Frederic Vasseur musste sich am Donnerstag (27.4.) in Baku unbequeme Fragen gefallen lassen. Nach Cheftechniker David Sanchez steht nun auch Laurent Mekies vor seinem Abschied aus Maranello. Der Franzose soll Franz Tost auf dem Posten des Alpha-Tauri-Teamchefs beerben. So zumindest teilte es das Red-Bull-B-Team per Pressemeldung am Mittwochabend mit.
Die beiden italienischen Rennställe liegen mit ihren Fabriken nur 90 Kilometer voneinander entfernt. Doch bei der Kommunikation haperte es anscheinend. Bei Ferrari wusste man offenbar nichts davon, dass der Nachbar aus Faenza noch vor dem Baku-Wochenende mit der Bekanntgabe vorprescht. Normalerweise werden solche Wechsel gleichzeitig von beiden Seiten verkündet.
"Sie waren mit der Pressemitteilung etwas aggressiv unterwegs. Vor allem, wenn man die lange Vertragslaufzeit bedenkt", erklärte Vasseur mit einem gequälten Lächeln. Nach Informationen von auto motor und sport ist Mekies noch bis Ende 2025 an Ferrari gebunden. Anschließend müsste der Ingenieur noch die branchenübliche Sperrfrist von einem Jahr abwarten, bis er bei einem neuen Arbeitgeber anheuern darf.
Hohe Ablösesumme für Mekies
Alpha Tauri ließ den Zeitpunkt des Dienstbeginns in seiner Pressemitteilung offen. Natürlich würde Oliver Mintzlaff, der bei Red Bull für die Sport-Aktivitäten im Konzern verantwortlich ist, seine erste prominente Neuverpflichtung gerne so schnell wie möglich an Land ziehen. Doch einen vorzeitigen Wechsel wird sich Ferrari wohl teuer bezahlen lassen.
Dass ein hochrangiger Techniker wie Mekies mit vielen Insider-Infos aus Maranello ins Red-Bull-Lager wechselt, dürfte die Scuderia-Verantwortlichen nicht gerade begeistern. Erst vor wenigen Wochen hatte Vasseur noch dementiert, dass es nach Sanchez weitere namhafte Abgänge geben wird. Mekies hatte er dabei als "Säule in den Zukunftsplanungen von Ferrari" bezeichnet.
Nun muss die Scuderia ohne den 45-Jährigen planen, der Mitte 2018 nach einem längeren Job bei der FIA nach Italien gewechselt war. Vasseur will seinem Landsmann aber keine Steine in den Weg legen. Beide Franzosen kennen sich bereits mehr als 20 Jahre. "Das ist eine Mega-Chance für ihn. Wir wollen ihn nicht blockieren", stellt Vasseur klar.
Mekies habe bei Ferrari einen sehr guten Job erledigt. Und er habe immer offen über seine Pläne geredet, betont Vasseur. Die Beziehung sei nach wie vor sehr positiv. Und auch die Entscheidung von Alpha Tauri könne er verstehen: "Es gibt nur zehn Teamchefs in der Formel 1. Die Anforderungen sind sehr speziell. Da wird die Liste an Kandidaten sehr kurz. Laurent deckt ein sehr weites Spektrum ab, auch durch seinen Job bei der FIA."
Keine Aufstiegschance bei Ferrari
Für Mekies ist der neue Job eine Chance, sich selbst einen Namen zu machen. In den letzten Jahren stand er lange im Schatten von Mattia Binotto. Aktuell ist der Weg an die Ferrari-Spitze durch Vasseur verbaut. Da ist es kein Wunder, dass der Franzose nun bei der Konkurrenz versucht, weiter nach oben zu kommen.
Alpha Tauri ist sicher keine schlechte Adresse für einen Neuling auf dem Teamchef-Posten. Nachdem Red Bull zunächst erfolglos versucht hatte, das kleine Schwesterteam zu verkaufen, will man jetzt groß investieren, um den Rennstall aus eigener Kraft nach vorne zu bringen. Technisch soll die Kooperation mit Red Bull Racing intensiviert werden. Auch räumlich will man näher an den Partner aus Milton Keynes heranrücken, heißt es.
Zunächst muss Mekies aber wohl noch eine Zeit lang als rechte Hand von Vasseur weiterarbeiten. Beide betraten am Donnerstag gemeinsam das Fahrerlager. Laut Vasseur sei es noch zu früh, um öffentlich über einen möglichen Zeitpunkt für den Dienstantritt bei Alpha Tauri zu sprechen. "Ich muss hier natürlich die Interessen Ferraris vertreten. Ferrari steht an erster Stelle, wenn wir über die Details des Wechsels diskutieren. Laurent hat ja noch einen langfristigen Vertrag. Da kommt es auf die Bedingungen an."
Auch zur Nachfolgeregelung gibt es noch keine Informationen. Ferrari muss sich auf Führungsebene ganz neu aufstellen. Vasseur wird die Chance zur Neustrukturierung wohl nutzen, um ein paar Vertraute um sich herum zu positionieren. Dass mit Sanchez und Mekies nun zwei hochkarätige Ingenieure Ferrari verlassen, will der Teamchef nicht überbewerten.
"Zwei von 1.600 ist kein Drama. Das wichtigste für uns ist immer die Stärke der Gruppe. Wir sind gerade auf der Suche nach neuen Mitarbeitern. Wir geben aber keine Namen von Neuverpflichtungen bekannt. Der Rekrutierungsprozess in der Formel 1 ist immer zeitaufwändig und schmerzvoll. Wir befinden uns mittendrin und gehen es Schritt für Schritt an."