Die weite Wüste Nordafrikas ist es nicht, die wir dem Opa anbieten können. Aber es kommt vom Feeling schon ein bisschen hin. Im weitläufigen Fahrgelände "Fursten Forest" hoch oben im Norden Deutschlands ist der Sand allgegenwärtig und gelegentlich sogar zu so etwas ähnlichem wie Dünen aufgetürmt. Damit kennt sich der T2 aus. Denn geboren wurde er eigentlich (zumindest geht so die Legende), weil der damalige Chefingenieur von VW Nutzfahrzeuge, Gustav Mayer, ein begeisterter Sahara-Fahrer war.
Die Prototypen wurden heimlich gebaut
Mayer, der vor allem den T2- und T3-Transporter maßgeblich geprägt hat, war leidenschaftlicher Allrad-Fan und hatte den T2 trotz Einspruch des Vorstands heimlich zum 4x4-Bulli entwickelt, gemeinsam mit dem VW-Ingenieur Henning Duckstein. Ein Meilenstein in der Automobilgeschichte, wie nach mehreren Allrad-Bulli-Generationen inzwischen zweifellos feststeht. Und wie es der Ur-Ur-Enkel T6 4Motion bis heute unter Beweis stellt.
Zum Treffen der Generationen eingeladen hatte VW-Spezialist Peter Seikel. Der ist von einer ähnlichen Wüstenbegeisterung befallen wie weiland das Duo Mayer/Duckstein und baut hauptberuflich VW Nutzfahrzeuge, vom Caddy über den Amarok bis zum Crafter, für bessere Geländeperformance um. Mitgebracht hatte er den T6 California, mit 204 PS knapp drei Mal so stark wie der Urahn.
Allrad-Bulli mit Westfalia-Ausbau
Vermutlich ist der Unterschied sogar ein bisschen größer, denn der 1978 auf Kiel gelegte Allrad-T2 ist beim Fahrtermin gerade ein bisschen unpässlich, spuckt vor sich hin und will nicht richtig rund laufen. Es ist eben ein echter Oldtimer, dem man seine Jahre auch durchaus ansieht. Im Besitz der Stiftung AutoMuseum in Wolfsburg kam er vor dem Fahrtermin noch nicht zu einer Komplettrestaurierung, trägt seine Patina mit Stolz und hat nun eben ein bisschen Schluckauf im luftgekühlten Heckmotor.
Bei dem T2 mit Resten eines Westfalia-Wohnausbaus und Hubdach ist nur von außen viel vertrautes zu erblicken. Wer ihm genauer unters Blech schaut, entdeckt erstaunliche Dinge. Zum Beispiel den massiven Unterfahrschutz oder das nach oben durch die Stoßstange verlegte Auspuff-Endrohr. Oder die für den nachgerüsteten Vorderradantrieb speziell angefertigten Achsschenkel.
Und im Innenraum dann das ganz große Kino: Zusatzhebel, Zusatzinstrumente, ein fröhliches Durcheinander inklusive Warn- und Hinweisschildern. Die gilt es durchaus zu beachten, zum Beispiel bei der Getriebe-Bedienung. Denn im Prototypen kommt eine kuriose Antriebsmischung zum Einsatz, das Viergang-Schaltgetriebe, kombiniert mit dem Wandler aus dem damaligen Dreigang-Halbautomatik-Käfer, kombiniert mit einer per Fuß betätigten Trennkupplung. Und die, warnt auch ein Schild, darf man keinesfalls wie bei Schaltfahrzeugen üblich schleifen lassen, sonst ist sie hin. Nur beim Schalten schnell, fest und ohne zögern reintreten und sofort wieder loslassen, den Rest erledigt der Wandler.
Mit Wandler aus dem Halbautomatik-Käfer
Diese sonderbare Konstruktion führt dazu, dass der T2 selbst bei Mopsgeschwindigkeit und drehzahlbedingt allenfalls 30 von angeblich maximal 70 PS einfach so im Sand von dannen fährt. Mehr noch: Die Wandler-verschliffene Fortbewegung, die mit einigem Anlauf tatsächlich eine für Geländebetrieb akzeptable Reisegeschwindigkeit erreicht, nimmt dem Antrieb jede Tendenz, sich bei einem Lastwechsel im Sand festzufahren. Der Methusalem fährt einfach vor sich hin, Hügel rauf, Hügel runter, weicher Sand, alles egal, ganz ohne Krawall und Anlauf. Und das überraschendste Erlebnis bei alledem ist der überragende Federungskomfort im Gelände, selbst unter heutigen Maßstäben. Damals in den 1970ern, als Geländewagen noch mit fetten Blattfederpaketen an ihren Starrachsen über Stock und Stein sprangen, muss das eine unglaubliche Erfahrung gewesen sein.
Was für ein Zeitsprung ist es dagegen, in den modernen T6 umzusteigen, mit all seiner luxuriösen Großserien-Perfektheit und dem bärenstarken Turbodiesel unter der Haube. 450 Newtonmeter Drehmoment fallen putzmunter über den automatisch steuernden Haldex-Allradantrieb her und lassen den ungleich größeren und schwereren Neuzeit-Bulli bei Bedarf wie einen Berserker durch das Sandgelände toben. Das liegt allerdings auch an den Zutaten, die Seikel dem T6 mit auf die Reise gibt: Eine stabile Höherlegung über ein spezielles Geländefahrwerk, große Offroad-Reifen, Schutzplatten unter dem Fahrzeug. Damit geht mehr als mit manchem modernen SUV und vor allem genug, um auch auf Fernreisen keine Angst vor schlechten Wegen haben zu müssen.
Und im Gegensatz zum unverkäuflichen T2-Museumsstück kann man die Offroad-Zutaten des modernen Allrad- Bus einfach so bei Seikel einbauen lassen, um nicht nur in Gedanken auf Abenteuerreisen gehen zu können. Dennoch bleibt jedem gelände-affinen Bulli-Fan vor allem ein Dank an die Beharrlichkeit der Ingenieure Mayer und Duckstein, die vor fast 50 Jahren gegen die Vorgaben der Konzernleitung mit dem multifunktionalen Allrad-Kasten ein Erfolgskonzept erfanden, das bis heute vergleichsweise konkurrenzlos im Markt steht.
Fazit
Anfang der 1970er Jahre begann unter Leitung des VW-Nutzfahrzeug-Chefentwicklers Gustav Mayer die Arbeit am allradgetriebenen VW T2. Das letzte Exemplar der entstandenen Prototypen, heute ein Museumsstück, kann immer noch mit seiner außergewöhnlichen Technik begeistern, obwohl der Siegeszug dieser Technik erst mit dem T3 Syncro in der Serienfertigung begann. Der Vergleich mit dem modernen T6 verbietet sich eigentlich, obwohl der – speziell mit den Offroad-Modifikationen der Firma Seikel – ein ganz eigenes Abenteuer-Aroma verbreitet.