lenkgefühl, markentypisch distanziert, frei von Hektik, nicht jedoch von Rückmeldung. Und ja, er fährt dann schon agil. Wobei auch der neue Allradantrieb hilft, der nun vollvariabel arbeitet, mit einer elektronisch gesteuerten Lamellenkupplung. So kann nun bei entsprechend großem Lenkwinkel mehr Antriebsmoment an die Hinterräder fließen während sich die Vorderräder nun stärker auf die Seitenführungskräfte konzentrieren können.
Jetzt: Herausbeschleunigen. Das langhubig ausgelegte Triebwerk mit zweistufiger Aufladung und variabler Ventilsteuerung spricht fix an – und schiebt an. Mit elefantöser Wucht. Immer wieder. Ja, du findest schnell einen Rhythmus, fegst lässig durch Kurven, der GLE bleibt lange neutral, lange genug für handelsübliche Landstraßen.
Und vermutlich lange genug für Mitreisende, die sich eben noch über das üppige Platzangebot freuten, weil: Acht Zentimeter mehr Radstand. Auf 4,92 Meter wächst der GLE, Breite: 1,94 Meter. Ein klassenüblicher Brocken. Bis zu 2.055 Liter passen in den Laderaum, sollte für ein paar Lotusblüten reichen. Aber für dich reicht ja eine, die virtuelle. Klick.
Fazit
In seiner vierten Generation wächst der GLE zur S-Klasse-Alternative, allein wegen des Platzes, des Ambientes und der Wagenladung neuer Technik-Features in allen Bereichen. Und ein Sechszylinder-Diesel wie im 400d passt nachwievor am besten zu so einem Brocken. Ja, auch aus Effizienz- und damit Emissiongründen.