Das Autodromo Hermanos Rodriguez ist eine Rennstrecke, auf der man sich möglichst viel Trainingszeit wünscht. Auf 2.238 Metern über dem Meer werden alle Gesetze auf den Kopf gestellt. Alles reduziert sich um 20 Prozent. Der Abtrieb, der Luftwiderstand, die Kühlung. Dafür steigen die Geschwindigkeiten auf den Geraden und die Belastung für die Bremsen. Max Verstappen erzielte auf der 1,2 Kilometer langen Zielgerade bereits einen Top-Speed von 347,0 km/h.
Ausgerechnet bei den extremen Bedingungen in Mexico-Citys dünner Luft bat Pirelli zum zweiten Teil des Reifentestprogramms. Damit konnte man die 90 Minuten am Nachmittag vergessen. Die Zeittabelle der zweiten Sitzung ist schon deshalb irrelevant, weil die Fahrer, die in der Früh für Rookies pausieren mussten, im zweiten Teil 45 Minuten lang ein normales Training auf den aktuellen Reifentypen absolvieren durften.
Es ist deshalb kein Zufall, dass mit George Russell, Yuki Tsunoda und Esteban Ocon gleich drei Fahrer aus dieser Gruppe die Rangliste anführten. Und dass die Rundenzeiten um acht Zehntel schneller wurden. Der Zeitgewinn kam von mehr Gummi auf der Strecke. "Am Anfang fühlte es sich an wie auf Eis", erzählte Lokalheld Sergio Perez.
Soft-Reifen ein Minutenbrenner
Das eigentliche Vorbereitungsprogramm fand am Vormittag statt. Ebenfalls unter erschwerten Bedingungen. Im ersten Training war die Strecke noch grün und bot wenig Grip. So wenig, dass man auf harten Reifen 1,2 Sekunden auf die Medium-Sohlen verlor. Schnelle Runden waren nur auf den Soft-Gummis möglich, doch Pirellis Superkleber wird am Sonntag kaum zum Einsatz kommen. "Der hält nur vier Runden", winken Mercedes-Ingenieure ab.
Wenn die Rundenzeiten auf den Soft-Reifen über eine Runde der Maßstab wären, dann könnte es ein spannendes Rennen geben. Spitzenreiter Carlos Sainz trennen nur 0,142 Sekunden vom fünftplatzierten Lewis Hamilton. Fast alle aus diesem Club hatten eine gute Ausrede, warum es noch schneller gegangen wäre. Charles Leclerc brauchte zwei Runden, bis er die Reifen im Fenster hatte. Sergio Perez verlor die ersten Runde auf frischen Reifen im Verkehr.
Max Verstappen formte seine Reifen bei einem Highspeed-Dreher eckig und schaffte trotzdem noch die viertschnellste Zeit. Lewis Hamilton musste bis 13 Minuten vor Schluss warten, bevor sein Mercedes endlich fahrtüchtig war. Davor stand er wegen Kühlproblemen lange in der Garage. Die sind inzwischen gelöst. Mercedes war bei der Berechnung der Kühlung etwas zu optimistisch.
Braucht Sainz einen neuen Motor?
Obwohl die schnelle Runde auf den Soft-Reifen noch keine große Aussagekraft hat, war man im Lager von Red Bull, Ferrari und Mercedes zufrieden. "Wir sind bei der Musik, auf eine Runde wie bei den Longruns", stellte Red-Bull-Sportdirektor Helmut Marko fest. Der Honda-Vorteil der Vergangenheit sei allerdings geschwunden. "Das haben wir schon im letzten Jahr gesehen."
Auch Ferrari war mit seiner Leistung zufrieden. Man wähnt sich auf einem Niveau mit den beiden Hauptkonkurrenten. Für Charles Leclerc lief der erste Tag nicht rund. Am Morgen beklagte der WM-Zweite einen Reifenschaden, der ihn eine Zeitlang in den Boxen festhielt, weil Ferrari sicherstellen wollte, dass er nicht von den Kerbs herrührte. Am Nachmittag feuerte Leclerc sein Auto in Kurve 10 rückwärts in die Tecpro-Barriere. Zum Glück war nur ein Freitagsgetriebe im Auto.
Bei Carlos Sainz steht noch die Frage an, ob bei ihm am Samstag der Motor getauscht werden soll. Nach zwei Nullrunden in Folge hat der Spanier keine große Lust dazu. Für Kevin Magnussen, Yuki Tsunoda und Esteban Ocon ist es dagegen schon Gewissheit. Ocon und Tsunoda bekamen in der Mittagspause alte Antriebseinheiten aus dem Pool eingebaut, womit sie eine Strafe umgehen. Magnussen erwartet eine Startplatzstrafe (+5). Auch Sainz müsste zurück, wenn die sechste Antriebseinheit eingebaut wird.
Mercedes hat sich in Mexiko in starker Form erwartet und wurde nicht enttäuscht. "Das war unser bester Freitag in diesem Jahr", jubelte Russell und setzte sich hohe Ziele: "Ein Podium sollte hier für uns drin liegen." Auch Hamilton versprühte Optimismus: "Je mehr wir das Auto verstehen, desto besser fühlt es sich an." Marko urteilte aus der Ferne: "Ich fürchte, Mercedes könnte hier ein Gegner für uns werden."
Alfa Romeo vor McLaren
Das Mittelfeld lag erstaunlich nah an der Spitze. Die Topteams vermuten, dass man im zweiten Teil des Feldes die Motorleistung schon hochgedreht hatte. Fernando Alonso fehlten nur 0,192 Sekunden auf die Bestzeit, was erahnen lässt, dass Alpine wieder bei der Musik ist. Den Spanier beflügeln zwei Dinge: Alpines Einspruch gegen den Protest von Haas ging zu seinen Gunsten aus. Und in Mexiko bekommt Alonso das komplette Unterboden-Upgrade, das in den USA Ocon exklusiv zur Verfügung stand.
Valtteri Bottas zeigte mit vier Zehntel Rückstand auf die Sainz-Bestzeit im ersten Training, dass Alfa Romeo mit dem jüngsten Upgrade vom Speed her wieder ins vordere Mittelfeld gerutscht ist. Auch die Dauerläufe des Finnen waren zufriedenstellend. Die Schweizer müssen es nur mal im Rennen umsetzen. Ein Getriebeproblem im ersten Training und der Hydraulikschaden von Guanyu Zhou kurz vor Torschluss zeigten erneut, dass die Zuverlässigkeit der wunde Punkt des Rennstalls aus Hinwil ist.
Bottas war in seiner besten Runde sogar schneller als Lando Norris im McLaren. Pierre Gasly im Alpha Tauri und Sebastian Vettel im Aston Martin verloren noch jeweils zwei Zehntel mehr. Bei Aston Martin war man trotzdem zufrieden: "Wir haben unser Programm gut durchgebracht."
Weil Effizienz in Mexiko nicht die überragende Rolle spielt, sollte der Kurs wieder ein gutes Terrain für die grünen Autos sein. "Wir sind auf unseren üblichen Freitagspositionen. Ich hoffe, wir können noch am Setup etwas drehen, das uns weiterbringt", erzählte Vettel.
Mick Schumacher sieht noch Arbeit vor sich: "Ich bin noch nicht ganz mit dem Auto zufrieden. Es gibt aber noch ein paar Stellschrauben, an denen wir drehen können. Wenn ich wählen könnte, wäre Regen wohl besser für uns." Die gute Nachricht für den Deutschen. Er kommt mit seinen Motoren im Pool über die Saison und kassiert keine Strafe mehr.
In der Galerie zeigen wir noch einmal die Highlights des ersten Trainingstages.