Vor einem Jahr war McLaren in Bahrain nirgendwo. Nach einer grandiosen Aufholjagd in der letzten Saison ging der WM-Vierte nun als Geheimfavorit in die neue Saison. Doch die Testfahrten in Bahrain verpassten dem Team einen Dämpfer. Ferrari, McLaren, ja sogar Aston Martin schienen über den Winter einen größeren Sprung gemacht zu haben.
Dabei hatte McLaren seine Entwicklungsziele eigentlich erreicht. Verglichen mit dem Saisonstart 2023 hat sich das Auto um 1,8 Sekunden verbessert. Ungefähr gleich verteilt über die Upgrades von Spielberg und Singapur und den Modellwechsel zum neuen MCL38. Und plötzlich waren da die Zweifel. Haben wir etwas verpasst?
Teamleitung und Fahrer beruhigten sich damit, dass der Kurs von Bahrain nicht das ideale Terrain für den McLaren ist. Weil er die Schwachstellen, die das Auto immer noch hat, hervorkehrt. "Wir haben weiter Mühe mit der Fahrbarkeit. Das hält uns davon ab, das Auto durch die langsamen Kurven zu bringen." Auch der Top-Speed bleibt eine Baustelle. Die beiden McLaren liegen mit einem Defizit von 6 bis 8 km/h auf die Red Bull hinten im Feld.
Mehr Potenzial, als es das Resultat zeigt
Nach der ersten Qualifikation des Jahres entspannten sich die Gesichter. Lando Norris und Oscar Piastri landeten zwar nur auf den Startplätzen 7 und 8. Doch auf die erste Startreihe fehlten nur zwei Zehntel. "Die hätte ich drin gehabt, hätte ich im letzten Versuch nicht so viele Fehler gemacht", ärgerte sich Lando Norris gewohnt selbstkritisch.
Oscar Piastri dagegen konnte seine exzellente Form vom Freitag nicht wiederholen. "Irgendwie hat mir das Auto nicht so gut gepasst. Erst in der letzten Runde kam es einigermaßen zusammen." Der Australier atmete trotzdem auf: "Red Bull ist nicht so weit weg, wie wir befürchtet haben." Norris ergänzt: "Das Auto hat mehr Potenzial, als es das Ergebnis zeigt. Das macht uns Mut."
Kleine Abstände und große Platzverschiebungen werden die Teams den Rest dieser Saison begleiten. "Das gibt ein ständiges Auf und Ab, je nachdem wie perfekt du die einzelnen Disziplinen hinkriegst", ist Aston-Martin-Teamchef Mike Krack überzeugt. "Es wird eine Herausforderung, das mental zu verkraften."
Mehr Entwicklung, weniger Risiko
Das Feld ist noch enger zusammengerückt als im letzten Jahr. Diesmal inklusive Red Bull. Im Q1 trennten 1,039 Sekunden den Ersten vom Letzten, im Q2 waren es 1,364 Sekunden und im Q3 nur 0,531 Sekunden, wenn man Nico Hülkenberg abzieht, der freiwillig auf einen frischen Satz Reifen verzichtet hat.
Teamchef Andrea Stella sieht die Rangordnung nach dem ersten großen Aufeinandertreffen so: "Vorne sind Red Bull und Ferrari. Eine Zeit von 1.29,1 Minuten lag für uns außer Reichweite. Aber wir sind mit Mercedes und Aston Martin bei der Musik." Jetzt setzt McLaren seine Hoffnung auf das Wettrüsten, in dem man letztes Jahr den größten Fortschritt aller Teams erzielt hat.
Während manche Kollegen bei den knappen Abständen den Schlüssel in gutem Risikomanagement sehen, sagt der Techniker in Stella: "Entscheidend ist am Ende die Entwicklung des Autos. Wenn du da gut bist, dann musst du weniger Risiko gehen. Wir haben am Beispiel des Funkenflugs heute erkannt, dass offenbar einige unserer Gegner mit dem Setup ins Risiko gegangen sind" Ferrari-Kollege Frédéric Vasseur antwortet darauf: "Red Bull ist leider gut in beidem. Sie haben das beste Auto und gehen am meisten ans Limit."