Über den Winter hat sich wenig geändert in der Formel 1. Teams und Fahrer sind gleichgeblieben. Die Hackordnung mit zwei Ausnahmen auch. Und die hatte man so nicht erwartet. Alpine ist der Absteiger des Saisonstarts, Haas der Aufsteiger. Der US-Rennstall war eigentlich dafür programmiert, wieder Schlusslicht zu sein.
Die rote Laterne gab Haas an Alpine ab. Besser noch: Man ist gegen Toro Rosso, Williams und Sauber nicht chancenlos. Auf eine Runde und neuerdings auch über die Renndistanz. Das Schreckgespenst von zu hoher Reifenabnutzung wurde vorerst verscheucht. Der Kurs von Bahrain fordert die Reifen mehr als jede andere Strecke. Wer die Prüfung besteht, sollte in der Disziplin auch für den Rest der Saison gerüstet sein.
Fortschritt trotz zwei Monaten Verlust
Eigentlich sprach alles dafür, dass Haas am Ende der Tabelle kleben bleibt. Die Fleißaufgabe einer B-Version im Vorjahr kostete dem neuen VF-24 zwei Monate Entwicklungszeit. Der neue Teamchef Ayao Komatsu erinnert auch daran, dass Haas mit seinen 250 Mitarbeitern, verteilt auf vier Standorte, einen Sonderfall darstellt: "Alle anderen Teams sind größer als wir."
Nach der enttäuschenden Erfahrung des Vorjahres hat sich das Team auf das Wesentliche konzentriert. Die entsprechenden Projekte wurden schon angeschoben, als Günther Steiner noch an Bord war. Sein Nachfolger hat sie mit der Brille eines Technikers forciert. "Die größte Schwäche war der hohe Reifenverschleiß. Um die haben wir uns vorranging gekümmert."
Die Aerodynamiker waren in Vorleistung gegangen. Sie haben ein Auto gebaut, dass in Kurvenfahrt stabiler seine Balance behält. Das bedeutet weniger Rutschen und weniger Stress für die Reifen.
Mit Hochdruck an Upgrades
Nach den Testfahrten ging Haas schon etwas optimistischer in das erste Rennen des Jahres. "Unser Ziel war das Q2. Im Rennen wollten wir den Beweis antreten, dass wir die Reifen besser managen können", erzählt Komatsu im Rückblick. "Ich hätte nie gedacht, dass wir so problemlos ins Q3 kommen und dann noch den Luxus haben, uns einen Satz weicher Reifen für das Rennen aufzuheben."
Den Aufstieg ins Top-Ten-Finale verdankt Haas seinem Fahrer. "Nico ist extrem gut darin, zum Zeitpunkt X alles aus dem Auto rauszuholen. Er mag es, wenn das Auto vorne zubeißt, auch zum Preis, dass dabei das Heck leicht wird. Kevin hat Mühe damit, wenn das Auto spitz zu fahren ist. Wir müssen für ihn ein besseres Setup finden, denn sieben Zehntel Unterschied sind nicht akzeptabel – für ihn und für uns."
Die GPS-Analyse zeigte dem Teamchef aber auch, dass der Haas VF-24 noch seine Defizite hat. "Uns fehlt allgemein Grip. Das könnte uns in den schnellen Kurven auf den Kopf fallen." Nach den Erkenntnissen des ersten Wochenendes wissen die Ingenieure, woran es am meisten fehlt. Das Technikbüro arbeitet unter Hochdruck am ersten Upgrade. Komatsu will sich aber noch nicht auf einen Zeitpunkt festlegen lassen.
Reifenverschleiß besser, aber noch ausbaufähig
Das Rennen bestätigte, was sich bereits während der Testfahrten und der Trainingstage in Bahrain abzeichnete. Nico Hülkenberg und Kevin Magnussen drehten konstant ihre Runden. Die Reifen verloren nicht wie in der Vergangenheit nach fünf Runden ihren Grip. "Die Reifenabnutzung ist deutlich besser geworden. Ich glaube aber trotzdem, dass das noch ausbaufähig ist", zog Hülkenberg ein erstes Fazit.
Auch Komatsu warnt, dass man den Fortschritt erst noch auf anderen Streckentypen beweisen müsse. Es spricht aber viel dafür, dass sich da ein positiver Trend abzeichnet. Beide Fahrer mussten unter ungünstigen Bedingungen ihre Rennen bestreiten. Magnussen steckte die ganze Distanz im Verkehr und hielt trotzdem das Tempo der Sauber, Toro Rosso und Williams um ihn herum.
Hülkenberg wollte nach dem frühen Boxenstopp Zeit gutmachen und wieder Anschluss an das Feld finden. "Du fährst zwar öfter alleine als die anderen, musst aber trotzdem die Reifen managen. Du willst Zeit gutmachen, aber die gibt es nicht gratis. Wenn du zu viel am Anfang des Stints attackierst, musst du danach noch drei Mal an die Box."
Schneller als Zhou und Stroll
Von der dritten bis zur letzten Runde machte Hülkenberg 28,7 Sekunden auf den später elftplatzierten Guanyu Zhou und 13,7 Sekunden auf seinen Unfallgegner Lance Stroll gut. Trotzdem wollte Komatsu nicht daraus schließen, dass es für Punkte gereicht hätte. "Das ist schwer hochzurechnen. Stroll ist mehr im Verkehr gefahren, Nicos Auto hatte einen Diffusorschaden. Sagen wir es so: Mit dem Startplatz und der Konstanz beim Donnerstags-Longrun hätte es für Nico für Punkte reichen können."
Hülkenberg verfluchte im Nachhinein seinen schlechten Start, dessen Gründe nach dem Grand Prix noch nicht ganz klar waren. "Ich war sehr, sehr vorsichtig in der ersten Kurve, habe wirklich viel Platz gelassen. Vielleicht habe ich einen kleinen Stoß von Valtteri bekommen, was mich dann in Lance reingedrückt hat. Von meiner Perspektive aus war der Abstand zu Lance sicher. Das ist extrem frustrierend, weil damit das Rennen kaputt war. Ich habe auf ein Safety-Car gehofft, aber es kam leider nicht."