Der interne Vergleich beruhigt. McLaren war beim Saisonstart in Bahrain 1,8 Sekunden schneller als an gleicher Stelle vor einem Jahr. Auch die Qualifikation passte ins Bild des Teams, das 2023 den größten Sprung gemacht hat. Lando Norris fehlten trotz eines Fehlers in der ersten Kurve nur 0,435 Sekunden auf Max Verstappen. Ein Platz in der ersten Startreihe war möglich.
Im Rennen verschob sich die Perspektive. Lando Norris und Oscar Piastri landeten nur auf den Plätzen sechs und acht. Hinter Ferrari und Mercedes, die mit technischen Problemen zu kämpfen hatten. Norris verlor auf Sieger Max Verstappen 0,85 Sekunden pro Runde. "Max ist nicht unser Maßstab", korrigierte Teamchef Andrea Stella. "Unsere Gegner heißen vorerst Mercedes und Ferrari, und die sind in Reichweite."
Gute Balance, zu wenig Grip
Stella will sich ein endgültiges Urteil über die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Autos erst nach dem zweiten Rennen in Saudi-Arabien erlauben. "Jeddah ist eine ganz andere Strecke mit hauptsächlich schnellen Kurven. Die liegen unserem Auto mehr. Nach dem Rennen werden wir die Quersumme bilden und unsere Schlüsse ziehen", sagt Stella.
Der McLaren-Teamchef wollte das Ergebnis nicht darauf zurückführen, dass seine Fahrer lange im Verkehr fuhren und die verwirbelte Luft ihrer Vorderleute schlucken mussten. Norris von George Russell, Piastri von Lewis Hamilton. "Uns fehlte einfach generell Grip, vorne wie hinten. Deshalb hatten wir auch kein Problem mit der Balance."
McLaren hatte deshalb ganz bewusst einen größeren Heckflügel gewählt und Speed auf den Geraden geopfert. "Unser Setup war auf Reifenschonen und maximalen Grip ausgelegt. Das Auto hat kein generelles Problem mit zu viel Luftwiderstand", erklärt Stella und glaubt, dass die Top-Speed-Tabelle mit kleineren Flügeln wie in Jeddah ganz anders aussehen könnte.
Keine Kühlprobleme
Im Gegensatz zum Werksteam Mercedes und zu Williams gab es bei McLaren keinerlei Probleme mit zu hohen Motortemperaturen. Die Ingenieure gingen allerdings auch auf Nummer sicher und ließen trotz 18 Grad Lufttemperatur sieben Kühlkiemen in der Motorverkleidung offen.
Stella wunderte sich, dass es bei drei Testtagen und drei Trainingssitzungen als Vorbereitung überhaupt Probleme beim Kalibrieren der Kühlkonfiguration gab. Er vermutet, dass die Konkurrenz möglicherweise bewusst ans Limit gegangen ist und Lift and Coast in Kauf genommen hat. "Das kann durchaus Teil einer Strategie sein."
Im Fall Piastri fasste sich der McLaren-Chef selbst an die Nase. Man hatte mit dem zweiten Boxenstopp des Australiers zu lange gewartet. Eine Runde früher reichte Hamilton zum Undercut. Gleichzeitig schützte Mercedes Russell mit den früheren Reifenwechseln gegen Norris.
Zwei Arten von Abtrieb
McLaren wird auch dieses Jahr ein aggressives Entwicklungsprogramm anwerfen. Der MCL38 soll auf bessere aerodynamische Effizienz getrimmt werden. Das wird schon bald sichtbare Änderungen in der Außenhaut nach sich ziehen. Mechanisch wird nur im Detail nachgebessert.
Laut Stella ist das Problem in den langsamen Kurven hauptsächlich eine Baustelle der Aerodynamik. "Wir haben uns zwar in allen Bereichen verbessert, aber in den langsamen Kurven am wenigsten. Auch bei 80 km/h wird Abtrieb erzeugt. In dieser Region kommt es darauf an, möglichst wenig Anpressdruck bei Schräganströmung und bei stark eingeschlagenen Vorderrädern zu verlieren. Das ist eine ganz andere Anforderung als in schnellen Kurven, und das macht es so schwierig, beides zusammenzubringen." Das es möglich ist, zeigt Red Bull.