Diese Tage streicht sich die Formel-1-Gemeinde rot an. Es kommt seit 2022 nicht oft vor, dass Red Bull ein Rennen verliert. In Melbourne landete der beste Red Bull auf dem fünften Platz. Sergio Perez fehlten im Ziel 56 Sekunden auf den siegreichen Ferrari. Normalerweise ist es andersherum.
Ferrari übernahm in Melbourne die Rolle des Titelverteidigers. Carlos Sainz und Charles Leclerc bestimmten zu jeder Phase des Grand Prix von Australien das Tempo. Max Verstappen schaute sich die Ferrari-Show ab der vierten Runde als Zuschauer an. Der Red Bull fuhr rechts hinten mit angezogener Handbremse.
Als sich die Bremse zum ersten Mal nicht löste, nutzte das Sainz zum Führungswechsel. Beim zweiten Mal blieben die Bremssättel vollständig hängen. Erst zog der Red Bull eine Rauchfahne hinter sich her, dann schlugen Flammen aus der Felge. Es war der erste Ausfall des Weltmeisters seit exakt zwei Jahren.
Perez-Rückstand ungewöhnlich hoch
Ohne Verstappen hatten die Ferrari leichtes Spiel. Sainz genoss an der Spitze den Luxus, das gefürchtete Körnen der Reifen so weit wie möglich einzudämmen. Leclerc musste sich mit einem frühen Boxenstopp gegen einen Undercut von Oscar Piastri schützen, hatte aber trotz stark nachlassender Reifen im zweiten Stint keine Mühe, Lando Norris unter Kontrolle zu halten.
Die Frage aller Fragen lautet: Wäre das auch mit Max Verstappen in einem intakten Red Bull so gewesen? Red-Bull-Sportdirektor Helmut Marko glaubt, dass der Weltmeister die Ferrari herausfordern hätte können.
McLaren-Teamchef Andrea Stella verweist auf den immensen Rückstand von Perez und schließt daraus, dass es für Verstappen unter Einrechnung des üblichen Deltas zum Teamkollegen zumindest schwer geworden wäre. Ferrari-Kollege Frédéric Vasseur wollte zwar nicht spekulieren, zog aber den gleichen Vergleich.
Red Bull stolpert von einem Problem ins andere
Red Bull war an diesem Wochenende verwundbar. Im Gegensatz zu sonst lief es von Anfang an nicht rund. Starkes Körnen an der Vorderachse bremste die blauen Raketen. Die Fahrer klagten immer wieder über Untersteuern. Verstappen verlor im Freitags-Longrun acht Zehntel pro Runde auf Leclerc und sechs Zehntel auf Norris.
Der Niederländer musste auf viel Trainingszeit verzichten, weil er in der ersten Sitzung bei einem 250-km/h-Ritt über den Randstein von Kurve 10 den Unterboden seines Autos hingerichtet hatte. Auch das Chassis wurde in Mitleidenschaft gezogen. Dann meldete Honda Alarm. Der Motor hatte Schaden genommen. Verstappen ging mit einem neuen V6-Turbo, neuer MGU-K und neuer MGU-H in den zweiten Trainingstag.
Die Ingenieure hatten über Nacht das Setup umgebaut. Ohne Erfolg. Auch der Longrun im dritten Training versprach keine Besserung. "Wir haben uns die Reifen von Max danach angeschaut, und sie sahen ziemlich kaputt aus", verrät Stella. Weil Ferrari auch auf eine Runde die Hoheit hatte, wurde bei Red Bull vor der Qualifikation erneut an der Abstimmung Feintuning vorgenommen. Das Untersteuern musste weg.
Schlimmster Cocktail für Red Bull
Der Eingriff hatte Erfolg. Verstappen stellte sein Auto auf die Pole Position, doch keiner wusste, ob das auch eine gute Fahrzeugabstimmung für das Rennen war oder ob man nicht zu viel Rücksicht auf die Reifenabnutzung aufgegeben hatte.
Der Leidensweg von Sergio Perez am Sonntag ließ das vermuten. "Im ersten Stint haben die Hinterreifen gekörnt, im zweiten und dritten die Vorderreifen." Das wäre vermutlich auch Verstappen passiert. Auch wenn der Reifenflüsterer den Effekt etwas abgemildert hätte, wäre es ein hartes Rennen gegen die Ferrari geworden.
Dieser Typ Rennstrecke in Verbindung mit Pirellis weichen Reifenmischungen ist aus Sicht von Red Bull der schlimmstmögliche Cocktail. Er machte den Fahrern schon letztes Jahr in Las Vegas das Leben schwer. Die Strecke im Albert Park nimmt die Vorderreifen härter ran als die Hinterreifen. Der glatte Asphalt fördert den Schälprozess. Ferrari und McLaren kamen damit besser klar.
Vasseur schließt daraus: "Das Rennen hat gezeigt, wie wichtig es ist, ein sauberes Wochenende zu haben." Red Bull hatte es diesmal nicht. Die Gegner schon. Vasseurs Fazit: "Wenn man in der Lage ist, Red Bull unter Druck zu setzen, dann kann man sie auch in Fehler hetzen."