Der Kampf der Gewerkschaften war am Ende vergebens. Am 30. September hat Alpines Mutterkonzern Renault das Ende der eigenen Motoren-Produktion in Viry-Châtillon bestätigt. Schon Mitte des Jahres hatte Alpine verkündet, ab 2026 einen Kundenmotor nutzen zu wollen und die Fabrik in Viry-Châtillon zu einem Technologie-Zentrum umzugestalten. Die Gespräche mit Mercedes über eine neue Partnerschaft sind hinter den Kulissen schon weit fortgeschritten.
Die Belegschaft protestierte lange gegen die Entscheidung von CEO Luca de Meo. Auch die Ende August an ausgewählte Journalisten versendeten Presse-Kits des Sozial- und Wirtschaftsrats von Alpine änderten nichts mehr an der Tatsache. Die Mitarbeiter des einstigen Turbo-Pioniers fühlten sich verraten. Sie sträubten sich gegen den Plan, zukünftig nicht mehr Rennmotoren, sondern alternative Antriebe für Straßenfahrzeuge zu entwickeln.
Ferrari jagt Know-how
Nachdem Ende September endgültig klar wurde, dass es ab 2026 keine Power Units von Renault mehr geben würde, reibt sich die Konkurrenz nun die Hände. Allen voran Ferrari fackelte nicht lange. Nach Informationen von auto motor und sport haben bereits ein paar Dutzend Motoren-Ingenieure aus Viry-Châtillon Bewerbungsgespräche mit Ferrari geführt. Mit der Einstellung hochrangiger Renault-Techniker könnte Ferrari sich einen entscheidenden Vorteil erkaufen.
Zum einen würde die Scuderia wertvolles Wissen erlangen, denn ein Prototyp für das neue Motoren-Reglement ab 2026 lief bei Renault bereits seit Juni dieses Jahres auf dem Prüfstand. Und zum anderen würde Ferrari die direkte Konkurrenz schwächen, weil das Know-how der Renault-Ingenieure nicht zu den direkten Konkurrenten wandert.
Audi ebenfalls interessiert
Dass Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur selbst Franzose ist und deshalb einfacher als die anderen Hersteller Ingenieure anheuern kann, ist sicher kein Nachteil. Denn auch die Konkurrenz schaut nicht nur zu, was bei Renault passiert, sondern mischt selbst mit beim Ausverkauf von Viry-Châtillon. Unseren Quellen nach haben auch Audi und Red Bull Powertrains schon die Fühler nach Renault-Angestellten ausgestreckt.
Sowohl die Ingolstädter als auch die Truppe aus Milton Keynes stellen für 2026 erstmals einen eigenen Antrieb auf die Beine. Audi wird zeitgleich mit dem neuen Reglement auch mit einem eigenen Chassis am Start stehen. Die Übernahme des Sauber-Teams wird zum Einstieg 2026 vollständig abgeschlossen sein. Das ehrgeizige Projekt befindet sich aktuell noch im Aufbau. Bereits vorhandenes Wissen von erfahrenen F1-Ingenieuren könnte eine Abkürzung auf dem Weg zum Erfolg sein.
Red Bulls Plan, für 2026 eine eigene Power Unit zu entwickeln, sorgte ebenfalls für Aufsehen im Fahrerlager. Anfang 2023 verkündete der Energy-Drink-Hersteller die Zusammenarbeit mit Ford. Die US-Amerikaner sollen Know-how im Bereich der Elektro-Leistung für den Antrieb liefern. Dafür dürfen sie dann ihr Logo auf die Autos kleben. Red Bull wilderte in der Vergangenheit bereits bei Mercedes und holte einige Motoren-Ingenieure aus Brixworth nach Milton Keynes. Das Gleiche könnte nun mit Renault-Angestellten passieren.
Formel-1-Zukunft ungewiss
Im Paddock halten sich seit längerem Gerüchte, dass irgendwann auch das ganze Alpine-Team auf den Verkauf vorbereitet wird. Ein Rennstall, der unter dem Namen der Renault-Tochter antritt, sein Chassis aber im englischen Enstone baut, würde aus Sicht des französischen Konzerns nur wenig Sinn ergeben. Der Bezug zum Heimatland Frankreich fällt ab 2026 vollständig weg.
Der seit diesem Jahr zurückgekehrte Alpine-Berater Flavio Briatore will davon aber nichts wissen. Viel mehr verspricht der Italiener einen Neuanfang und die Rückkehr auf Podestplätze 2027. Oliver Oakes soll das als neuer Teamchef in die Wege leiten. Der 36-jährige Engländer ist seit Ende der Sommerpause der neue Mann an Bord des Alpine-Tankers, der in eine ungewisse Zukunft zu steuern scheint.