Bei Alpine ist mal wieder Feuer unterm Dach. Weil schon in der Vorsaison die Ziele nicht erreicht wurden, trennte man sich kurz nach der Sommerpause von Teamchef Otmar Szafnauer und Sport-Direktor Alan Permane. Eine echte Wende war danach aber nicht zu erkennen. Am Ende des Jahres landete man deutlich abgeschlagen hinter den Top-Teams im grauen Mittelfeld der Teamwertung auf Rang sechs.
Bruno Famin wurde zunächst als Interims-Teamchef eingesetzt. Mittlerweile darf der Franzose den Interims-Zusatz streichen. Doch bei der Halbwertszeit der letzten Führungskräfte in Enstone, weiß auch Famin, dass seine Position schnell in Gefahr gerät, wenn die Ergebnisse nicht stimmen. Das Werksteam hat den Anspruch, mittelfristig um Siege und Titel zu fahren.
Vom mittlerweile gefeuerten Ex-Alpine-Chef Laurent Rossi wurde 2021 mal ein 100-Rennen-Plan ausgegeben. In diesem Zeitraum sollte das Team darauf vorbereitet werden, im WM-Kampf ganz oben mitzumischen. Doch diese Zielvorgabe gibt es längst nicht mehr. Schon Szafnauer hatte Renault-Geschäftsführer Luca de Meo um Geduld gebeten. Doch davon wollte der ungeduldigen Konzernlenker nichts hören und gab das Zepter an Famin weiter, der zügigere Fortschritte versprach.
Alpine im hinteren Mittelfeld
Doch davon war bei der Medienrunde am Rande der Bahrain-Tests nichts zu hören: "Wir wollen kein konkretes Ziel ausgeben, was die Position in der Teamwertung oder die Anzahl der Podiumsplätze angeht", erklärte Famin. "Wichtig ist, dieses Jahr für eine neue Dynamik im Team zu sorgen. Wir müssen die Kultur ändern, um schneller, kreativer und effizienter zu werden. In allen Abteilungen muss jeder Mitarbeiter die volle Leistung zeigen. Dafür müssen wir ihnen die richtigen Werkzeuge geben."
Was die Performance des Einsatzteams an der Strecke angeht, konnten laut Famin im letzten Drittel der Vorsaison schon Fortschritte erzielt werden. "Das müssen wir jetzt auch auf alle anderen Abteilungen übertragen. Es ist natürlich einfacher, die 80 Leute hier auf eine Linie zu bringen als 900 Mitarbeiter in der Fabrik. Da sind vor allem die Manager gefragt. Es ist ein langer Prozess, bei dem man nicht einfach einen Schalter umlegt."
Während Famin schon in die ferne Zukunft blickt, interessiert die Fans natürlich zuerst der sportliche Ausblick auf die nächste Saison. Und da war in Bahrain wenig zu erkennen, was Hoffnung macht. Statt die Lücke zu den Top-Teams zu verkleinern, scheint das Werksteam eher noch weiter nach hinten gerutscht zu sein. Viele Experten sehen den A524 sogar als das schwächste Auto im Feld. Weder bei Dauerläufen noch bei kürzeren Runs konnte das neue Modell überzeugen.
Übergewicht nach Crashtest-Problemen?
Famin sieht sein Team irgendwo im Mittelfeld. Der Ingenieur gibt aber zu: "Das Mittelfeld ist groß. Es gibt keine kleinen Teams mehr. Mit den stabilen Regeln schiebt sich das ganze Feld immer kompakter zusammen. Wir müssen um jedes Tausendstel kämpfen – noch mehr als letztes Jahr. Unser Ziel lautet natürlich, so schnell wie möglich wieder mit den großen Teams zu fighten."
In der Entwicklungsphase des neuen Autos ist aber offenbar nicht alles nach Plan gelaufen. Auf Nachfrage von auto motor und sport muss das Oberhaupt eingestehen, dass der A524 bei den FIA-Crashtests mehrere Anläufe brauchte. Ein Drama sieht Famin hier aber nicht: "Alle Teams haben komplett neue Autos für 2024 gebaut. Natürlich haben auch wir versucht, ans Limit zu gehen. Ein paar Crashtests wurden nicht im ersten Anlauf bestanden. Da waren wir aber nicht die Einzigen. Wenn man beim ersten Anlauf direkt durchkommt, war man vielleicht etwas zu vorsichtig."
Als Konsequenz von verpatzten Crashtests müssen Komponenten wie die Nase oder das Monocoque normalerweise strukturell verstärkt werden. Das wirkt sich natürlich negativ auf das Gewicht aus. Im Fahrerlager kursierten Gerüchte, dass der A524 ein paar Pfunde zu viel mitschleppt, was Famin weder bestätigen noch dementieren wollte: "Das Gewicht ist immer ein Faktor. Wenn man zu viel wiegt, muss man abspecken. Wenn man unter dem Limit liegt, muss man den Ballast so verteilen, dass es der Balance hilft."
Frust bei den Fahrern
Wie akut das Thema ist, sieht man auch am äußeren Look des neuen Autos. Kein Modell zeigt so viel nacktes Carbon wie der Alpine A524. Weil die Verantwortlichen selbst bemerkten, wie traurig der schwarze Renner auf der Strecke wirkt, entschied man sich zum dritten Testtag in den sauren Apfel zu beißen und wenigstens an der Nase etwas mehr blaue Farbe aufzutragen.
Die schlechte Performance schlägt natürlich auf die Stimmung des gesamten Teams. Wie man hört, sind die ersten Ingenieure schon auf dem Absprung. Auch die beiden Fahrer, deren Verträge am Ende des Jahres auslaufen, sollen sich bereits nach Alternativen umgehört haben. Famin dagegen würde gerne mit Esteban Ocon und Pierre Gasly verlängern.
Für Gasly wäre es eine echte Ohrfeige, wenn ihm sein altes Team Toro Rosso dieses Jahr vor der Nase herumfährt. Der Franzose macht kein Geheimnis aus seinen bescheidenen Erwartungen für den Saisonstart: "Ich erwarte, dass es noch etwas Zeit braucht, bis wir das komplette Potenzial aus dem Auto holen. Es wird kein leichter Start für uns. Das Wichtigste für uns ist, die Schwächen zu identifizieren, damit wir lernen und uns verbessern können."