Red Bull spürt den Druck der Konkurrenz. McLaren liegt in der Konstrukteurs-WM nur 42 Punkte zurück, Ferrari 63. Max Verstappen hat seit vier Rennen nicht mehr gewonnen. Sergio Perez holte aus den letzten acht Grand Prix nur 28 Punkte. McLaren hat seit dem GP Miami den besseren Allrounder, Mercedes seit Montreal das schnellere Auto. Von Ferrari erwartet Red Bull nach einer kleinen Durststrecke nach der Sommerpause eine Reaktion.
Da die Gegner fahrerisch ausgeglichener besetzt sind als Red Bull, könnte es im Kampf um den lukrativen Marken-Pokal noch eng werden. Max Verstappen dagegen darf sich dagegen mit 78 Zählern Vorsprung sicherer fühlen. Er kann darauf bauen, dass sich seine Gegner die Punkte gegenseitig wegnehmen. Sportchef Helmut Marko relativiert: "Wir sind besser als unsere letzten Ergebnisse. Ohne den schlechten Boxenstopp in Spielberg, der Kollision mit Hamilton in Ungarn und der Startplatzstrafe in Spa stünde Max besser da."
Mit der Entwicklung falsch abgebogen
Das Sorgenkind von Red Bull ist Sergio Perez. Der Mexikaner leidet mehr als Verstappen darunter, dass der Red Bull RB20 eine Wundertüte geworden ist. Marko stellt fest: "Wir hatten zu Saisonbeginn ein Auto, das so ausgeglichen war wie der McLaren jetzt. Es konnte alle Strecken und alle Bedingungen. Dann sind wir irgendwo falsch abgebogen. Das Auto ist eine Zicke geworden, die nur noch Max bändigen kann."
Alle Entwicklungsschritte verliefen im Sande. "Sie haben das Auto immer unberechenbarer gemacht. Es wurde immer schwerer, es abzustimmen und auszubalancieren", blickt Marko zurück. Teamchef Christian Horner bestätigt: "Das Fenster, in dem unser Auto funktioniert, ist kleiner geworden."
Immerhin, es funktioniert noch hin und wieder. Max Verstappen stellte den Red Bull in Spielberg mit vier Zehnteln Vorsprung auf die Pole-Position und in Spa mit sechs Zehnteln. Marko warnt davor, die Rückkehr zu altem Glanz überzubewerten. "Das waren spezielle Qualifikationsrunden von Max. Im Rennen war die Überlegenheit weg. Wir sind wie Mercedes am Anfang des Jahres je nach Bedingungen mal schnell und mal langsam. Manchmal sogar im gleichen Rennen wie in Silverstone, wo es zwischendurch geregnet hat."
Ab Monza Rückgriff auf alte Qualitäten
Auch die Ingenieure haben eingesehen, dass sie in ihrem aggressiven Entwicklungsprogramm den Bogen hier und da überspannt haben. Da ist ihnen passiert, was auch anderen schon passiert ist. Das Upgrade war kein Fortschritt, sondern bestenfalls einer zur Seite. Meistens hielt die Realität nicht, was der Windkanal versprach.
Die Entwicklung dieser Groundeffect-Autos ist eine Gratwanderung zwischen Gut und Böse. Es gibt nicht mehr viel Spielraum nach oben. Fahrbarkeit in der Praxis ist wichtiger geworden als Abtriebsrekorde in der Theorie. Das ging Mercedes so und zuletzt auch Ferrari. Nur McLaren ist konstant, verzichtet aber auch seit der letzten großen Renovierung seines Autos auf größere Upgrades.
Die Red-Bull-Ingenieure werden auf die Launen des RB20 reagieren. Ab Monza läuft ein Entwicklungsprogramm, bei dem zum Teil auf alte Spezifikationen zurückgegriffen wird oder alte Teile mit neuen gemischt werden. Speziell auch im Bereich des Unterbodens. Marko: "Wenn die Reaktionen des Autos wieder vorhersehbarer sind, findet auch Perez seinen Speed wieder."
Deshalb hat Red Bull den Mexikaner nicht ausgetauscht. Man kam zur Einsicht, dass ihr Sorgenkind in dem Moment wieder seine Leistung bringt, wenn es dem Auto vertrauen kann. So wie zu Saisonbeginn, als Perez in fünf Rennen vier Mal auf das Podium fuhr. Außerdem gibt es im Red-Bull-Kader im Moment auch keinen Fahrer, der wie Verstappen mit jedem Rennauto schnell ist. Wenn sich das Auto nicht ändert, hätte jeder das Perez-Problem.