Streit um McLaren-Heckflügel: Ist der Trick legal?

McLaren-Heckflügel verbiegt sich
Legaler Trick oder über dem Limit?

GP Aserbaidschan 2024

Nach dem Rennen in Baku wurde viel über den Heckflügel von McLaren diskutiert. TV-Aufnahmen zeigen, dass sich der Flap bei hohen Geschwindigkeiten nach oben biegt und damit den Luftwiderstand reduziert. Ist das noch legal?

Oscar Piastri - GP Aserbaidschan 2024
Foto: Wilhelm

Nach der Zielflagge war die Aufregung in den sozialen Medien groß. Einigen aufmerksamen Fans war aufgefallen, dass sich der Heckflügel am McLaren auf der langen Geraden in Baku in ungewöhnlicher Weise verbiegt. Ein bisschen Flexibilität in den Carbon-Teilen ist ganz normal und kann während der Fahrt auch nicht verhindert werden. Doch die Bewegung des McLaren-Flügels ging weit über ein normales Verhalten hinaus.

Die nach hinten gerichtete Onboard-Kamera am Auto von Oscar Piastri zeigte klar, dass sich der komplette Flügel auf dem ersten Teil der Geraden langsam nach hinten neigt. Das ist bei anderen Autos auch der Fall, wenn vielleicht auch nicht ganz so extrem. Doch auf dem zweiten Teil der Vollgaspassage beginnt sich plötzlich die Unterkante des Flaps ab einer bestimmten Geschwindigkeit nach oben zu biegen.

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Die Spalte zwischen dem Flap und dem Hauptblatt wird immer größer, was bei anderen Autos auch zu beobachten ist. Ungewöhnlich ist allerdings, dass sich die äußeren Ecken besonders stark nach oben biegen und eine deutlich sichtbare Lücke entsteht. So kann jede Menge Luft durch den Flügel strömen, was den Luftwiderstand senkt. Einige sprechen schon von einem "Mini-DRS", das Oscar Piastri bei seiner Verteidigungsschlacht gegen Charles Leclerc geholfen hat.

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McLaren lässt Flügel verbiegen

Dass sich McLaren mit der gezielten Bewegung von Carbonteilen auskennt, hat das Team aus Woking schon beim Frontflügel demonstriert. Auch das vordere Ende des Autos biegt sich bei hohen Geschwindigkeiten im Fahrtwind extrem nach hinten, um den Luftwiderstand zu senken und die aerodynamische Balance in schnellen Kurven in Richtung Hinterachse zu verschieben.

Beim Frontflügel ist McLaren aber nicht das einzige Team, das eine gewollte Bewegung in die Carbonstruktur eingebaut hat. Das Thema schlug bereits in den vergangenen Monaten große Wellen im Fahrerlager. Seit dem Rennen in Spa hat auch die FIA ein genaueres Auge auf das Treiben geworfen. Über mehrere Rennwochenenden wurde das Verhalten der Flügel an allen Autos mit speziellen Onboard-Kameras und aufgeklebten Referenzpunkten unter die Lupe genommen.

Bisher sind den Schiedsrichtern aber die Hände gebunden. Entscheidend für die Legalität sind nicht die Videoaufnahmen, sondern nur die technische Abnahme in der FIA-Garage. Bei diesen statischen Tests ist nach Angaben der Regelhüter bisher noch kein Team negativ aufgefallen. Ähnlich dürfte die Sachlage nun auch beim Heckflügel sein. Hier werden Belastungstests, sowohl am Flap als auch am Hauptblatt, durchgeführt, mit denen die Beweglichkeit der Bauteile überprüft wird. Die Tests setzen aber nicht an den unteren Ecken des Flaps an.

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Schreitet die FIA ein?

Auch die DRS-Regeln, die eine steife Befestigung des Flaps um die Rotationsachse vorschreiben, scheinen mit der verwendeten Lösung eingehalten zu werden. Der Flap öffnet sich ja nicht wie bei der Aktivierung des DRS im oberen Bereich, sondern verbiegt sich nur an den unteren Ecken. Es scheint, als habe McLaren hier einen cleveren Weg gefunden, sich einen Vorteil zu verschaffen.

Im Abwehrkampf von Baku könnte dieser Vorteil für Piastri entscheidend gewesen sein. Auf Strecken, die mehr Abtrieb und steilere Flügel verlangen, dürfte der Trick aber nicht funktionieren. Damit sich der Flap nach oben biegen kann, sind lange Geraden und hohe Top-Speeds nötig. Die Ingenieure müssen dabei vermeiden, dass dem Fahrer in schnellen Kurven plötzlich der Abtrieb fehlt.

Das nächste Rennen, bei dem die Low-Downforce-Flügel zum Einsatz kommen, ist der Las-Vegas-Grand-Prix Ende November. Dort wird die Konkurrenz und die FIA sicher noch einmal ein genaues Auge auf den McLaren werfen. Man darf gespannt sein, ob die Schiedsrichter hier Handlungsbedarf sehen. In der Vergangenheit wurde schon so mancher Trick im Nachhinein verboten, weil die FIA ein teures Wettrüsten der Teams verhindern wollte.

Beim Streit um die flexiblen Frontflügel hat der Weltverband aber bereits angekündigt, dass man hier erst einmal nicht reagieren wird. Das heißt, dass alle Teams nachziehen müssen, wenn sie in diesem Bereich mithalten wollen. Wir erwarten, dass die Schließung von Schlupflöchern erst mit dem großen Reglement-Wechsel zur Saison 2026 einhergehen wird. McLaren dürfte also von seiner Kompetenz im Bereich Flexi-Wings noch etwas länger profitieren.