Das Feld der Formel 1 zerfällt in zwei Hälften. Die Top-5-Teams fahren in einer eigenen Liga. Sie sind untereinander versprengt, liegen aber doch ein gutes Stück vor dem Rest des Feldes, der sich dann auf wenige Zehntel zusammenballt. Zwischen den beiden Hälften liegen im Rennbetrieb mindestens vier Zehntel. Schon lange nicht mehr hingen die Trauben so hoch für den Mittelstand.
Damit wissen Haas, McLaren, Alfa Romeo, Alpha Tauri und Williams schon vor dem Start: Wenn die obere Tabellenhälfte ihre Autos ins Ziel bringt, gibt es keine Punkte. Bis jetzt hatten die Hinterbänkler Glück. In Bahrain gab es zwei offene Plätze in den Top Ten, in Jeddah einen.
Alfa Romeo hat mit seinen vier Punkten beim Saisonauftakt so etwas wie den Jackpot geschafft. Für Williams und Haas zählte jweils ein Punkt wie ein Sieg – in Bahrain fuhr Alex Albon auf Rang zehn, in Jeddah war es Kevin Magnussen. Nico Hülkenberg freute sich mit seinem Teamkollegen: "Die positive Nachricht ist, dass wir konkurrenzfähig sind."
Mit älteren Reifen schneller
Haas hat den letzten WM-Zähler für den 10. Platz Mitkonkurrent Alpha Tauri fünf Runden vor Schluss abgenommen. Dadurch wird er noch wertvoller. Weil er auch ein Beweis dafür ist, dass der US-Rennstall sein Problem mit dem Reifenmanagement in den Griff bekommen hat. Wenigstens für Jeddah.
Magnussens Reifen waren neun Runden älter als die von Yuki Tsunoda. Trotzdem war der Däne im Schnitt eine halbe Sekunde schneller als sein Gegner. Im Gegensatz zu Ferrari waren die Haas-Renner auch auf den harten Reifen schnell.
Die Ingenieure hatten früh erkannt, dass man auf diesem Reifentyp den Großteil des Rennens zurücklegen kann. Da Abnutzung auf dem C2-Gummi kein großes Thema war, ging es nur darum, ihn in sein Arbeitsfenster zu bringen. Die frühen Boxenstopps von Magnussen (Runde 8) und Hülkenberg (Runde 11) halfen dabei. Zu dem Zeitpunkt waren die Autos noch schwer. Das zündete die Reifen an.
Auto schnell genug für das Q3
Das Safety-Car kam für Haas gar nicht mal so ungelegen. Vor den Boxenstopps lagen Magnussen und Hülkenberg auf den Positionen 12 und 13. Danach auf 11 und 13. Damit zählte im zweiten Teil des Rennens nur noch der Speed. "Nach Bahrain waren wir noch unsicher, wo wir stehen", gibt Teamchef Guenther Steiner zu. "Jetzt wissen wir, dass wir bei der Musik sind."
Magnussen löste das Problem besser als Hülkenberg, weil er mehr Erfahrung mit dem spezifischen Problem der Haas-Autos hat. Starke Reifenabnutzung war schon 2022 eine Baustelle. Auch der Haas VF-23 hat wieder zwei Gesichter. Das vom Samstag und das vom Sonntag.
Steiner ist überzeugt: "Auf eine Runde sind wir so schnell wie die Alpine. Da können beide ins Q3 fahren. Nico hatte das Pech, das ihm eine Runde gestrichen wurde. Da baute sich in den letzten Q2-Minuten so viel Druck auf, dass er in der letzten Kurve eineinhalb Zehntel verschenkt hat. Bei Kevin hat das Getriebe nur mit Verzögerung heruntergeschaltet. Ohne das Problem hätte auch er das Q3 geschafft."
Fokus auf dem Reifenmanagement
In den Freien Trainingssitzungen liegt der Fokus wie bei Ferrari voll auf dem Reifenmanagement. Die Probleme der beiden Autos sind wegen der großen Übereinstimmung der Teile miteinander verknüpft. Haas fährt deshalb wie Ferrari alle Longruns am Freitag mit absolut vollen Tanks um den Worstcase zu simulieren. Und man darf seit Leclercs Steuergeräte-Misere in den Freien Trainings auch nur mit Minimal-Power fahren. Was dann in der Qualifikation zur Herausforderung wird.
Die DNA des Autos kann Haas nicht mehr ändern. Trotzdem hat man laut Steiner noch genug Werkzeuge, um die Reifen zu schonen. "Da spielen viele Faktoren mit hinein, die wir beeinflussen können. Die aerodynamische und mechanische Balance spielen auch eine große Rolle." In Jeddah ist Haas der goldene Griff gelungen. "Zum Glück", atmet Steiner auf. "Das ist so verdammt eng im zweiten Teil des Feldes, dass jeder Punkt Gold wert ist."