Noch ist Sauber nicht Audi. Die 100-prozentige Übernahme erfolgt erst am 1. Januar 2025. Dann wird das Team aber immer noch ein Jahr unter dem Banner von Sauber fahren, denn im Heck des Autos schlägt eine letzte Saison lang das Herz eines Ferrari-Motors, und das ließe sich mit dem Namen Audi in der Nennliste schlecht vereinbaren.
Für Audi ist die Formel 1 bei aller Motorsport-Tradition des Hauses Neuland. Der Vorstandsvorsitzende Gernot Döllner nennt die Premiere der vier Ringe in der höchsten Spielklasse des Motorsports einen "Perfect Fit". Soll heißen: Hier haben sich zwei Premium-Produkte gefunden.
Döllner zeigt auch gleich Flagge: "Audi hat in seiner Motorsport-Historie immer den Vorsprung durch Technik gesucht. Das werden wir auch in der Formel 1 so halten." So darf man sich fragen, was nach Allradantrieb in der Rallye und Diesel-Motor in Le Mans diesmal kommt. Audis neuer Formel 1-Chef Mattia Binotto tut geheimnisvoll: "Ich habe beim Audi-Motor innovative Lösungen gesehen, die kein anderer hat." Manche tippen auf eine desmodromische Ventilsteuerung. Wie Ducati in der MotoGP.
Audi zog die Notbremse
Obwohl die Motorabteilung in Neuburg voll im Zeitplan liegt und bislang alle Entwicklungsziele erreicht hat, lief der Start in Audi größtes Motorsport-Abenteuer eher schleppend an. Es dauerte viel zu lange, bis sich Audi hundertprozentig zu dem Projekt bekannt hat und damit alle Ausstiegsgerüchte verstummt sind. In der Zeit der Ungewissheit wurden Investitionen in die Infrastruktur nur zögerlich bewilligt, und es war schwer neue Leute in die Schweiz zu locken. Dieser Zeit läuft man jetzt hinterher.
Als Audi endlich grünes Licht gab, lähmte ein Machtkampf zwischen Projektleiter Andreas Seidl und seinem Aufpasser Oliver Hoffmann den Aufbau des Teams. Wieder verstrich ein halbes Jahr. Im August zog der Vorstand in Ingolstadt die Notbremse und installierte mit Mattia Binotto und Jonathan Wheatley zwei Schwergewichte für den Auftritt in der Champions League. Teamchef Wheatley wird seine Arbeit im Juli 2025 aufnehmen.
Auch Vorstandschef Döllner ist jetzt mit im Boot: "Ich werde mich persönlich in dem Formel-1-Projekt engagieren." Er war es auch, der Nico Hülkenberg über die jüngsten Personalrochaden persönlich ins Bild setzte.
Audi relativiert Erfolgsaussichten
Binotto bringt fast 30 Jahre Erfahrung mit. Er weiß von seiner Zeit bei Ferrari, wie schwer es selbst für etablierte Teams ist, auf die Erfolgsstraße zu finden. "Solche Zyklen dauern immer fünf Jahre." Nach zwei Wochen Bestandsaufnahme räumt Binotto ein: "Es ist die größte Herausforderung meiner Karriere."
Gleichzeitig gibt der 54-jährige Italiener zu, dass es nach dem Rennleiter-Posten bei Ferrari kaum noch eine Steigerung gibt und deshalb eigentlich nur Audi für ihn in Frage kam: "Sie haben eine große Motorsport-Vergangenheit. Es ist faszinierend, jetzt den letzten Schritt in die Formel 1 mitzugehen." Ein Schlüsselelement für Binotto ist, dass Audi den gleichen Anspruch wie sein früherer Arbeitgeber hat. Chassis und Motor kommen aus einer Hand. "Das macht den Reiz der Aufgabe aus."
Trotz aller Hürden, die noch übersprungen werden müssen, gibt sich Binotto zuversichtlich: "Ich bin überzeugt von dem Projekt, von den Leuten, den Werkzeugen und der Unterstützung der Marke. Deshalb habe ich innerhalb von zwei Tagen nach dem Angebot unterschrieben" Die zu Beginn mutigen Ansagen über die Erfolgsaussichten wurden nach einer Neubewertung der Lage deutlich zurückgenommen. Döllner spricht jetzt unverbindlich von "mehreren Jahren" bis zur Siegfähigkeit des Pakets.
Die drei Baustellen
Vorher muss Audi erst einmal auf den drei größten Baustellen aufräumen. Das Team muss noch um rund 300 Mitarbeiter wachsen. Die muss man erst einmal finden. Vor allem aus dem Ausland. "Der Standort macht es nicht leicht", gibt Binotto zu. Sein Köder ist deshalb ein anderer: "Die Glaubwürdigkeit des Projekts."
Beim Abwerben von Spezialisten aus England steht Audi im Wettbewerb mit Aston Martin, Alpine, Williams und Haas, die ihre Teams ebenfalls sanieren und ausbauen wollen. Alle haben ihren Sitz in England. Das Beispiel Haas zeigt, dass man nicht immer Leute aus der ersten Reihe braucht, um ordentliche Ergebnisse abzuliefern. Audi wird deshalb auch verstärkt auf junge Ingenieure setzen, die man selbst ausbildet.
Auch kurzfristig gibt es viel zu tun. Audi sucht noch einen zweiten Fahrer neben Nico Hülkenberg. Binotto spricht von einer langen Liste, die von Valtteri Bottas bis zu Sauber-Junior Theo Pourchaire reicht. Auch Namen wie Mick Schumacher, Gabriel Bortoleto, Felipe Drugovich oder Zane Maloney sind dabei. Der neue Audi-Capo will sich schon bald entscheiden, um Ruhe in das Team zu bringen. "Wir arbeiten zwar an einem Langzeit-Projekt, müssen beim Fahrer aber entscheiden, was kurzfristig für uns die beste Wahl ist."
Das erste Gebot jedoch heißt: Weg vom letzten Platz. "Wir können den aktuellen Zustand nicht akzeptieren und am Ende des Feldes fahren. Ein Team, das einmal gewinnen will, muss jetzt schon seine Muskeln stärken. Deshalb brauchen wir Sofortmaßnahmen, um das zu ändern." Das ist auch eine Warnung an das Technikbüro. Keines der Upgrades in diesem Jahr hat eine Besserung gebracht. Da wird sich auch Technikchef James Key verantworten müssen.