Es geht – aber wem sagen wir das – natürlich um den Porsche 911 Carrera RS 2.7. Den Bürzel-Elfer. Der feiert Premiere am 5. Oktober 1972, dem Eröffnungstag des 59. Pariser Salons. Um das Gewicht des Rennsport-Homologationsmodell um 100 auf 960 kg zu senken, haben die Techniker alles rausgeräumt, was ohnehin nur zur Verhätschelung des Piloten sorgt: Dämmmaterial, Uhr, Armlehne, Ablagen. Für hintere Notsitze sehen sie ebenso wenig Anlass wie für Beifahrer-Sonnenblende, Ersatzrad, Metallembleme (dafür: Aufkleber) oder Teppiche. Stattdessen belegen Gummimatten den Boden, auf dem die Recaros ankern. Dazu: Dünnblech für die Karosse, Dünnglas für die Fenster, Lederriemen statt Türgriffe, vorn ein Spoiler mit Ausbuchtung für den Ölkühler. Hinten: Entenbürzel. Der von 2.341 auf 2.687 cm³ hubraumvergrößerte und mit Sechsstempel-Doppelreihen-Einspritzpumpe aufgerüstete Boxer erstarkt um 20 auf 210 PS. Mit 34.000 DM kostet der RS 2.850 Mark mehr als der 911 S, beschleunigt mit fünfsieben schneller auf 100 km/h als ein Ferrari Daytona. Statt der geplanten 500 Stück verkauft Porsche 1.580, davon 217 als RS-Sport und 1.306 mit Touring-Paket. Für das verlangt Porsche 2.500 Mark, und zwar dafür, dass sie sich nicht die Mühe machen, den Innenraum auszuräumen.
Ach, welche Prinzipientreue in Finanzfragen sich bei Porsche schon damals zeigt. Die hält ja bis heute an, wie sich gleich beim Preis des neuesten Modells des Elfer-Epos zeigt, dem Sport Classic. Für den möchte Porsche gern 276.284 Euro haben, natürlich vor Extras, zu denen auch ein speziell auf und für das Auto aufgelegter Porsche-Design-Chronograf zählt. Das ist eine jüngere, wenngleich sicher nicht weniger einträgliche Tradition bei Porsche. Wie eben auch die Hertiage-Modelle. Bei denen nimmt sich das Designteam um Michael Mauer immer eine vergangene Dekade und ein spezielles Modell vor. Das erste von vier angekündigten Heritage-Modellen war 2020 eine Sonderserie des Targa 4S. Nun kommt mit dem Sport Classic das zweite, pünktlich zum und zur Feier des 50. Geburtstags des Carrera RS 2.7.
Opulente Ausstattung – optisch wie technisch
Der Alte zelebrierte ja die Ekstase der Askese, wovon der Porsche 911 Sport Classic nicht nur wegen seines zwölf Zentner höheren Gewichts abweicht oder der Tatsache, dass er mit seinen stattlicheren Abmessungen 1,84 Quadratmeter mehr Fläche beansprucht. Mehr noch unterscheidet er sich in der Opulenz der Ausstattung. So möbliert ihn Porsche mit den fesch pepita-gemusterten Sportsitzen vorn und den Nischen hinten, polstert Seiten, Dachhimmel und Armaturenbrett mit Stoff oder Leder auf. Dazu gibt es das ganze Infotainment-Programm; Klima und Sitzheizung eh – aber vielleicht beenden wir die Aufzählung hier und stellen nur fest, dass die Techniker heute sehr viel länger als einst beim RS 2.7 bräuchten, um all den Komfortkram wieder rauszurupfen. Und schon allein, was der Sport Classic an Emblemen und güldenen Lettern drinnen und draußen mit sich herumfährt, dürfte den Gewichtsvorteil seiner Carbon-Fronthaube (spart 2,1 kg) und des Carbon-Daches (minus 1,4 kg) aufbrauchen.
Das Dach übrigens trägt die Doppelkuppelform nicht nur zur Steigerung der Stildynamik oder damit der graue Renn-Doppelstreifen, der darüber läuft, noch besser zur Geltung kommt. Die Double-Bouble sei zudem ein Schutz gegen Plagiate. Was erst einmal etwas räuberpistolig klingt, hat tatsächlich einen historischen Hintergrund. Denn von den 1.580 gebauten RS 2.7 dürften gut und gerne 3.000 überlebt haben – nicht wie durch Zauber-, sondern Fälscherhand.
Die töpferten einem normalen 911 S dann auch aus Glasfaser einen Entenbürzelspoiler für die Motorklappe zusammen. So einen trägt natürlich auch der Sport Classic – aus Carbon selbstredend. Ob der das Fahrverhalten des Elfers ändert? Nun, um das herauszufahren bräuchte es wohl mindestens zwei Dinge. Erstens eine Rennstrecke und zweitens so einen Herrn Walter Röhrl. Hier aber sind wir auf unserer liebsten Landstraße unterwegs und schon gut beschäftigt, all das in noch legales Tempo umzusetzen, was der Sport Classic ja abgesehen von dem Heckspoiler dabeihat. Eine ganze Menge nämlich, denn schon serienmäßig bringt er mit: Adaptivdämpfern, Wankausgleich, Hinterachssperre, variabel übersetzte Servo- und Hinterachslenkung. Die Tempovehemenz steigert der Motor, der 3,7-Liter-Sechserboxerbiturbo aus dem Turbo, nicht der Carrera-Dreiliter. Im 911 Sport Classic kommt er auf 550 PS und 600 Nm. Das sind 70 und 150 weniger als im Turbo 3.8. Aber den gibt es nur mit Achtgang-Doppelkupplungsbox.
Unaufbrauchbare Agilitätsreserven für 1250
Die ist für den Classic: nicht vorgesehen. Was dem Sport Classic den Rang des stärksten handgeschalteten 911 einbringt. Das dürfte vielen bereits Grund genug sein, ihn grandios zu finden. Und ganz sicher werden sich auch bei diesem besonderen Modell, wie schon beim Speedster oder R, mehr Interessenten als Käufer finden. Nur 1.250 der besten Kunden wird das Privileg zuteil sein, 276.284 Euro ihres wohl etwas unübersichtlichen Vermögens an Porsche überweisen zu dürfen. Wobei, und das bleibt jetzt besser unter uns Unteren Zehntausend: Dieses Mal müssen wir uns nicht grämen, keinen abzubekommen.
Was nicht daran liegt, dass der Porsche 911 Sport Classic nicht brillant führe. Natürlich gelingt ihm das mit dieser Lenkung von absoluter Präzision und unbedingter Rückmeldung. Mit seinem unfassbaren, ja auf normalen Straßen unaufbrauchbaren Grip. Untersteuern gibt es einfach nicht, dafür eine Verlässlichkeit, zu der auch das planbare Heckdrängen beim Gasgeben in der Kurve zählt. Dann grippt sich der 911 mit der Sperre noch fester in den Asphalt und wallkürt mit Boxerkreischen auf die nächste Gerade hinaus.
Nur – ja, diesmal kommt ein Nur – all das kann so ein normaler Elfer (sofern ein Elfer je Normalität sein kann), also ein Carrera, alles eigentlich genauso gut. Alles, was der Sport Classic an Leistung, Drehmoment und Kurvenumrundungseile drauflegt, ist nicht mehr als eine Bereicherung ungenutzter Reserven. Denn auf der Landstraße bist du eh dauernd nur am Bremsen, und auf der Autobahn hält dich ganz sicher nicht ein Mangel an Leistung auf, sondern der herumirrlichternde Verkehr um dich herum.
Seltsam hedderiges Schaltgetriebe
Und schließlich ist da noch das, was den Sport Classic heraushebt: Das Schaltgetriebe. Doch es ist keine Sechsgangbox wie in GT3/Touring, sondern ein Siebenergetriebe wie in den Carrera. Und das hat erstens schlicht eine Ebene zu viel, ist zweitens seltsam hedderig geführt, sodass du drittens immer sehr konzentriert herumknüppeln musst, um nicht in einen falschen der vielen Schaltwege zu rutschen. Das Schalten sollte doch so eine Art kurzes Trommelwirbel sein, das dem Fahren den rechten Beat verschafft. Aber hier bringt es dich dauernd aus dem Rhythmus. Stimmt schon, das Achtgang-PDK ist jetzt auch nicht die Herzenslösung, aber bestens aufgelegt.
Daher – so viel Kaufberatung muss sein – empfehlen wir all jenen, die den perfekten Fahrer-911 suchen, den GT3 Touring als Sechsgang-Schalter. All jenen, denen es vergönnt ist, einen Elfer als Alltagsauto zu fahren, den einfachen Carrera mit Doppelkuppler. Und den Sport Classic? Na, wenn er Ihnen gefällt, und Sie die 165.053 Euro Aufpreis zum Carrera eh auf dem Konto herumliegen sowie mit besten Beziehungen zu Ihrem Porsche-Zentrum die Chance haben, sie mit dem Erwerb des Sport Classic vor der Inflation zu retten: Unter all den Elfer mag der Sport Classic überzeugendere Rivalen haben. Aber als Wertanlage ist er wohl kaum zu übertreffen.