Den Saisonauftakt hatte sich Mercedes anders vorgestellt. Nach der Freitagbestzeit wurde der WM-Zweite des Vorjahres als Red-Bull-Herausforderer gehandelt. Die Startplätze drei und neun bremsten die Euphorie, doch Ingenieure und Fahrer warfen die Flinte noch nicht ins Korn. Die beiden Mercedes waren auf maximale Schonung der Hinterreifen abgestimmt. Unter den Umständen war ein Rückstand von drei Zehntel auf Pole-Mann Max Verstappen vertretbar.
Als George Russell in der dritten Runde Charles Leclerc vom zweiten Platz verdrängte und dabei drei Zehntel schneller als Verstappen fuhr, malten sich alle ein spannendes Rennen aus. Der Traum dauerte genau 100 Sekunden. Dann nahm Verstappen dem Mercedes im Schnitt acht Zehntel pro Runde ab. Durch die Bank, egal auf welcher Reifenmischung.
Weniger Power und Lift and Coast
Russell geriet schnell wieder in die Fänge der Ferrari. Innerhalb kurzer Zeit stellten sich Probleme ein, die man weder bei den Testfahrten noch an den Trainingstagen hatte. Der Motor überhitzte. Auch bei freier Fahrt. George Russell und Lewis Hamilton waren gezwungen, den Power-Modus zu reduzieren. Das kostete drei bis vier Zehntel. Weil das immer noch nicht reichte, war Lift and Coast angesagt. Laut Teamchef Toto Wolff gingen dadurch weitere zwei Zehntel verloren.
Warum die Temperaturen plötzlich in den roten Bereich stiegen, blieb bis zum Ende des Rennens ein Rätsel. Die Mercedes hatten bei den Testfahrten Rennsimulationen bei viel höheren Außentemperaturen klaglos weggesteckt. "Wir haben uns wohl mit den Kühleinstellungen verrechnet", gab Chefingenieur Andrew Shovlin zu.
Motorenkunde Williams traf das gleiche Problem. Während Williams seine Verkleidung angesichts Außentemperaturen von 17 Grad komplett geschlossen hatte, ließ Mercedes in der Motorabdeckung immerhin vier Kühllamellen offen. Am Motor selbst kann es nicht gelegen haben. McLaren und Aston Martin kamen ohne Probleme über die Distanz.
Reifen kühlten zu stark aus
Das Motordilemma zog weitere Probleme nach sich. Das Lift and Coast ließ die Temperatur der Vorderreifen sinken. Das sorgte am Kurveneingang für Untersteuern. Die Fahrer mussten das Auto am Scheitelpunkt mit viel Gaseinsatz drehen, was dann wieder auf die Hinterreifen ging. So geriet die Balance komplett aus den Fugen. "Unter den Umständen waren die Plätze fünf und sieben wahrscheinlich das Beste, was wir erreichen konnten", kommentierte Shovlin.
Auch Teamchef Wolff rechnete vor, dass man unter Wert geschlagen wurde. Das Auto hat mehr Potenzial. Ob es für Ferrari reicht, muss erst bewiesen werden. Für Verstappen sicher noch nicht. "Max fährt in einer anderen Galaxie. Wir können ihn nur unscharf am Horizont erkennen", bedauerte Wolff.
Der Teamchef und sein Technikdirektor James Allison mahnten an, dass man die Rennwochenenden in Zukunft konzentrierter angehen müsse. Es war nicht das erste Mal, dass Mercedes mit der Kühlung über das Limit hinausschoss.
Wolff verspricht, dass man schon in Jeddah Abhilfe habe. "Die Qualifikation hat gezeigt, dass wir näher dran sind. Unsere Leistung am Sonntag wurde von den Problemen überschattet. Das Training hat gezeigt, dass hinter Max alle eng zusammenliegen. Bei so geringen Abständen darf man sich keine Fehler erlauben."