Wer ein Auto Enyaq nennt, hat die Latte natürlich hoch gelegt. Das Wort Enya stammt aus dem Irischen, es bedeutet so viel wie "Quelle des Lebens", und so dachte man sich in Mlada Boleslav, dass Fahrer des ersten vollelektrischen Crossover vor allem eines können müssten: sich lebendig fühlen. Schon dem heckgetriebenen Standard-Modell mit der großen 82kWh-Batterie und 150 kW Leistung weht der Fahrtwind ganz ordentlich um die Nase, aber im Skoda-Hauptquartier weiß man aus Erfahrung, dass die Kundschaft bei den meisten Modellen alsbald nach einer ausgewiesenen Sport-Version fragt, und so hat man nun rechtzeitig zum Sommeranfang den Enyaq Sportline auf die Räder gestellt.
Die sind bei der Top-Variante vorn 235 und hinten 255 Millimeter dick und optional 21 Zoll (Serie 20) groß, womit der Fünftürer auch ohne wirkliche SUV-Attitüde souverän Treckerpfade überrollt, ohne dass die Grasnarbe groß am Unterboden kratzt. Trotz des verräterischen Q am Namensende, das in der Marketing-Nomenklatur für Geländegänger (und solche, die nur so tun) reserviert ist, sieht sich der Enyaq lieber als für alle Schandtaten bereite Van-Kombi-Limousine, und in der Sportline-Version will er nun eben auch ein bisschen Sportwagen sein, und so haben ihn die Ingenieure zum Ausgleich für die größeren Räder vorn um 15 und hinten um 10 Millimeter tiefer gelegt.
Sportfahrwerk wäre ein zu großes Wort, aber dank moderat gestraffter Dämpfung umrundet der Allrad-Enyaq auch enge Biegungen ohne lästige Wankneigung. Dabei hilft ihm neben dem niedrigen Schwerpunkt der 288 im Boden verstauten Lithium-Zellen und seine Rennwagen-taugliche Gewichtsverteilung von nahezu 50 Prozent Masse vorn und hinten. Von Eco bis Sport stehen vier Fahrprogramme zur Verfügung. Das Umschalten auf Sport macht sich vor allem durch etwas höheren Krafteinsatz beim Lenken bemerkbar, die Dämpfer verhärten sich nur unwesentlich. Die Standardeinstellung ist für alle Lebenslagen eine gute Wahl. Gute Arbeit haben die Fahrwerksingenieure geleistet, denn trotz der Riesenräder verkneift sich der Enyaq jedes Poltern und meistert auch bucklige tschechische Landsträßchen erfreulich komfortabel.
Unwesentlich schwerer
Zwar warnt das Display des Bordcomputers in der Eco-Einstellung vor Einschränkungen des Komforts, aber das betrifft eher die Leistung der Klimaanlage und natürlich die der beiden Elektromotoren. Um für den zusätzlichen Vorderradantrieb Platz zu schaffen, musste der sonst vorn montierte Spannungswandler hinter den Syncronmotor im Heck wandern. Der Asyncron-Motor vorn, die zwei zusätzlichen Antriebswellen, ein weiterer Kühler in der Front und die zusätzlichen Kabel machen ein Mehrgewicht von rund 70 Kilo aus, die aber bei einem Gesamtgewicht von satten 2,3 Tonnen nur unwesentlich ins Gewicht fallen.
Seine Pfunde merkt man dem Enyaq durchaus an, seine Kraft aber auch. 265 PS und 425 Newtonmeter reichen aus, um den Sprint auf 100 km/h in 6,9 Sekunden zu erledigen und jeden Traktor auf der Landstraße auf kürzester Strecke hinter sich zu lassen. "Elektrisch emotional" nennen das die Marketing-Menschen des Konzerns. Mit maximal 180 kw unterm Kofferraum und 150 unter der Fronthaube wären theoretisch sogar 230 Kilowatt und damit 313 PS drin, "aber dafür ist die Batterie nicht ausgelegt", sagt Antriebsingenieur Jiri Slechta.
Der Allrad-Antrieb des Tschechen stammt aus dem Teilebaukasten aus Wolfsburg und ist nahezu identisch mit dem des ID4 GTX, den VW gerade erst vorgestellt hat. Bisher lag der Allradanteil der SUV mit dem Pfeil bei etwa 30 Prozent, beim Enyaq rechnet Skoda mit 50 Prozent, wobei der Begriff ein bisschen irreführend ist, korrekter wäre Bedarfs-Allradantrieb. Im normalen Fahrbetrieb überträgt der Enyaq iV Sportline wie auch das etwas zahmere Schwestermodell iV 80x seine Leistung ausschließlich auf die Hinterräder, so erklärt sich auch, warum Skoda einen Verbrauch von 16,0 kWh pro 100 km verspricht, nur 0,2 kWh höher als beim stärksten Hecktriebler.
Sound of silence
Nur auf schlüpfrigem Geläuf und bei heftigem Beschleunigen mischen die Vorderräder mit. Beim Kickdown mit stehendem Start schiebt zunächst nur der Heckmotor die Fuhre an, der vordere schaltete sich mit etwa zweisekündiger Verzögerung zu. Vollen Bumms ab erstem Meter gibt es im Fahrmodus Sport, wer die Toleranz der elektronischen Fahrassistenten erhöhen will, wählt auf dem 13-Zoll-Display noch den Button "ESC Sport", dann darf der Enyaq sogar ab und zu mit den Rädern scharren.
Komplett abschaltbar ist das Stabilitätsprogramm nicht, das bisher größte Elektroauto auf der MEB-Plattform soll und will keine bösen Überraschungen liefern. Und so schiebt der Skoda Enyaq bei provoziert eiligem Einsatz brav über die Vorderräder, die Hinterachse lenkt auch bei rabiaten Lastwechseln allenfalls ein bisschen nach. Aber wir wollen es ja nicht übertreiben, wenn auch kürzer als ein Octavia Kombi und flacher als ein Kodiaq will der Enyaq kein Sport-Coupé sein, die Höchstgeschwindigkeit ist wie bei den Schwestermodellen bei 160 km/h abgeriegelt.
Sportfahrer bemängeln bei Elektroantrieben trotz dollem Vortrieb den fehlenden Sound, hier weiß der Skoda Enyaq Sportline beim Beschleunigen mit einem angenehm unaufdringlichen, aber klar vernehmbaren Turbinen-Sausen zu glänzen, die Freunde konventioneller Verbrennung bei manchem Turbo zu schätzen wussten. Der Enyaq marschiert ansonsten so souverän vorwärts, dass allenfalls die Windgeräusche ab Tempo 130 darauf hinweisen, dass nun Autobahn-Richtgeschwindigkeit erreicht ist.
Ziviler Sport
Durchaus erhöhter Waden-Einsatz ist beim Verzögern gefragt, noch dazu, weil hinten auch beim Sport-Modell Trommelbremsen wirken. Vor allem im Stadtverkehr hilft die Elektronik mit der speziellen Fahrstufe B, die eine deutlich erhöhte Rekuperation auslöst und den Einsatz des Bremspedals in vielen Fällen überflüssig macht. Die energieeffiziente Bremshilfe ist bei flüssigem Dahinrollen eher lästig, aber sie lässt sich mittels Schaltwippen am Lenkrad in drei Stufen individuell reduzieren oder wieder erhöhen.
Fazit
Skoda Deutschland rechnet mit erhöhtem Bestellaufkommen. In Weiterstadt kalkuliert man, dass jeder vierte ausgelieferte Enyaq ein Allrader sein wird. Die ersten iv80 Sportline und die etwas zivilere Variante iv80x kann ab Mitte Juni geordert werden. Der iv80x soll etwa 45.000 Euro kosten, der Sportline schrammt knapp an der 50.000er-Grenze entlang.
Skoda Enyaq iV 80 SPORTLINE 80 | |
Grundpreis | 48.000 € |
Außenmaße | 4649 x 1879 x 1616 mm |
Kofferraumvolumen | 585 bis 1710 l |
Höchstgeschwindigkeit | 160 km/h |
Verbrauch | 0,0 kWh/100 km |