Mercedes Sprinter 4x4: Neuer Action-Bus im ersten Test

Mercedes Sprinter 4x4
Neuer Action-Bus im ersten Test

Der neue Sprinter ist heiß auf Eis: im Gebirge haben wir die neue Generation des Großraum-Kraxlers unter die Lupe genommen.

Mercedes Sprinter 4x4 MY 2013 im Winter-Test
Foto: Mercedes

Der Mercedes Sprinter ist für die Stuttgarter eine gewaltige Erfolgsgeschichte: rund 160.000 Sprinter hat Mercedes alleine in 2012 produziert, der 1995 erstmals angetretene Transporter wurde inzwischen millionenfach in aller Welt verkauft. Zum Herbst 2013 gab es eine Überarbeitung der zweiten Generation Sprinter, ein klassisches „Facelift“. Und zum Jahres-Abschluss auch die Überarbeitung des Adventure-Sprinter, der Version mit Allrad-Antrieb.

Unsere Highlights

Mercedes Sprinter 4x4 seit 2011

Nötig geworden ist die Modellpflege in erster Linie durch die Umrüstung der Baureihe auf moderne Euro-6-Motoren. In diesem Zuge kamen etliche neue Assistenzssysteme an Bord, die zuvor den Pkw-Modellen vorbehalten waren. Abstandswarner, Spurhalte-Assistent, automatisiertes Fernlicht und der Totwinkel-Warner sind beim 4x4-Sprinter bereits verfügbar, 2014 folgt noch der Seitenwind-Assistent, der in den 4x2-Versionen bereits verbaut wird.

Im formal unveränderten Innenraum fallen in erster Linie das neue Lenkrad und der neue Schalthebel auf, ansonsten gab es hier auch nicht viel zu modernisieren: der Mercedes Sprinter ist zweckmäßig und praktisch möbliert, die Verarbeitung wirkt trotz des Nutzfahrzeug-Themas durchaus hochwertig.

Wer sich dem neuen Mercedes Sprinter 4x4 nähert, sieht dessen verbesserte Fähigkeiten auf den ersten Blick. Stramme 120 Millimeter Höherlegung an der Vorderachse, 80 Millimeter an der Hinterachse, in Verbindung mit den großen Rädern wirkt das durchaus beeindruckend. Die Bauchfreiheit, im Gelände die Achillesferse solcher Fahrzeuge, gewinnt damit entsprechend deutlich. Ein Grobmotoriker, mit dem es sich über steilste Kuppen und Felsen klettern lässt, wird der Sprinter damit sicher nicht. Im Baustellen-Einsatz oder auf verschlammten Wegen ist die Höherlegung jedoch Gold wert.

Elektronik statt Sperren

Mercedes hat beim Sprinter 4x4 eine recht unkonventionelle Lösung für den Allradantrieb gefunden. Ist er aktiviert, wird die Kraft zu einem festen Prozentsatz zwischen Vorder- und Hinterachse verteilt. Die vorderen Räder bekommen stets 35 Prozent der Antriebsleistung, 65 Prozent gehen nach hinten. Auffällig ist dies nur in Extremsituationen, wenn auf tiefem Untergrund und starker Steigung „gegraben“ wird. Im normalen Einsatz hingegen lässt sich kein deutlicher Unterschied zu einem variabel verteilenden oder einem mit 50/50-Split ausgelegten Allrad herausfahren, wie wir auch auf einem verschneiten Handling-Parcours nachprüfen konnten.

Für wirklich extreme Einsätze ist der Mercedes Sprinter 4x4 aus anderen Gründen nicht die allerbeste Wahl: das optionale Untersetzungsgetriebe verkürzt das Hauptgetriebe (Sechsgang-Schalter oder Fünfgang-Automatik) zwar, allerdings lediglich um den Faktor 1,4:1. Das macht den Sprinter nicht zum Kletterkönig, erleichtert aber das Anfahren unter Last und an starken Steigungen und verbessert speziell beim Modell mit Schaltgetriebe die Bedienbarkeit. Hilfreich: ab sofort ist eine elektronische Bergabfahrhilfe (Steuerung über Tempomat) und eine Berganfahrhilfe für den Mercedes Sprinter 4x4 bestellbar.

Mechanische Achssperren sucht man am Mercedes Sprinter 4x4 vergebens, um Traktionshilfe bemüht sich das 4ETS genannte System über Bremseneingriff. Vorteil dieser Lösung: ABS und ESP bleiben in allen Fahrsituationen aktiv. Nachteil dieser Lösung: ABS und ESP bleiben in allen Fahrsituationen aktiv.

Mercedes Sprinter 4x4 – extrem fahrsicher

Nein, das ist kein Schreibfehler. Tatsächlich sind für viele Nutzer und die meisten Situationen die elektronischen Fahrhilfen ein großer Segen und Garant für unbedingte Fahrsicherheit. Wie stoisch und ungerührt der im Hinblick auf jegliche Fahrdynamik durchaus herausfordernd konstruierte Großraum-Kasten sich auch auf kritischem Untergrund verhält, konnten wir auf ausgedehnten Testfahrten über das nahezu vollständig blank vereiste „Timmelsjoch“ in weit über 2.000 Meter Höhe feststellen. Das ausgebuffte ESP des Mercedes Sprinter 4x4 reagiert sogar auf verschiedene Beladungszustände und hält den haushohen Kasten mit Nachdruck, aber ohne Hektik auf Kurs. Eine beeindruckende Performance.

Dennoch wäre es gelegentlich wünschenswert, die dienstbaren Geister schlafen zu schicken – etwa, wenn die Stotterbremse den Anhalteweg eher verlängert (Beispiel Kies- und Sandfahrten) oder das ESP und die Antriebsschlupfregelung trotz voll durchgetretenem Gaspedal einer entschieden anderen Meinung sind als der Fahrer. Das ASR lässt sich zwar deaktivieren, was zumindest beim Anfahren auf glatten, verschneiten oder verschlammten Strecken durchaus empfehlenswert ist. Allerdings wird es nach wenigen Sekunden wieder zugeschaltet, auch überhalb 40 km/h und bei stark durchdrehenden Rädern tritt das ASR selbsttätig wieder zum Dienst an.

Wer Mercedes Sprinter 4x4 fahren möchte, benötigt etwas Kleingeld. Der Allradantrieb ist nur für die teureren, starken Motorisierungen erhältlich und kostet 9.985 Euro Aufpreis. Die optionale Untersetzung ist dagegen vergleichsweise günstig, sie schlägt mit 635 Euro zu Buche.

Fazit:

Der Mercedes Sprinter als solcher ist der Inbegriff von Praxistauglichkeit – als Transporter ist er buchstäblich große Klasse. Die Allrad-Version leistet in den allermeisten Fällen mehr, als die Benutzer jemals von ihr verlangen werden und empfiehlt den Mercedes Sprinter 4x4 damit auch für harten Baustellen-Betrieb oder Fernreise-Mobile mit Standard-Offroad-Einsätzen. Einen Extrem-Geländegänger wie den Unimog kann und will er aber nicht ersetzen. Leider liegen die Anschaffungskosten auf sehr hohem Level.