Das Comeback ist perfekt. Die beiden Schwesterteams Alpha Tauri und Red Bull haben am Dienstag (11.7.) offiziell bestätigt, dass Daniel Ricciardo schon in Budapest wieder im Formel-1-Zirkus mitmischen wird. Der Australier war Ende vergangener Saison von McLaren vor die Tür gesetzt worden. Nun feiert er bei Alpha Tauri sein Comeback. Nyck de Vries muss sein Cockpit nach nur zehn Rennen in der Königsklasse räumen.
Ein Reifentest am Dienstag in Silverstone bekräftigte Red Bull in seiner Entscheidung: "Daniel hat in seiner Abwesenheit nichts von seiner Form eingebüßt. Die Schritte, die er im Simulator gemacht hat, konnte er auf die Rennstrecke übertragen. Er hat uns bei dieser Ausfahrt beeindruckt", erzählt Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Alpha-Tauri-Rennleiter Franz Tost ergänzt: "An seinem Fahrkönnen besteht kein Zweifel, und er kennt bereits viele von uns, so dass seine Integration einfach und unkompliziert sein wird."
De Vries und der Rookie-Fluch
Es ist der Fluch der Rookies. Die moderne Formel 1 lässt ihnen keine Zeit. Wer neu ist, muss sofort Leistung bringen. Sonst fegt einen der Zirkus von der Strecke. In seinen zehn Rennen sammelte de Vries nicht einen einzigen WM-Punkt. Dieses Schicksal teilt er sich mit Logan Sargeant, dem zweiten von drei Rookies im Feld. Nur ist der US-Amerikaner sechs Jahre jünger und kam nicht so gut ausgebildet in die Formel 1 wie der Formel-E-Meister von 2021.
"Die Formel 1 ist so komplex, dass man Neulingen eigentlich drei Jahre einräumen müsste", sagte Tost noch am GP-Wochenende in Österreich Anfang Juli. Nur eineinhalb Tage im Auto vor dem Saisonstart. Keine Testfahrten unter der Saison. Viele Stadtkurse. Sechs Sprintwochenenden mit nur einer Stunde Trainingszeit. Hochkomplexe Motoren. Reifen mit einem Mini-Arbeitsfenster. Die Wechselhaftigkeit der launischen Groundeffect-Autos. Dazu ein Mittelfeld, in dem ein Zehntel über Auf- oder Abstieg im Q1 entscheidet.
"Für einen Fahrer, der das erstmals so intensiv erlebt, macht es die Aufgabe unheimlich schwierig", so Tost damals. "Manchmal hat es im Training 45 Grad auf dem Asphalt und in der Quali nur noch 35. Das erfordert eine ganz andere Vorbereitung für die Vorderreifen oder die Bremsen. Nyck macht Fortschritte, aber er braucht Zeit." Der Österreicher gab im gleichen Atemzug zu: "Wir haben uns natürlich mehr von ihm versprochen."
Rote Karte für De Vries
Eigentlich – so die Erwartungshaltung vor der Saison – sollte de Vries den Rennstall anführen. Er sollte das Paket maximieren und die Ingenieure anleiten, wo aus Fahrersicht Verbesserungen zu erzielen seien. Dieser Rolle wurde der Niederländer aber nicht gerecht. Stattdessen leistete sich de Vries zu viele Fehler. Die Unfallserie von Baku war der traurige Höhepunkt seiner Saison.
Pech für den Formel-2-Meister von 2019: Teamkollege Yuki Tsunoda hat sich in seinem dritten Formel-1-Jahr gemausert. Der Japaner ist konstant schneller. In der Qualifikation war er in acht von zehn Vergleichen besser platziert. Im schwer zu fahrenden AT04 hat er immerhin zwei WM-Punkte eingefahren. Der schwächelnde Rennwagen machte de Vries das Leben besonders schwer. Alpha Tauri drehte sein Auto durch Upgrades bereits auf Links. An den Ergebnissen hat das kaum etwas geändert.
Am Ende entschied nicht der scheidende Teamchef Franz Tost, sondern die Führungsriege bei Red Bull über das Schicksal von de Vries. Und die ist bekannt dafür, durchzugreifen, wenn die Leistungen nicht den Vorstellungen entsprechen. Schon beim sechsten Rennen in Miami hatte Sportchef Helmut Marko von einer "gelben Karte" für de Vries gesprochen. Nur vier Rennen später kam nun also die rote Karte hinterher.
Ricciardo will zurück zu Red Bull
Daniel Ricciardos Management hat schon seit Wochen auf ein Comeback gedrängt. Der Australier durfte am Dienstag einen Reifentest für Red Bull in Silverstone absolvieren. Es war die perfekte Gelegenheit, um zu evaluieren, wie gut er überhaupt noch ist, nach seiner mehr als durchwachsenen Zeit bei McLaren. "Als er zu uns zurückkam, haben wir ihn nicht wiedererkannt", sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner am Österreich-Wochenende.
"Inzwischen hat er sein Mojo wiedergefunden. Daniel arbeitet hart im Simulator. Er hat dort schon ein paar Mal wertvolles Feedback geliefert", so Horner vor dem Test. Die Eindrücke waren am Ende offenbar so gut, dass die Red-Bull-Führung den Wechsel direkt nach Abschluss der Testrunden offiziell machte.
Die Frage lautet allerdings, wieso Ricciardo überhaupt dem Comeback bei Alpha Tauri zustimmte. Mit dem AT04 sind selbst Punkte ein kompliziertes Unterfangen. Wie soll sich ein achtmaliger GP-Sieger da motivieren, dem zum Schluss seiner McLaren-Zeit ohnehin fehlender Antrieb nachgesagt wurde? Einzig logische Erklärung: Ricciardo könnte es als Eintrittstor zu Red Bull betrachten. Ihm wird nicht entgangen sein, dass Sergio Perez dort schwächelt. Der Mexikaner erreichte zuletzt fünf Mal in Serie nicht das Q3.
Nachwuchskader wird verkleinert
Bei jedem Ausrutscher wird Perez in der Öffentlichkeit sofort infrage gestellt. Dabei hat er noch einen Vertrag bis einschließlich Ende 2024. Nach dem Rennen in England war es auffällig, wie sehr Teamchef Horner und Sportchef Marko ihm den Rücken stärkten. "Er hat ein paar unglaubliche Manöver geritten. Seine Aufholjagd bis auf den sechsten Platz war richtig stark. Wenn er jetzt noch das Qualifying in den Griff bekommt, ist er zurück", meinte Horner.
Die Beförderung von Ricciardo ist auch ein Schlag ins Gesicht für Liam Lawson. Red Bull hat seinen Nachwuchsfahrer in der japanischen Super Formula zwischengeparkt. Laut Marko hat Lawson dort das "Hitzköpfige" abgelegt, das ihm in der Formel 2 noch anlastete. Zwei der bisherigen fünf Rennen hat der Neuseeländer gewonnen. Er ist neben Ricciardo der zweite Ersatzfahrer bei Red Bull. Lawson verfügt über eine Formel-1-Superlizenz. Nun muss der Junior-Pilot noch eine weitere Warteschleife drehen.
Auch Ayumu Iwasa, der aktuell Meisterschafts-Dritte der Formel 2, hatte sich Hoffnungen auf den Aufstieg in die Formel 1 gemacht. Doch die Beförderung käme für den Japaner noch zu früh. Zuletzt gab es auch Gerüchte, dass Alex Palou in das Red-Bull-Camp wechseln könnte. Der Spanier führt aktuell souverän die IndyCar-Meisterschaft an. Doch nach Informationen von auto motor und sport hält sich das Interesse bei Red Bull in Grenzen.
Ganz allgemein – so hört man – will Red Bull seinen Junior-Kader nach der Saison verkleinern – und zwar dramatisch. Aktuell beschäftigt man zwölf Nachwuchsfahrer. Die Rede ist davon, dass für 2024 deutlich zurückgefahren wird. Red Bull will nur noch in die wirklich vielversprechenden Talente investieren.