McLaren hat im Wettstreit mit Alpine den Fall Piastri klar gewonnen. Auf der Rennstrecke aber kippt das Duell gerade Richtung Alpine. Die Franzosen haben in den letzten fünf Rennen 30 Punkte auf McLaren gutgemacht und fahren mit einem Polster von 24 Zählern nach Monza. Das ist in diesem Bereich, in dem zweistellige Punktzuwächse wie ein Sieg zählen, eine echte Hausnummer.
McLaren kann nicht mehr von dem Punktepolster zehren, das man sich bis zum GP Monaco angelegt hatte. Das liegt trotz zwei großer Upgrades in der Zwischenzeit am Auto und an der Fahrerpaarung. Fernando Alonso und Esteban haben 23 Mal gepunktet – neun Mal davon doppelt.
Bei McLaren gab es 16 Mal Bewegung auf dem Punktekonto, davon nur fünf Mal im Doppelpack. Nur Lando Norris fährt auf dem Niveau der Alpine-Piloten. Bei Daniel Ricciardo hat man das Gefühl, dass nach der Kündigung endgültig die Luft raus ist.
Zandvoort sprach für McLaren
McLaren wollte in Zandvoort den Lauf des WM-Gegners stoppen. Der Kurs in den Dünen liegt dem MCL36 besser als zuvor die Strecke von Spa, wo alle schlechten Eigenschaften des Autos herausgekehrt wurden. Hoher Luftwiderstand, schlechte Traktion, schwacher Top-Speed, hoher Reifenverschleiß. "Die Qualifikation lief nur deshalb besser, weil es kühl war. Da zündet unser Auto schnell die Reifen an. Dafür überfordern wir sie, wenn es warm wird", hakte Teamchef Andreas Seidl das Thema Spa ab.
Zandvoort hatte all das nicht. Keine Geraden, nur eine Stelle, an der die Traktion zählt und moderate Asphalttemperaturen. Mit viel Abtrieb fühlt sich der McLaren wohl. Prompt qualifizierte sich Lando Norris in der Nähe der Mercedes. Daniel Ricciardo geriet im Q1 wie Sebastian Vettel in der vorletzten Kurve auf Kies, den zuvor Lance Stroll auf der Strecke deponiert hatte. Der 17. Startplatz des Australiers war aber noch verschmerzbar, weil beide Alpine-Piloten im Q2 hängen blieben.
Flexibler in der Strategie
Doch im Spiel eins gegen zwei zog Norris am Ende den Kürzeren. Alpine splittete seine Taktik, holte Alonso früh zum ersten Boxenstopp und den besser gestarteten Ocon spät. Der harte Reifen als Langlauf-Option im zweiten Stint war von Freitag an Teil der Planung. Da hatten die Alpine-Ingenieure ihre Hausaufgaben genauso gut erledigt wie Mercedes.
Im Gegensatz zu Norris hatten die Franzosen für das Rennen auch noch frische weiche Reifen im Depot. Alonso sogar zwei Garnituren. Das verschaffte Alpine mehr Flexibilität. Alonso bekam in der VSC-Phase seinen zweiten Satz Soft-Reifen. Der hielt bis zum Ende, was ihm beim richtigen Safety-Car den Luxus verschaffte auf der Strecke bleiben zu können.
Da wurde Ocon dann an die Boxen geholt. Norris musste wie der Franzose zum Reifenservice. "Wären wir auf den alten Reifen draußen geblieben, wäre Lando von denen aufgefressen worden, die frischere Reifen hatten als er", bedauerte Seidl. Damit war aber auch der Platz an Alonso weg.
Red Bull light
Die bessere Strategie haben ist eine Sache. Man muss auch über das Auto und die Fahrer verfügen, die das umsetzen. Der Alpine A522 ist mittlerweile so ein Auto. Bis auf den GP Monaco gab es jedes Rennen ein Upgrade. Klein aber fein. Die Entwicklungsstufen schlagen zuverlässig an. Alpine hat sich gegenüber McLaren etwas Luft verschafft und kommt dem Spitzentrio in Mini-Schritten näher. Alonso hätte in den letzten zwölf Runden fast noch Sergio Perez überholt.
Der A522 ist ein echter Allrounder geworden. Er hat im Gegensatz zum McLaren keine ausgewiesenen Schwächen. Bouncing war nie ein großes Thema. Deshalb mussten die Ingenieure auch keine Zugeständnisse beim Setup machen. Ocon lobte nach dem Rennen in Spa: "Das war der beste Alpine, den ich je gefahren bin." Ein Red Bull light gewissermaßen. Mit drei Defekten in 15 Rennen sind die blauen Autos auch technisch eine sichere Bank geworden.