Spät aber doch: Aston Martin ist aufgewacht. Lange nach der B-Version, die in Barcelona debütierte, und lange nach der B-Version von der B-Version, die seit Silverstone am Start steht. Trotzdem hat es in 16 Rennen nur für 25 Punkte gereicht. Drei weitere Grand Prix später steht das Konto bei 51 Zählern. Wenn der Protest von Haas gegen Fernando Alonsos spiegellosen Alpine standhält. Und selbst wenn Alpines Einspruch am Donnerstag Erfolg haben sollte, gilt trotzdem: Aston Martin hat in drei Rennen so viele Punkte geholt wie im Rest der Saison.
Der Höhenflug der grünen Autos hat mehrere Gründe. Die Ingenieure verstehen den AMR22B immer besser und können unter mehr Setup-Optionen wählen als vorher. Bei der Reifenabnutzung zählte der Aston Martin von Anfang an zu den besten Autos im Feld. Oft stellte man sich mit schlechten Startplätzen selbst ein Bein, weil man zu lange im Feld feststeckte, um den Reifenvorteil zu nutzen. Der Top-Speed ist wie beim Mercedes nicht gerade das Sahnestück des Autos.
Inzwischen hat das Team gelernt, den Aston Martin auch für eine Runde fitzumachen. Es ist aber weiter ein Ritt auf der Rasierklinge. Zuletzt war es immer so, dass ein Fahrer ins Q3 kam und der andere im Q1 hängenblieb. "Wenn wir weiterkommen wollen, muss jede Kurve passen. Es ist nicht immer einfach, alles in einer Runde zusammenzubringen", erzählt Sebastian Vettel. Auf zwei der drei letzten Rennstrecken wurde mit maximalem Abtrieb gefahren. Das liegt dem Auto mehr als Strecken, auf denen Effizienz gefordert ist.
Aston mit altem Eisen
Ein weiterer Punkt ist, dass Aston Martin bis jetzt von Motorstrafen verschont blieb. Mercedes-Kunde Aston Martin steht sogar besser da als das Werksteam. Sebastian Vettel und Lance Stroll sind noch mit allen sechs Antriebselementen im grünen Bereich.
Das führt allerdings auch dazu, dass jetzt nur noch alte Eisen im Pool sind, die nicht so viel Leistung haben wie die jüngeren Exemplare der Konkurrenz. Angeblich soll es Teambesitzer Lawrence Stroll ablehnen für den freiwilligen Einsatz eines vierten Motors zu bezahlen.
Aston Martin punktet auch bei der Strategie. In Singapur brachte ein später Wechsel von Intermediates auf Slicks Lance Stroll auf den sechsten Platz. In Suzuka pokerte Vettel mit dem frühestmöglichen Wechsel von Regenreifen auf Intermediates. Er kam mit dem Safety-Car in die Box. Auch das war der sechste Platz. In Austin spielte die Vorbereitung die Hauptrolle für das gute Abschneiden.
Anweisung: Reifen schonen!
Wegen der Motorstrafen der Konkurrenz starteten Stroll und Vettel von den Plätzen fünf und zehn und lagen damit schon mal in den Punkterängen. Beide Fahrer hatten strikte Anweisung die Reifen zu schonen, nicht über die Reifen zu klagen, um sich mental nicht negativ aufzuladen und jedem Zweikampf aus dem Weg zu gehen.
"Wir haben ihnen eingetrichtert, dass sie Perez und Leclerc ohne Gegenwehr vorbeilassen sollen. Die können wir sowieso nicht halten", erklärte Teammanager Andy Stevenson. Erst für die zweite Rennhälfte gab es Entwarnung. Mit weniger Sprit im Tank und mehr Gummi auf der Bahn hielten auch die Reifen länger.
In der ersten Safety-Car-Phase sah es mit den Plätzen sechs und sieben für Vettel und Stroll nach einem richtig großen Punktesegen aus, der das Team schon jetzt an Alfa Romeo vorbei auf Platz sechs gebracht hätte. Doch dann schlug bei Stroll der Blitz ein.
Fernando Alonsos Auffahrunfall beendete das Rennen des Kanadiers, der meinte, dass der Crash im Fernsehen schlimmer ausgesehen hätte als aus der Cockpitperspektive. Aston Martin muss jedenfalls nicht um den Kostendeckel fürchten. "Wir haben alle Teile für die letzten vier Rennen schon gebaut, und die werden trotz des Unfalls reichen", erklärte Stevenson.
Vettel jubelt auf dem Zielstrich
20 Runden später wurde auch der zweite Aston Martin um den verdienten Lohn gebracht. Ein 16,8-Sekunden-Boxenstopp warf Vettel kurzfristig aus den Punkterängen. Doch der Austin-Sieger von 2013 korrigierte das Resultat in den letzten 15 Runden noch deutlich. Vettel überholte Tsunoda, Zhou, Albon und Magnussen und kämpfte sich auf den achten Platz vor. Die harten Reifen ließen sich trotz der vielen Zweikämpfe nichts anmerken.
Es ist ein alter Trick des Teams, sich für das Rennen nur gebrauchte Sätze aufzuheben. Die bieten in den ersten zwei Runden nicht so viel Grip, sind aber nach Meinung des Reifengurus im Team auf die Dauer robuster.
Vettel, der kurz vor seiner Rente noch einmal richtig aufblüht, war nach dem finalen Überholmanöver gegen Kevin Magnussen so mit Adrenalin aufgepumpt, dass er auf den Zielstrich einen Jubelschrei loswurde und in der Auslaufrunde am Funk das Team motivierte, als wolle er noch zwei Saisons dranhängen.
Später hatte er sich wieder beruhigt: "Mehr als der sechste Platz wäre nicht drin gewesen. Es hat mich aber überrascht, wie nah wir an der Spitze dranbleiben konnten. Das Auto ging wie eine Rakete." Das hat Vettel sogar zwei Führungsrunden eingebracht. Ist seit der Ferrari-Zeit nicht mehr so oft passiert. Dem Statistiker Vettel hat es trotzdem gefallen.