Tatsächlich, aus dem Kassettenschacht lugt ein Tape! Was wohl drauf ist, ob das Laufwerk noch werkt? Power on, Kassette reingedrückt – und die zwei in die Hutablage gespaxten Lautsprecher füllen den überschaubaren Innenraum mit Stevie Wonders „Superstition“. Zurück in die 70er also?
Nicht ganz. Und auch nicht zurück in die späten Fifties, als der Mini auf Zehn-Zoll-Rädchen ans Laufen kam. Aber 60 Jahre Mini sind Anlass genug, sich mal einen der letzten „Echten“ und Vertreter seiner drei Nachfolger zu organisieren, um ein wenig zu spielen da droben auf der Alb.
Vier-Zonen-Klima
Sebastian kam gerade mit dem grün-weißen Senior zum Treffpunkt, schwärmt vom wieseligen Handling des 1998er Cooper und davon, dass er gar nicht mal so unbequem sitze hinter dem eher flach arrangierten Lenkrad. 63 PS wirft der 1,3-Liter in die Runde, dem sie in den 90ern noch eine Einspritzung samt Kat untergejubelt haben.
Der Rest der Gang schaut mitfühlend auf Seb angesichts der lodernden Sonne, die schon jetzt, früh am Morgen, gnadenlos runterbrennt. Der Rest, das sind Gabriel, der im aktuellen John Cooper Works angereist ist und das Bratzeln beim automatischen Runterschalten lobt, Jörn im fein gemachten, braunlastig ausstaffierten Sondermodell 50 Mayfair der zweiten New-Mini-Generation und eben der Autor, der auf der Hinfahrt schon dem Kompressorsirren des ersten neuen Cooper S gelauscht hat.
Bisschen warm in der kleinen Kiste, oder? „Nee, dank Vier-Zonen-Klima!“, entgegnet Sebastian. Schlüssige Erklärung dieser kühnen Behauptung: Vom Fahrersitz hinter dem holzfurnierten Armaturenbrett mit drei Runduhren und ein paar Kontrolllämpchen, das 1996 die mittige Küchenuhr abgelöst hat, sind nicht nur beide Fensterkurbeln in Griffweite, sondern auch die Mechanik der hinteren Ausstellfenster. Bingo! Alles halb so schlimm also. Auf geht’s!
In jeder Größe Mini
Wir schlendern über breite Landstraßen bis zu der kleinen Abzweigung, wo es richtig hoch auf die Alb geht. Erst noch eine kleine Ortsdurchfahrt, wo der Methusalem auf seiner Gummipufferfederung ziemlich ins Hoppeln und Stoßen kommt, während seine Nachfahren die Löcher und Querrinnen wie moderne Autos nehmen – was sie ja auch sind. Dann Ortsausgang, und aus dem etwas kleinen Sitz des grauen Cooper S heraus kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Ja, es ginge durchaus schneller, wenn sich da vorn nicht der Drei-Meter-Oldie tapfer den Berg emporarbeitete. Über 5.000 dreht er nur noch zäh, doch bis dahin legt er verlässlich zu und nimmt sauber die Fährte wieder auf, wenn es im nächsten Gang erneut Vollgas heißt.
Das Geheimnis des Schnellseins, erkennen wir mit jedem neuen Autotausch, heißt im Oldie schlicht Schwungnutzung. Möglichst nie lupfen, nur sparsam bremsen und einfach darauf vertrauen, dass das 800-Kilo-Mäuschen seine 145er-Pellen auch in engsten Kurven nicht von der Haft- in die Gleitreibung bringt.
Schon der New Mini der ersten, 60 Zentimeter längeren und 400 Kilogramm schwereren Generation macht das natürlich viel müheloser (Servolenkung) und aus der Kurve heraus druckvoller (Kompressor!). Und wie schön: Das Wuselige des Originals, es ist in ihm noch ebenso spürbar wie in der Nachfolgergeneration, die kaum sichtbare sechs Zentimeter in der Länge zugelegt hat und nicht nur auf Jörn runder, ausbalancierter und noch knackiger wirkt. Die Mehrleistung – hier per Kompressor, dort per Turbo gepusht – wird vom deutlich höheren Gewicht teilweise kannibalisiert, ist aber trotzdem jederzeit spürbar. So wie dieser Hunger auf Kurven, die beide mit weit ausgebreiteten Armen begrüßen und dann geradezu liebevoll vernaschen.
Neue Ernsthaftigkeit
Dieses Neckische, Unverkünstelte will im aktuellen John Cooper Works etwas erarbeitet werden. Mit 3,87 Metern noch einmal 20 Zentimeter länger als sein Vorgänger und mit 231 PS mehr als nur anständig motorisiert, ist der 1,3- Tonner in der Kleinwagen-Moderne angekommen. Pfeilschnell ist er, ohne zu nerven, am komfortabelsten und geräumigsten in dieser Runde natürlich auch. Im Sport-Modus erlaubt sich der Zweiliter-Turbo eine kräftigere Aussprache, klingt nach Markenpokal und Trackday, wozu auch der ausladende Dachkantenspoiler und das grimmige Gesicht passen.
Die optionale Achtstufenautomatik (Serie: Sechsgang-Schaltgetriebe) passt perfekt zu diesem Auto, das fast unbemerkt auf 180 ist, wenn du das Gas etwas länger stehen lässt. Und das dich dann doch emotional packt, wenn du dich beim Anbremsen einer Kurve abwärts durch die vielen Gänge flipperst, um dann – zack – einzulenken und schon vorm Scheitelpunkt wieder aufs Gas zu gehen.
Ein technisch kompletter Vollstrecker, der unter seiner geschliffenen Oberfläche durchaus noch Kanten zeigt, wie sie den Mini seit 60 Jahren wohl liebens- und begehrenswert gemacht haben. Am Anfang war der ja nur das praktische Auto mit vier knapp dimensionierten Sitzen und einem Kofferräumchen für klamme Leute ohne großes Bankkonto.
Die Kurve kriegen wir
Er durchwanderte später dann tiefe Täler in den Wirren der britischen Autoindustrie und zuvor auch lichte Höhen als Rallyesieger. Der Neuanfang unter BMW-Regie war nötig, geschah mit viel Fingerspitzengefühl und wohl auch echter Zuneigung. Aus dem Vernunftauto wurde ein Auto, das bis heute sich und das Leben leichtnimmt.
Der Mini hat die Kurve gekriegt – und wir auch an diesem Tag auf der Alb. Es hätten gern noch mehr sein dürfen. Denn warum sollte man aufhören, wenn es am schönsten ist?