Wieso stoppte Ferrari nur einmal?
Schon am Freitag ging im Fahrerlager die Sorge vor einem großen Reifenverschleiß um. Der neue Asphalt in Monza sorgte für eine höhere Abnutzung als erwartet. Die Top-Teams hoben sich für das Rennen am Sonntag zwei Sätze des harten Reifens auf. Zwei Stopps waren auf einmal eine ernsthafte Option.
Nach dem Start übertölpelte Oscar Piastri seinen McLaren-Teamkollegen Lando Norris in Kurve 4, Charles Leclerc schlüpfte ebenfalls durch. Die Drei schlugen ein hohes Tempo an. In der 13. Runde versuchte Norris Leclerc per Undercut zu überholen. Das gelang. Alles schien auf ein Zwei-Stopp-Rennen hinauszulaufen. Doch Ferrari trickste McLaren aus. "Nach zehn Runden auf dem harten Reifen haben wir gemerkt, dass ein Einstopp-Rennen möglich war", erklärte Teamchef Frédéric Vasseur. "Das war uns schon heute Morgen klar, aber wir hatten auch erstmal keine Ahnung darüber, wie sich die harten Reifen im Rennen verhalten würden."
Norris ging in der 33. Runde zum letzten Stopp rein, Piastri folgte kurz darauf. Leclerc erbte die Führung. McLaren bekam schnell Wind von Ferraris Kniff, konnte aber nur noch Sainz mit beiden Fahrern abfangen. Charles Leclerc brachte 2,6 Sekunden Vorsprung auf Piastri ins Ziel. Die Tifosi jubelten und Sieger Charles Leclerc frohlockte: "Es ist ein unglaubliches Gefühl. Die letzten Runden waren wie in 2019, als ich die Leute auf den Tribünen gesehen habe. Monaco und Monza zu gewinnen, ist einfach so speziell. Danke an die Tifosi!"
Sein Teamchef Vasseur wollte sich bei 39 Punkten Rückstand auf Red Bull in der Konstrukteurs-WM nicht zu einer Verbal-Attacke verleiten lassen. "Heute genieße ich unseren Sieg erstmal und feiere."
Warum vermied McLaren die Teamorder?
Noch näher an Red Bull dran ist McLaren. Nach Monza trennt die Truppe aus Woking nur noch acht Punkte auf Red Bull. Dennoch war die Stimmung im Lager von McLaren etwas bedrückt. Teamchef Andrea Stella redete auch nicht lange um den heißen Brei herum. "Der Sieg wäre heute möglich gewesen. Wir hatten ein schnelles Auto, aber Ferrari saß uns immer im Nacken."
Angesprochen auf den Start, als Piastri Norris mit einem harten Manöver überholte, wollte der Italiener sich nicht in die Karten schauen lassen, wie er die Aktion fand. "Wir müssen das analysieren. Vielleicht hat Lando auch einfach früher gebremst als Oscar. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Fahrer sich an unsere Regeln halten." Norris lobte zwar das Manöver seines Stallgefährten, sprach jedoch offen aus, dass er nachgegeben hatte. "Hätte ich nicht gebremst, hätte es gekracht."
Von einer expliziten Teamorder wollte Stella zwar nichts wissen, doch er gab zwischen den Zeilen zu, dass es in Zukunft dazu kommen wird. "Es gibt keinen Zweifel mehr daran, dass wir in beiden Weltmeisterschaften eine Chance haben. Lando liegt in der WM vor Oscar. Wir müssen so viele Punkte wie möglich bei jedem Rennen einfahren." McLaren und Stella kam im Rennen Leclerc in die Quere. Ansonsten wäre es vermutlich zu einem Platztausch gekommen. "Leclerc war immer in Schlagdistanz. Auch nachdem Lando vor ihm lag. Da konnten wir nicht an einen Platztausch denken. Gegen Ende des Rennes haben wir dann nicht mehr darüber nachgedacht, Lando an Oscar vorbeizuwinken. Aber es gab Gedankenspiele davor, wie Lando die maximale Punktzahl hätte mitnehmen können. Leclerc hat das jedoch vereitelt."
Was ist bei Red Bull los?
Wer noch einen Beweis für die Probleme bei Red Bull benötigt hatte, hat diesen in Monza endgültig erhalten. Max Verstappen wurde Sechster, Sergio Pérez kam auf P8 ins Ziel. Der Weltmeister zeigte sich konsterniert über die Entwicklung bei seinem Team. "Letztes Jahr hatten wir ein großartiges Auto, was das dominanteste Auto der Geschichte war und wir haben daraus ein Monster gemacht." Sein Teamchef Christian Horner redete auch gar nicht um den heißen Brei herum. "Sechster und Achter zu werden schmerzt. Wir sind in beiden WM-Wertungen unter Druck. Die Strecke hat unsere Probleme ganz klar offengelegt. Wir waren nur vierte Kraft. Wir müssen die Dinge in den Griff bekommen und lösen."
Beide Piloten klagten erneut über die Balance-Probleme des RB20, der sich immer mehr zum Mysterium entwickelt. Das Rennen startete Red Bull auf den harten Reifen, während die Konkurrenz den Medium wählte. Horner erklärte es mit Aktionismus: "Wir hatten nichts zu verlieren nach dem Qualifying. Diese Karte mussten wir spielen. Wir hatten gehofft, dass vielleicht noch ein Safety-Car kommt und uns nach vorne spült."
Das kam allerdings nicht. Red Bull will sich jetzt in die nächste längere Pause hangeln. Nach den nächsten Rennen in Baku und Singapur muss das Team wieder in die Spur finden. "Die Arbeit, die wir in der kleinen Pause leisten, muss sich in Ergebnissen auf der Strecke auswirken. Ansonsten verlieren wir beide WM-Titel." Der Engländer gab selbst zu, mit solch einer Situation noch nie konfrontiert gewesen zu sein. "Am Anfang der Saison haben wir Rennen mit 20 Sekunden Vorsprung gewonnen. Dass das Pendel jetzt so schnell gegen uns ausgeschlagen hat, haben wir noch nie erlebt." Horner referierte: "In Österreich und Belgien haben wir gesehen, dass das Auto immer noch schnell ist. Aber nur wenn wir das Setup-Fenster treffen, das ist aktuell zu klein. Das müssen wir vergrößern."
Wieso sackte Mercedes im Rennen ab?
Nach den Trainingseindrücken in Monza stand Mercedes weit oben auf dem Favoritenzettel. Am Sonntag war davon nichts zu sehen. George Russell beschädigte sich in der ersten Schikane den Frontflügel, als er Oscar Piastri traf. Mit P7 betrieb der Engländer noch Schadensbegrenzung. Lewis Hamilton fuhr ein einsames Rennen auf dem fünften Platz ins Ziel. "Wir hatten heute nicht die Pace. McLaren und Ferrari waren zu schnell für uns", bilanzierte der Rekordsieger. Die Fahrer hatten die Zweistopp-Strategie vorgezogen, die Ingenieure präferierten nur einen Stopp. Doch das hätte nur etwas am Ergebnis geändert, wenn Sainz zwei Mal die Reifen gewechselt hätte.
Mercedes litt mehr unter dem Reifenkörnen als Ferrari und McLaren. Teamchef Toto Wolff stellte fest. "Wir waren besser als in Zandvoort, aber nicht gut genug. Wir müssen analysieren, warum wir seit der Sommerpause zurückgefallen sind."
Warum ist Magnussen in Baku gesperrt?
Kevin Magnussen landete einen Pyrrhus-Sieg in Monza. Zwar wurde der Däne Zehnter in seinem Haas, doch er kassierte für ein Foulspiel gegen Pierre Gasly (Alpine) eine 10-Sekunden-Strafe und sammelte zwei Strafpunkte auf sein Konto auf dem nun 12 Zähler liegen. Wer innerhalb eines Kalenderjahres 12 dieser Punkte sammelt, kassiert eine Sperre. Magnussen schimpfte auf die Stewards: "Ich bin einfach komplett verwirrt. Gasly und ich berühren uns, wir beide verpassen die Kurve und er kommt folgenlos zurück auf die Strecke. Aber ich kassiere die Strafe."
In Baku dürfte der nächstjährige Haas-Pilot Oliver Bearman einspringen. Der Brite ersetzte bereits den erkrankten Sainz in Jeddah und überzeugte. Nico Hülkenberg hatte nach Zwischenfällen mit den Toro Rosso von Daniel Ricciardo und Yuki Tsunoda keine Chance auf Zähler und erreichte den 17. Platz. Ricciardo bekam für das Abdrängen von Hülkenberg vor der Ascari in Runde 1 eine 5-Sekunden-Strafe, Hülkenberg kassierte zehn Sekunden für seinen Rempler gegen Tsunoda vor T1 kurz danach.