Immer noch diskutieren viele Fans in den sozialen Netzwerken darüber, wie es passieren konnte, dass George Russell nach dem Rennen in Spa das Gewichtslimit unterschritten hat. Direkt nach dem Ergebnis der technischen Abnahme wollte Mercedes-Teamchef Toto Wolff noch nicht über mögliche Gründe spekulieren. Und auch drei Tage später hat Chefingenieur Andrew Shovlin im Debrief-Video auf YouTube noch keine abschließende Antwort parat.
"Wir versuchen immer noch zu verstehen, was da genau passiert ist. Dabei geht es uns vor allem darum, zu ermitteln, was all die unterschiedlichen Komponenten wiegen", erklärt der Techniker. "Ein Auto kann während des Rennens ordentlich Gewicht verlieren. Es gibt Verschleiß an den Reifen, an der Planke, an den Bremsen und Ölverbrauch. Auch der Fahrer selbst kann viel Gewicht verlieren, und George hat in diesem Fall auch viel verloren."
Ganz einfach nachzuvollziehen scheint das Problem nicht zu sein. Neben Russell waren auch noch Fernando Alonso, Lance Stroll, Kevin Magnussen und Yuki Tsunoda auf einer Einstopp-Strategie unterwegs. Sie kamen zwar einen Tick später als Russell zum einzigen Service, was sich aber nicht dramatisch auf das Reifengewicht ausgewirkt haben sollte. Möglicherweise hat Mercedes einfach zu wenig Puffer eingeplant.
Beide Autos starten gleich schwer
Interessant ist auch, dass der zweite Mercedes von Lewis Hamilton den Test auf der Waage bestanden hat. Der einzige Unterschied der beiden Autos lag im 16 Runden längeren Schlussstint von Russell. "Beide Autos standen mit dem gleichen Gewicht am Start", verrät Shovlin. "Lewis und George wurden nach dem Qualifying gewogen und die Autos lagen innerhalb von 500 Gramm."
Nun versucht Mercedes die Faktoren zu finden, die Russell am Ende zum Verhängnis wurden: "Das Auto von George war das einzige, das dieses Problem hatte, was unter anderem daran lag, dass sein Reifenverschleiß viel höher war. Es sieht außerdem danach aus, als hätten wir hier mehr Material von der Planke verloren."
Die sogenannte Planke, die den Unterboden beim Aufsetzen auf dem Asphalt gegen Beschädigungen schützt, wurde 1994 in Spa schon Michael Schumacher zum Verhängnis. Der siebenfache Weltmeister wurde disqualifiziert, weil sich die Planke damals zu stark abgenutzt hatte. Damals bestand das Bauteil noch aus Holz. Heute wird ein Kunststoff verwendet.
Eau Rouge wetzt die Planke ab
In Spa wird die Planke immer besonders stark abgescheuert, weil die Autos in der Passage von Eau Rouge und Raidillon immer auf den Untergrund durchschlagen. Die Senke gepaart mit hohen Geschwindigkeiten und einem Richtungswechsel sorgen für extreme Fliehkräfte in alle Richtungen. Wer hier zu sehr ans Limit geht, dem droht eine Disqualifikation. Mit einer zu dünnen Planke wurden zuletzt Lewis Hamilton und Charles Leclerc 2023 in Austin aus der Wertung genommen.
In Spa war es aber das Mindestgewicht und nicht die Dicke der Planke, die von den FIA-Prüfern um Jo Bauer bemängelt wurde. Die Frage lautet auch: Warum war die Planke bei Russell stärker abgewetzt als bei Hamilton? "Wir werden alle Daten sammeln und analysieren, wie wir unsere Prozesse verbessern können", versprach Shovlin. "Wir wollen natürlich nicht, dass so etwas in der Zukunft noch einmal passiert."
Einen großen Vorteil hatte sich Russell übrigens nicht durch das Mindergewicht: "Am Start waren beide Autos ja noch gleich schwer", erklärt der Chefingenieur. "Im Laufe des Rennens hat das Auto von George dann offensichtlich schneller an Gewicht verloren als das von Lewis. Damit ist ein kleiner Vorteil verbunden. Aber hier sprechen wir höchstens von Hundertsteln. Ein oder zwei Kilos summieren sich nicht auf viel Rundenzeit."