Porsche 911 992 Turbo im Fahrbericht

Porsche 911 992 Turbo
Die Furie mit Fönfrisur

Weiter geht’s im Porsche-Modellgalopp: Neu am Start. Der 180.811 Euro teure 911 Turbo mit 580 PS und dem Nimbus alles zu können: Ideallinie ebenso wie Schmusekurs.

Porsche 911 992 Turbo
Foto: Rossen Gargolov

Eigentlich geht es für den 911 Turbo inzwischen fast immer nur um eines: um die Abgrenzung zum 911 Turbo S, den wir bereits gefahren sind. Im Fall des 992 also darum, wie er im Vergleich zur 70 PS stärkeren, fast 32.000 Euro teureren Topversion dasteht? Ob er arg schmächtig wirkt, da sein Drehmoment ja 50 Nm weiter unten gipfelt? Und wie dramatisch es sich anfühlt, dass der Sprint auf 100 km/h hier 2,8 Sekunden dauert und nicht nur 2,7? Gegenfrage: Wird man ihm damit gerecht? Ihm, dem Original, DEM Turbo? Sicher nicht!

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Wie wär‘s also, wenn wir mal so tun, als gäbe es diesen ach so viel besseren, ach so großen Bruder nicht und den Basis-Booster stattdessen als das betrachten, was er ungeachtet seiner Modellfamilienverhältnisse war und ist: eine Intelligenzbestie, die Kilometer ebenso frisst wie Kurven und in der Gesamtheit dieser Fähigkeiten eigentlich nicht zu toppen ist.

Größere Lader, neue Peripherie

Auf 580 PS hat er mit dem Modellwechsel zugelegt, wofür im Bereich der Motorperipherie kräftig umgeräumt wurde. Die beiden VTG-Lader sind nun zugunsten besser Strömungsverhältnisse nicht mehr spiegelbildlich, sondern symmetrisch aufgebaut. Die Ladeluftkühlung zieht von den hinteren Radkästen in den Rückenbereich des Elfers um, sitzt nun also oberhalb des Sechszylinders – genau wie früher bis zum 993. Die Maßnahme bringe neben einer saubereren Anströmung auch 18 Prozent mehr Kühlfläche, was das Aufladungsklima insgesamt verbessere. Endeffekt: Effizientere Verbrennung, eine bessere Ausbeute und ein Ansprechverhalten, das trotz gewachsener Turbinen- und Verdichterräder (plus 5 bzw. 3 mm) auf dem Level des sachter geladenen Vorgängers liegt.

Porsche 911 992 Turbo
Rossen Gargolov
Bekanntes 992-Cockpit mit Erste-Sahne-Sitzen und Kippschalter fürs PDK.

Eine lapidare Gasfußbewegung setzt die viele Theorie schließlich in Praxis um. Stimmt, ein klitzekleiner Moment des Luftholens bleibt, dann ist das Abgas des 3,7-Liter-Direkteinspritzers aber zur Faust geballt und jagt dich ins Bockshorn. Noch schneller, noch höher, noch weiter, na klar. Zwischen 2.250 und 4.500/min tosen 750 Nm durch die Antriebsstränge, womit sich jedwede Gerade easy wegpusten lässt. Trotzdem wird unter Volllast noch ein Overboost-Klecks von 40 Nm draufgepackt, der – aufgemerkt – nun aber nicht mehr nur wenige Sekunden anhält, sondern dauerhaft.

Selbstverständlich verläuft der Irrwitz weiterhin in geordneten Bahnen. Dank des Allradantriebs gibt es keine undichte Stelle im Vortriebskreislauf, zudem lebt der Turbo nun auf noch größerem Fuß: 20 Zoll vorn, 21 hinten. Dennoch haben Sie es geschafft, dem Ganzen wieder etwas mehr Dramatik einzuhauchen, mehr Emotionen, mehr Flair. Erinnerungen an den Urtyp also? Nein, die werden nicht mehr wach. Und angesichts der Tatsache, dass Turbo Numero sieben nun mit mehr als der doppelten Wucht zuschlägt, ist das wohl auch besser so.

Andererseits ist der 992 aber weit mehr als eine Wiederholung des Vorgängers im Schnellvorlauf – der progressiveren Ausstattungspolitik sei Dank. Ab sofort gibt es Stimmungsmacher wie die rassig röchelnde Sportabgasanlage, ein straffes Optionsfahrwerk mit 10 mm Tieferlegung sowie das Leichtbaupaket, das über Vollschalensitze, Dünnglas, einen ausgeräumten Fondbereich und die reduzierte Dämmung nicht nur 30 Kilo rausholt, sondern auch das Feeling intensiviert. Hinzu kommen die Änderungen, die der Generationssprung als solcher mit sich bringt: die um 42 mm aufgesäumte Vorderachsspur für stabileres Einlenken zum Beispiel oder auch das neue Doppelkupplungsgetriebe mit acht Gängen – sechs zum Abfeiern der Längsdynamik, zwei zum Drücken des Verbrauchs.

Wieder schwerer, wieder famos

Gewicht? Auch beim Turbo ein heikles Thema. 1.640 Kilo stehen in den Akten. 45 mehr als bisher. Und vielleicht sollten wir ihm dafür gehörig in seinen exakt 1,9 Meter breiten Hintern treten. Doch es kommt, wie es kommen muss. Sie schnallen dich mit wagenfarbigen Gurten in eine vorzügliche Ergonomie und scheuchen dich solange über die Rennstrecke, bis für eine Anklage schlichtweg die Beweise fehlen.

Porsche 911 992 Turbo
Rossen Gargolov
Beeindruckend: Die Handlingeigenschaften des Turbo.

Natürlich lösen sich die Kilos auch dort nicht einfach in Wohlgefallen auf, nein, sie werden mit Systemen ausgehebelt. Besser: so hingebogen, dass sie der Dynamik nicht im Wege stehen. Ergo müsste sich der Turbo aber wenigstens synthetisch oder entkoppelt anfühlen. Denkste! Statt auf seinem Hightech-Teppich abzuheben, rollt er ihn dir aus. Als Antirutschmatte oder Spielwiese, je nachdem. Mein Ernst: Obwohl er de facto ein Eigenleben führt, mittels Aktivstabis Rollbewegungen aus der Karosse biegt, die Antriebsmomente nun noch variabler zwischen den Achsen verschachert und Lenkbewegungen über die Hinterachse manipuliert, liegt er richtig schön satt in der Hand. Und: gehorcht auf Punkt. Er lässt sich auf letzter Ideallinienrille in Kurven pressen, donnerkeilt stoisch durch schnelle Passagen oder strawanzelt per Hüftschwung ins Eck, wenn man ihn per Lastwechsel dazu animiert. In einem Wort: Beeindruckend!

Nun ist die Performance aber nur eine Facette des Turbo-Konzepts. Die andere: Er muss in der Lage sein, die Anspannung von einem Moment auf den anderen abzuschütteln. Und auch das gelingt. Runter vom Gas, das Drehrad von Sport-Plus klickklick auf den Normal-Modus zurückgedreht – und simsalabim schon liegen dir sämtliche Handlings-Stränge, die dich gerade noch an den Hockenheimring gefesselt haben, als Baumwollschal im Nacken, wehen über die Langstrecke, lassen Kilometer verfliegen – bis zu 320 pro Stunde, wenn‘s pressiert.

Es geht also nicht nur um das eine, es geht um alles. Ums Alleskönnen, weswegen sich dieser Turbo nun auch ganz offiziell von der Rekordjägerei zurückzieht. Alles klar, hatten sie halt Muffe, dass ihnen ein Allrounder die Kollegen Tracktools vom Sockel kegelt. Nun, sas ist die eine Theorie. Porsche vertritt logischerweise eine andere: Demnach wolle man sich mit dem 992 wieder stärker am Turbo-Kunden orientieren, der eben anders tickt als jener eines GT3 – nicht nach Rundenzeit, sondern nach Reisedauer. So wurde die Bereifung ganz dezidiert auf gute Nässeeigenschaften getrimmt, Semislicks sind gar nicht erst im Angebot und werden angeblich auch nicht mehr nachgeschoben. Stattdessen gibt es bald einen Vorausschau-Tempomaten sowie ein Liftsystem für die Vorderachse, das sich ortsabhängig programmieren lässt. Künftig parkt so ein 911 Turbo sogar vollautomatisiert, und zwar tatsächlich – jetzt kommt‘s – genauso schnell wie das S-Modell.

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Fazit

Dank neuer Ausstattungsoptionen bekommt der 911 Turbo wieder mehr Charakter eingeimpft: er klingt schärfer, fährt straffer, baut aber gleichzeitig seine Allroundqualitäten aus. Beeindruckend ist vor allem die Stufenlosigkeit mit der von maximaler Verausgabung in totale Entspannung verfällt. Nur der Rückstand auf das 650 PS starke S-Modell, der wuchs – von 40 auf nun 70 PS.

Technische Daten
Porsche 911 Turbo Turbo
Grundpreis214.242 €
Außenmaße4535 x 1900 x 1303 mm
Kofferraumvolumen128 l
Hubraum / Motor3745 cm³ / 6-Zylinder
Leistung427 kW / 580 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit320 km/h