Seit dem GP Spanien hat Max Verstappen keinen Grand Prix mehr gewonnen. Die Serie wird wohl auch in Monza nicht reißen. Der Weltmeister startet nur aus der vierten Reihe. Sein Abstand auf die Pole-Position von Lando Norris beträgt 0,695 Sekunden. Hätten der McLaren und der Red Bull ihre schnellsten Runden zeitgleich begonnen, hätte Norris nach 5,793 Kilometern einen Vorsprung von 65,6 Meter gehabt.
So weit war Verstappen noch nie von der Bestzeit entfernt. Mit Blickrichtung Titel ist es umso bitterer, dass Norris mit Teamkollege Oscar Piastri einen Mitstreiter in der ersten Reihe hat und jeweils zwei Mercedes und zwei Ferrari zwischen dem Niederländer und den Papaya-gelben Autos liegen. Die Top-6 qualifizierten sich innerhalb von 0,186 Sekunden oder 17,5 Metern.
Im Q3 langsamer als im Q2
Aus Red-Bull-Sicht ist das ein Klassenunterschied. Wieder bremsten Balance-Probleme die einstigen Klassenbesten aus. Sie beschäftigten Max Verstappen und Sergio Perez von der ersten Runde an, doch nie waren sie so schlimm wie im Q3. Verstappen verfehlte seine Q2-Zeit um drei Zehntel. Und er war nur 0,040 Sekunden schneller als Perez, der über ähnliche Defizite klagte wie sein Teamkapitän.
Verstappen war ratlos, warum sein Auto innerhalb von zehn Minuten so abgestürzt ist. Im Q2 drehte er auf gebrauchten Soft-Reifen mit 1.19,662 Minuten noch die zweitschnellste Runde hinter Lewis Hamilton. "Wir haben am Setup seit dem dritten Training nichts geändert. Plötzlich haben die Fahrer ihr Auto nicht wiedererkannt", wunderte sich Sportchef Helmut Marko.
Was war passiert? Spielte die Asphalttemperatur eine Rolle, die um vier Grad Celsius gesunken war? "Kann ich mir nicht vorstellen." Hatte er beim Windschattenfahren zu dicht auf Perez aufgeschlossen? Perez legte in der zweiten Lesmo-Kurve eine Staubfahne über die Strecke. "Der Windschatten hat weder geschadet noch genutzt."
Im Topspeed im hinteren Drittel
Im Grunde verfolgen die Probleme mit der Fahrzeugbalance Red Bull seit dem GP Miami. Exakt dem Rennen, an dem McLaren seinen Siegeszug antrat. Mal ist der RB20 mehr, mal weniger aus dem Tritt. Ein Muster gibt es nicht. Auf manchen Rennstrecken können die Ingenieure das Problem mit dem Setup lindern.
In Monza half das nicht viel. Red Bull hatte keinen speziellen Monza-Flügel dabei. Wer zu viel mit der Flügeleinstellung korrigiert, bezahlt an anderer Stelle. Zum Beispiel beim Topspeed. An allen drei Messstellen liegen Verstappen und Perez im hinteren Drittel. Schlechte Voraussetzung, wenn man im Rennen aufholen muss.
Marko sieht dringenden Handlungsbedarf: "Wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen. Unser Auto ist nicht mehr das, was wir zu Saisonbeginn hatten. Die Ingenieure müssen den Punkt finden, wo wir falsch abgebogen sind. Das ist nicht einfach, weil es seitdem viele Entwicklungsschritte gab und wir noch keinen Ansatz haben, was für welche Reaktion des Autos verantwortlich ist. Wir hatten nicht mal in Monza ein einheitliches Bild. Mal war die erste Schikane unser Problem, dann die zweite und dann wieder die Parabolica."
Untersteuern und Übersteuern in einer Kurve
Sergio Perez erklärt, warum es so schwer ist, die Probleme einzukreisen und zu lösen. "Wir haben nicht konstant Untersteuern oder Übersteuern, sondern beides zusammen in einer Kurve. Zum Beispiel Untersteuern bis zum Scheitelpunkt und Übersteuern beim Rausfahren aus der Kurve. Wenn du am einen Ende reparierst, wird das Problem am andere Ende schlimmer."
Das sind keine guten Nachrichten für ein Team und einen Fahrer, die ihre WM-Titel verteidigen wollen. Der Gegner hat einen Lauf, und man selbst kann sich nicht richtig wehren. Wenn einem dann wie in Monza noch andere Teams in die Suppe spucken können, dann ist auch ein 70-Punkte-Delta schnell aufgebraucht. Verstappen richtet sich wieder auf Schadensbegrenzung ein. "Ich kann im Rennen nur mein Bestes geben und schauen, was dabei rauskommt."
Eigentlich muss es für Red Bull ein Trost sein, dass den Grand Prix vermutlich nicht der schnellste Fahrer gewinnt, sondern derjenige, der die Reifen am besten streichelt. Wer einmal zu hart fährt, riskiert körnende Reifen und damit gleich ein bis zwei Sekunden Zeitverlust. Das gibt auch denen eine Chance, die in der Startaufstellung weiter hinten stehen. Verstappen bleibt skeptisch. "Wenn die Balance nicht stimmt, dann ist auch die Gefahr groß, dass die Reifen schneller verschleißen."