F1 GP USA - Analyse Rennen: Haas-Protest mit Erfolg

F1 Rennanalyse GP USA
Proteste und Strafen in der Nachspielzeit

GP USA 2022

Das Rennen in Austin hatte jede Menge Dramatik und Action zu bieten. Nach der Zieldurchfahrt wurde im FIA-Büro direkt weitergekämpft. In der Rennanalyse verraten wir Ihnen, wie Max Verstappen trotz Boxenstopp-Patzer triumphierte und warum Haas gleich zwei Proteste einlegte.

Lance Stroll - GP USA 2022
Foto: Motorsport Images

Warum war Hamilton im Finale chancenlos?

In der 37. Runde des US-Grand-Prix roch es stark nach dem ersten Saisonsieg von Mercedes. Max Verstappen war kurz zuvor zu seinem zweiten Boxenstopp abgebogen. Doch weil der Schlagschrauber vorne links streikte, verzögerte sich die Abfahrt um mehr als acht Sekunden. Dadurch schlüpfte nicht nur Lewis Hamilton sondern auch noch Charles Leclerc durch. "Das war der Moment, an dem wir vom ersten Saisonsieg geträumt haben", erklärte Toto Wolff später.

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Verstappen sonderte einige wenig begeisterte Funksprüche ab, besann sich dann aber doch auf seine Aufgabe. Nach drei Runden war der Ferrari von Leclerc im zweiten Anlauf fällig. Weitere elf Runden später hatte er auch den führenden Hamilton vor der Flinte. Hier machte Verstappen im ersten Versuch alles klar. "Gegen seinen Topspeed konnte ich mich nicht wehren", entschuldigte sich der Mercedes-Pilot.

Dabei hatte der Brite in der ersten Rennhälfte noch gut mitgehalten und den Anschluss nicht abreißen lassen. "Max wollte gar nicht wegziehen", verriet Red-Bull-Sportchef Helmut Marko später. "Wir wussten ja nicht genau, wie es mit der Strategie aussieht. Da haben wir uns erst einmal angeschaut, was Mercedes macht und haben reagiert. Das war alles im kontrollierten Bereich." Erst der verpatzte Boxenstopp zwang Red Bull in die Defensive. Zum Glück hatte man noch einen Reifenjoker in der Hinterhand.

Verstappen wurde ein frischer Medium aufgezogen, Mercedes hatte für den letzten Stint nur noch harte Gummis. Das war ein klarer Nachteil. Die Entscheidung dazu fiel schon am Vortag. "Ferrari und Red Bull können die Qualifikation wegen ihres Speeds mit drei Soft-Reifen überstehen und sich so einen extra Satz Medium für das Rennen aufheben. Wir brauchen dagegen vier Satz soft für den Samstag", bedauerten die Ingenieure.

Charles Leclerc - GP USA 2022
Motorsport Images
Nach seinem verpatzten Boxenstopp war Max Verstappen zwischenzeitlich auf Rang drei hinter Hamilton und Leclerc zurückgefallen.

Wer hatte Schuld am großen Crash?

Seit 2015 hatte es in Austin kein Safety-Car mehr gegeben, dieses Mal musste Bernd Mayländer gleich zwei Mal ausrücken. In Runde 18 hatte Valtteri Bottas seinen Alfa Romeo im Kiesbett der vorletzten Kurve eingebuddelt. Kaum war der Sauber geborgen und das Rennen wieder freigegeben, krachte es richtig. Fernando Alonso versuchte Lance Stroll auf der langen Geraden zu überholen, doch beim Ausscheren blieb der Alpine am linken Hinterrad des Astons hängen.

Alonso hob bei 300 km/h mit der Nasenspitze ab und knallte 100 Meter weiter deftig auf den Asphalt. Während der Spanier das Rennen nach einem Reparaturstopp fortsetzen konnte, musste Stroll an Ort und Stelle aufgeben. Alonso konnte es selbst nicht glauben: "Ich dachte, dass ich das Auto abstellen muss, plötzlich bekomme ich frische Reifen und einen neuen Frontflügel verpasst. Das Auto hat sich dann wieder ganz normal angefühlt."

Was die Schuldfrage anging, hatte der Doppelweltmeister eine klare Meinung: "Ich bin rausgezogen, dann hat Lance plötzlich die Tür zugemacht. Da konnte ich nicht mehr reagieren" Sein künftiger Teamkollege gab zu, dass er etwas spät gezuckt habe: "Der Speed-Unterschied war so groß. Das war schwer zu berechnen. Er hätte aber auch früher rausziehen können und nicht so nah auf mich auffahren müssen."

Der Meinung wollten sich die FIA-Kommissare nicht anschließen. Nach Analyse der Onboard-Aufnahmen wurde Stroll die Hauptschuld an der Kollision zugeschrieben. Der Kanadier kassierte zwei Strafpunkte. Beim nächsten Rennen in Mexiko muss er zudem drei Plätze weiter hinten starten.

Lance Stroll - GP USA 2022
xpb
Bei rund 300 km/h kam es auf der langen Geraden zum großen Crash.

Warum legte Haas zwei Proteste ein?

Zum ersten Mal nach sieben Nullrunden gab es wieder WM-Punkte für Haas. Und das noch beim Heimspiel in Austin vor den Augen des neuen Titelsponsors MoneyGram. Trotzdem war Teamchef Guenther Steiner sauer. Wem drei Mal in einer Saison die schwarz-orange Flagge gezeigt wird, weil Teile am Auto beschädigt waren, der reagiert gereizt, wenn andere Teams bei vergleichbaren Fällen mit einem blauen Auge davonkommen.

Haas reichte nach dem Rennen gleich zwei Proteste ein. Gegen Sergio Perez, weil der Mexikaner nicht an die Box musste, obwohl drei Runden lang die rechte Frontflügel-Endplatte herumbaumelte und schließlich davonflog. Und gegen Fernando Alonso, weil dessen rechter Spiegel nach der Kollision mit Lance Stroll locker war und sich schließlich selbständig machte. Perez wurde freigesprochen. Red Bull konnte anhand von Fotos nachweisen, dass von dem Flügel keine Gefahr ausging, was der Technikdelegierte Jo Bauer auch so bestätigte. Steiner widersprach: "Das war in unseren Fällen davor genauso."

Immerhin bekam Haas im zweiten Fall Recht. Jo Bauer stufte Alonsos Alpine in der Phase, in der der Spiegel nicht mehr richtig befestigt war, als gefährlich ein, weil er rundenlang hätte wegfliegen und einen Konkurrenten treffen können. Alonso bekam eine 30-Sekunden-Strafe aufgebrummt, was ihn von Platz 7 auf 15 warf. Sebastian Vettel, Kevin Magnussen, Yuki Tsunoda und Esteban Ocon rückten in den Punkterängen nach oben. Gut für Haas: Das gab zwei Punkte mehr. Gegner Alpha Tauri profitierte nur mit dem Gewinn eines Zählers.

Mittlerweile hat Alpine aber schon wieder einen Gegen-Protest eingelegt. Das französische Nationalteam argumentiert damit, dass die FIA schon während des Rennens die schwarz-orange Flagge hätte zeigen können, falls man das Auto als gefährlich eingestuft hätte. Das ist aber nicht passiert. Dazu wurde das Auto bei der technischen Abnahme nach dem Rennen ebenfalls nicht beanstandet. Der erfolgsversprechendste Faktor in der Alpine-Argumentation ist aber, dass der Haas-Protest angeblich erst 24 Minuten nach Ablauf der Frist eingegangen ist.

Fernando Alonso - GP USA 2022
Motorsport Images
Am Alpine von Fernando Alonso fehlte nach dem Crash der rechte Spiegel.

Was lief bei Sebastian Vettel schief?

Nach der Zieldurchfahrt wurde Sebastian Vettel von den Fans zum Fahrer des Rennens gewählt. Zwischendurch hatte der Heppenheimer das Feld sogar für zwei Runden angeführt. Die Pace von Sergio Perez und George Russell vor ihm konnte er lange mitgehen, was auch daran lag, dass beide mit beschädigten Frontflügeln kämpften. Ein sechster Platz wäre locker dringewesen. Doch dann dauerte der zweite Reifenservice 16,8 Sekunden.

"Das Auto ist auf dem Wagenheber zur Seite gerutscht. Wir mussten noch einmal ansetzen und das Auto wieder hochbocken. Dabei ging viel Zeit verloren", ärgerte sich Mike Krack. Vettel blies aber nicht lange Trübsal und setzte zur großen Aufholjagd an. Nacheinander schnappte er sich Yuki Tsunoda, Guanyu Zhou, Alex Albon und – in der allerletzten Runde – Kevin Magnussen. Weil es für Alonso noch die erwähnte Strafe gab, reichte es am Ende immerhin noch für Rang sieben.

Magnussen & Vettel - GP USA 2022
Motorsport Images
In der letzten Runde schnappte sich Vettel den Haas von Magnussen außen im engen Schlusssektor.

Bekam Schumacher die falsche Taktik?

Haas brauchte dringend mal wieder ein Erfolgserlebnis. Nachdem beide Fahrer bereits im Q1 durchgefallen waren, sah es beim Heimspiel zunächst nicht danach aus. Doch im Rennen zeigten sich die US-Ferrari in besserer Form. Hoffnungsträger war zunächst Mick Schumacher. Der Deutsche kämpfte sich in die Punkteränge vor und verteidigte dort bis zur 33. Runde seinen zehnten Platz.

Dann reagierte Haas auf Pierre Gaslys Boxenstopp. Gasly musste wegen eines Safety-Car-Vergehens eine Fünfsekunden-Strafe absitzen. Eine gute Gelegenheit, den Platz trotz Boxenstopp zu gewinnen. Der Plan ging auf. Nicht mit in der Rechnung war allerdings, dass Schumacher danach über Trümmerteile fuhr und sich den Diffusor beschädigte. "Das hat im Heck Abtrieb gekostet", ärgerte sich Steiner. Schumacher bestätigte: "Danach war das Auto nicht mehr wie vorher."

Jetzt musste es Kevin Magnussen richten. Der Däne hatte in der 18. Runde auf Medium-Reifen gewechselt. Da dachte noch keiner daran, dass der Satz bis ins Ziel durchhalten würde. Bis Magnussen zum Zeitpunkt des geplanten zweiten Stopps am Funk meldete: "Die Reifen sind noch gut in Schuss." Plötzlich lag er auf Platz sechs. Und Haas riskierte ein Einstopp-Rennen. "Wenn es doch eng geworden wäre, hätten wir ihm Soft-Reifen für die letzten Runden gegeben", verrät Steiner. Zehn Runden vor Schluss kletterten die Rundenzeiten über 1.43 Minuten. Gegen Alonso, Norris und Vettel auf frischeren Reifen konnte sich Magnussen nicht wehren. Es reichte trotzdem für Punkte.

In der Galerie zeigen wir Ihnen noch einmal die Bilder eines ereignisreichen Rennens.