Für Red-Bull-Teamchef Christian Horner ist es "Business as usual". Doch das ist gelinde gesagt eine Untertreibung. Nichts ist dieser Tage normal bei Red Bull mit Ausnahme der Erkenntnis, dass dem Konstruktionsteam um Adrian Newey und Pierre Waché wieder einmal das schnellste Auto im Feld gelungen ist.
Doch die Turbulenzen um den Teamchef beginnen immer mehr, an den Nerven aller Beteiligten zu zehren. Es geht im weitesten Sinne um unangemessenes Verhalten. Was Horner im Detail wirklich vorgeworfen wird, steht in regelmäßigen Abständen in der niederländischen Tageszeitung "De Telegraaf". Wir werden es nicht wiederholen, weil es justiziabel sein könnte, wenn man Dinge behauptet, die man nicht beweisen kann.
Akte schließen geht nicht
Es ist im Endeffekt auch egal. Fakt ist, dass sich Horner vor zwei Wochen einer Befragung durch ein unabhängiges Gremium stellen musste. Die nahm dem Vernehmen nach acht Stunden in Anspruch. Wenn es sich nur um eine Lappalie handelt, wie Horner das Thema gerne herunterspielt, dann hätte die Untersuchung wohl eher eine Stunde und nicht einen ganzen Tag gedauert.
Obwohl sich verschiedene Parteien auf den 50-jährigen Engländer einschießen, geht er weiter seinen Amtsgeschäften nach, als wäre nichts geschehen. Er würde gerne die Akte schließen, wird aber zwangsläufig immer wieder mit Fragen zu dem Thema bombardiert. Natürlich auch bei den Testfahrten in Bahrain.
Horner redet sich wie erwartet darauf hinaus, dass er zu einem schwebenden Verfahren nichts sagen kann. Doch die Geschichte holt das Team immer wieder ein. Kommende Woche beim Auftakt-Grand-Prix werden die gleichen Fragen erneut gestellt werden, und Horner wird die gleiche Antwort wiedergeben. Aussitzen ist nicht möglich. Das Übel verschwindet nicht einfach wie ein Sonnenbrand.
Aufklärung ohne Zweifel
Wenn der Beschuldigte das Thema totschweigt, geben andere aus der Formel-1-Gemeinde ihren Kommentar dazu ab. Mercedes-Teamchef Toto Wolff fürchtet einen dauerhaften Schaden für den Sport, wenn es nicht bald eine Lösung gibt: "Die Formel 1 und ihre Teams stehen für Inklusion, Diversität, Fairness und Gleichbehandlung. Als internationaler Sport haben wir eine Vorbild-Funktion. Wir wollen über Rennautos sprechen und nicht über gesellschaftskritische Themen, die nur ein einziges Team betreffen."
McLaren-Kollege Zak Brown fordert ebenfalls eine rasche Aufklärung: "Da stehen ernsthafte Vorwürfe im Raum. Wir hoffen, dass der Vorfall schnell und transparent aufgeklärt wird. Es dürfen keine Zweifel zurückbleiben, egal wie die Sache ausgeht."
Die österreichische Fraktion von Red Bull ist mit der ungelösten Affäre nicht glücklich, weil mit jeder neuen Episode in den Medien das Image des Konzerns weiter Schaden nimmt. Deshalb drängt nicht nur die europäische Sparte des Energy-Drink-Herstellers auf eine schnelle Lösung. Auch der neue Motorenpartner Ford und Formel-1-Rechteinhaber Liberty wollen das Thema lieber heute als morgen vom Tisch haben. In den USA sind hochrangige Mitarbeiter schon für weniger entlassen worden.
Noch hat Christian Horner Rückendeckung von den thailändischen Mehrheitseignern. Solange sie ihre schützende Hand über den Teamchef halten, kann Horner nur kaltgestellt werden, wenn der Fall strafrechtliche Relevanz bekommt. Andernfalls ist die Zentrale in Salzburg aufgrund ihrer Rechtsform weisungsgebunden.