Was lehrt uns das Leben? Die Dinge am besten vom Ende her zu denken. Also: was kommt zum Schluss dabei raus, anstatt sich vorn reinzustürzen, um dann zu merken, dass es auf die falsche Richtung oder gar freien Fall hinausläuft. Insofern, Mini: alles richtig gemacht. Warum? Weil wir nach ein paar flinken Runden auf dem Handlingkurs von Saalfelden stehen und das Grinsen so schnell nicht aus dem Gesicht bekommen. Warum? Wegen der ersten Fahrt mit dem neuen Mini Cooper SE. Ein paar informationelle Salamischeibchen hatten sie bereits serviert, jetzt kam die wichtigste. Selbst fahren. So richtig. Wenn auch nicht buchstäblich heiß, sondern bei ein paar versprengten Spätwintergraden auf pitschnasser Piste mit Winterreifen.
J01 rockt die pitschnasse Piste
Problem? Nö. Der J01 zeigt, was er querdynamisch draufhat, witscht um die Ecken, wie in seinen besten Zeiten. Die rein handlingmäßig für viele Mini-Kenner bisher vor dem noch aktuellen Modell (F56) lagen. Der fährt gediegen und sicher, klar. Aber das anarchistisch wuselige, anfeuernde, den kleinen Dynamikausbruch zwischendurch hatten sie ihm ganz schön abtrainiert. Zugunsten konsequent sicheren Fahrverhaltens unter allen Bedingungen, selbst provokanten.
F56 fährt schnell aber stoisch
Wie wir bei den Anwärmrunden in Saalfelden mit dem aktuellen SE gleich mal rausfahren. Schnell, stoisch, sicher mit eher konservativer Traktions- und Dynamikregelung. Lastwechsel? Können Sie probieren, steigt er aber nicht drauf ein. So, als ob ein Straßenschläger nicht auf einen harten Mutti-Diss reagierte. Antiaggressionstraining mit Prädikat. Also ab in den Neuen. Hoppala. Wer gedacht hätte, hier fährt ein seelenlos-routinierter China-Happen, der irrt. Und zwar sowas von. Zwar wird der neue Mini grundsätzlich in einem Joint Venture mit Great Wall in China (Spotlight Automotive) gefertigt, unter anderem, weil man gern von den diesbezüglichen Erfahrungen in China sowie dem Marktzugang profitiert.
Entwicklung und Design made by BMW Group
Aber: von Badge-Engineering keine Spur, die Architektur ist von der BMW Group entwickelt und wird ausschließlich von ihr verwendet, das Design stammt ebenfalls aus München, die Entwicklung läuft über BMW Group-Team in München und China. Ach ja, und ein Teil der Produktion soll nun doch in Oxford laufen. Ist einfach näher am europäischen Markt und sichert gegen Schwankungen. Zumal man glaubt, hier könnte der bestverkaufte Mini ever starten. Alles klar? Sie möchten trotzdem mal wieder eine Diskussion führen? Dann sprechen Sie jemanden aus der BMW Group auf den Ora Funky Cat an und raunen etwas von Zwillingsbruder. Man macht Ihnen schnell klar, dass die zwei nichts miteinander zu tun. Und schon gar nicht denselben Akku im Boden haben. Stattdessen: der Mini ist ein Mini ist ein Mini ist ein Mini. Mit entsprechender Abstimmung.
Der Neue kann auch mal wilder – wenn gewünscht
Womit wir zurück auf Start gehen, also ans Ende der Testfahrt und feststellen: Stimmt. Der Cooper SE fährt grundsätzlich so präzise und sicher wie der noch aktuelle, nach Wahl des dynamischen, individualisierbaren Fahrprogramms (namens Go-Kart, soviel Nonsens muss scheinbar sein) saust der 3,86 Meter lange, geschätzt 1,6-Tonnen schwere Fronttriebler lebensfroh wie lange nicht um die Kurven. Kommandiert über Lenkung und Gas lässt er sich freudig anstellen, kommt mit dem Stummelheck raus und geht schön kontrollierbar quer. Die Ingenieure erzählen lachend, dass sie zu Beginn auf Eis mit einer kompletten Querfahrt-Runde kalkulierten und immerhin eine halbe hinbekamen. Nicht zwingend Kernkompetenz eines E-Kleinwagens, beim Mini aber ein beruhigender Hinweis darauf, dass sie vom Ende her denken. Gut so.
Intensives Dynamik-Training, schnelle Regelung
Deshalb wieder mit Multilenker-Hinterachse, plus jetzt Domstrebe vorn, direkter übersetzte Lenkung, neuer Achskinematik sowie straffen Stabilisator-Lagern. Auf adaptive oder verstellbare Dämpfer muss man zwar verzichten, dafür trimmten die Ingenieure die Servounterstützung der E-Lenkung je nach Fahr- und Lenkgeschwindigkeit sowie Modus so, dass ein intensives situationsgerechtes Gefühl mit viel Rückmeldung und agilem Handling dabei herauskommt. Fühlbar, wenn man die unterschiedlichen Modi durchprobiert (Öko, Normal, Dynamik).
Er kann auch brav. Aktornah schlupfgeregelt
Wer mit dem ganzen Fahrdynamik-Schmarrn nichts zu tun haben will, für den fährt der Neue auch gern ganz normal mit komfortablem Handmoment und einer flitzigen Wendigkeit plus soliden Geradeauslauf – soweit wir das unter den beschriebenen Bedingungen herausfahren können. Die Steuerung der Regelsysteme funktioniert ebenso unauffällig wie situationsgerecht, die feine, verbesserte aktornahe Radschlupfbegrenzung, die eine besonders schnelle Traktionskontrolle ermöglicht, kennt man schon aus dem Vorgänger.
Leistung? Genug
Und die Leistung? 218 PS und satt Drehmoment genügen. So sehr, dass noch Platz für eine E-Version mit 184 PS bleibt. Nicht umsonst ähneln die Leistungen der ebenfalls lieferbaren Verbrenner-Varianten. Doch zurück zum Cooper SE, der mit einem netto 54 kWh fassenden Akku kommt (E: 40,7), was für Reichweiten um 400 beim SE und 300 beim E genügen soll. Auf unserer Landstraßenausfahrt können wir dazu keine hundertprozentig belastbaren Ergebnisse liefern. Ebenso wenig über den Innenraum, da komplett getarnt.
Hardware schon jetzt auf Stand, Software-Finale folgt
Das neue runde, randlose OLED-Zentraldisplay sieht schick aus, liefert Informationen und ist per Touch bedienbar, doch laut Mini (im Gegensatz zur Hardware von Fahrwerk und Co) noch nicht auf finalem (Software-)Stand. Deshalb bleibt nur die Erwartung, beim Marktstart 2024 einen schicken, liebevoll designten und mit schnellem Rechner arbeitenden Touchscreen zu erhalten. Und immer noch ein paar physische Tasten und Toggles sowie von einem Mini erwartete Sitzposition plus typisch luftigen Raumgefühls trotz einer flacher stehenden Frontscheibe hinter dem weniger voluminösen Armaturenträger.
Fazit
Keine Sorge, Mini bleibt Mini, auch als chinesisches Produktions-Joint-Venture, da passen sie in der BMW Group schon auf. Im Gegenteil, der Cooper SE fährt nochmals quirliger als der Vorgänger, frischer, reduzierter, irgendwie im Sinne des Urvaters. So viel kann man nach der ersten Fahrt sicher sagen, selbst wenn ein 1,X-Tonner niemals wie ein Go-Kart fahren kann. Wir sind jedenfalls gespannt sind auf das erste dynamische Date mit dem ungetarnten, endgültigen Hatch.