Die Formel 1 verkauft das neue Sprintformat als eine deutliche Produktaufwertung. Es soll an jedem Tag Action bieten, das Geschehen auf der Strecke weniger berechenbar machen und den Teams ein paar Fallen stellen, was schon immer ein guter Nährboden für Überraschungen war.
Für die Strategen ist das neue Format mit dem isolierten Sprint-Event am Samstag eine lösbare Aufgabe. Für die Ingenieure dagegen brechen härtere Zeiten an. Sie müssen sich an den sechs Sprint-Wochenenden mit weniger Daten und weniger Testläufen begnügen. Und Ingenieure ohne Daten sind wie Fische ohne Wasser.
Nur noch halbe Vorbereitungszeit
Ein besonderes Problem ergibt sich immer dann, wenn ein Team ein größeres Upgrade geplant hat, das ausgerechnet auf ein Sprint-Event fällt. Nach dem alten Format hatten die Teams immerhin zwei Mal 60 Minuten Zeit, neue Teile zu testen und zu bewerten. Das hat bei größeren Entwicklungsstufen auch Vergleichsfahrten zwischen neu und alt beinhaltet.
Seit dem FIA-Beschluss Mitte der Woche hat sich diese Zeit halbiert. Und da kann der Schuss mit einem großen Upgrade nach hinten losgehen. Wenn es nicht funktioniert, muss auf die alte Version zurückgebaut werden. Und zwar vor dem Q1, mit dem der Parc fermé beginnt. Das kostet Zeit, die dann für die anderen Programmpunkte fehlt, die in das erste Training gepackt werden müssen.
Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur ist froh, dass seine Ingenieure nur streckenspezifische Änderungen im Programm haben. "Wenn du in der einen Stunde das Setup finden musst, die Reifen verstehen willst, mit wenig und viel Sprit im Tank Daten sammeln und dich für das Rennen und die Qualifikation vorbereiten musst, wird es sehr anspruchsvoll, nebenher noch neue Teile zu testen und zu evaluieren."
Alpine und McLaren mit Risiko
Auch Mercedes und Red Bull haben nur kleinere Modifikationen dabei, die unkritisch sein sollten. Mercedes bringt neue Verkleidungen für die Querlenker der Vorderachse, Bremsbelüftungen und Heckflügelendplatten mit. Red Bull hat im Bereich Unterboden und Seitenkästen Adaptionen im Gepäck.
Aston Martin hat sein geplantes Upgrade für Baku gesplittet. Ein Teil davon wird erst eine Woche später in Miami debütieren. Es sind die Komponenten, die überall eine Verbesserung bringen sollen und nicht für die Strecke in Baku maßgeschneidert sind. "Ein Team wie Aston Martin, das vorne fährt, hat den Luxus, das zu tun", wirft Alfa Sauber-Sportdirektor Beat Zehnder ein. "Aber weiter hinten, wo es um jedes Zehntel geht, willst du das Zehntel auch haben, das dir die Daten versprechen."
Deshalb gehen Alpine und McLaren ins größtmögliche Risiko. Beide treten mit komplett neuen Unterböden an. Das Teil ist nach Aussage von McLaren-Teamchef Andrea Stella deshalb so heikel, weil es das Bouncing beeinflusst. "Und das lässt sich vorab im Windkanal und Simulator nicht hundertprozentig darstellen. Die Wahrheit erfährst du erst auf der Strecke."
Trotzdem gab es für McLaren nicht die Option, das Upgrade auf Miami zu verschieben. "In unserer Situation brauchst du Rundenzeit. Da greifst du nach jeder Gelegenheit. Die Daten versprechen einen Fortschritt. Deshalb haben wir zugegriffen", erklärt Stella. Alpine ist wahrscheinlich froh, dass sich ihre große Ausbaustufe auf drei Rennen verteilt. Wenn zum Unterboden auch noch neue Seitenkästen gekommen wären, wäre die Vorbereitung von einer Stunde möglicherweise zu knapp gewesen.