Darum lief McLaren in die Zweistopp-Falle in Monza

Ferrari managt den Pirelli-Pneu am besten
Darum liefen alle in die Zweistopp-Falle

GP Italien 2024

Ein Stopp war in Monza die Taktik der Sieger. Doch nur Ferrari, Williams und Haas trauten sie sich zu. Warum liefen McLaren, Mercedes, Red Bull und Aston Martin in die Zweistopp-Falle?

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP Italien - Monza - 1. September 2024
Foto: Motorsport Images

Vor dem Start zum GP Italien traute sich keiner eine Prognose zur Zahl der Boxenstopps zu. Auf dem Papier lag das Ziel auf der Hand. Ein Stopp war deutlich schneller als zwei. Vor allem, weil man in der 418 Meter langen Boxengasse bei jedem Reifenwechsel 25 Sekunden verliert.

Der große Unsicherheitsfaktor in allen Strategieprogrammen war das Körnen der Reifen. Wann würde es kommen? Wie lange bleiben? Und wie würde sich der harte Reifen verhalten, den bis auf Yuki Tsunoda im Training keiner gefahren war und von dem jeder zwei frische Garnituren in der Garage liegen hatte?

Unsere Highlights

Podestplatz für Sainz möglich

Selbst zum Zeitpunkt des ersten Boxenstopps suchten viele Teams noch die Antwort. Inklusive Ferrari. Die Medium-Reifen waren erwartet früh eingebrochen. Lando Norris bog als erster aus der Spitzengruppe in der 14. Runde in die Boxengasse und zog alle anderen im Verlauf der nächsten Runden mit.

Am längsten hielt es noch Carlos Sainz aus. Der Spanier blieb bis zur 19. Runde auf der Strecke, was rückblickend ein Fehler war. Trotz Einstopp-Strategie. "Ich habe in den letzten Runden auf den Medium-Reifen zu viel Zeit verloren." Als Leclerc zum ersten Mal an die Box ging, trennten die Ferrari-Piloten 3,5 Sekunden. Nach dem Stopp von Sainz war der Rückstand drei Mal so groß. Unter besten Bedingungen hätte Ferrari zwei Fahrer auf das Podest bringen können.

Erst nach zehn Runden auf den harten Reifen bekamen die Strategen ein besseres Bild. Anhand des Feedbacks der Fahrer und den Reifentemperaturen konnten sie abschätzen, wie lang die Reise gehen würde. Ferrari setzte auf die Karte ein Stopp und damit auf Sieg. Weiter hinten im Feld machten Williams und Haas das gleiche und wurden mit Punkten belohnt.

Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - GP Italien - Monza - 1. September 2024
xpb

Oscar Piastri (vorne) stoppte in Monza zwei Mal, der Sieger Charles Leclerc (dahinter) nur ein Mal.

Verpasste Chance für Piastri

Nach dem Rennen mussten sich die Verlierer fragen lassen, warum sie nicht auch der theoretisch schnelleren Strategie gefolgt waren. Jeder hatte seine individuellen Gründe dafür. Lando Norris richtete zwei Mal den linken Vorderreifen hin. Das Körnen zwang ihn schon in Runde 32 an die Box.

Oscar Piastri hätte auf den zweiten Reifenwechsel verzichten können, doch die Ingenieure hatten aufgrund der Erfahrungen mit Norris Angst, die Reifen könnten auch am anderen Auto einbrechen. Es war eine Fehlentscheidung, denn Piastri war auf dem zweiten Reifensatz so schnell wie der spätere Sieger und er hatte vor seinem zweiten Boxenstopp in Runde 38 ein Polster von 5,8 Sekunden. Damit war die Undercut-Gefahr gebannt.

McLaren hätte abwarten können, wie sich die Lage entwickelt und hätte vielleicht ein paar Runden später gemerkt, dass es doch reicht. Teamchef Andrea Stella verteidigte seinen Kommandostand. "Wir als Spitzenreiter hatten mehr zu verlieren. Leclerc konnte es leichter riskieren als wir."

Ein bisschen trägt auch Red Bull Schuld, dass McLaren zwei Boxenstopps den Vorzug gab. Verstappen und Perez waren auf harten Reifen ins Rennen gegangen und wurden für alle anderen damit zum Anhaltspunkt, wie viel man der harten Mischung zutrauen durfte. Als die Red-Bull-Piloten schon nach 20 Runden starken Gripverlust rapportierten, schienen sich alle schlechten Vorahnungen zu bestätigen. Der Denkfehler dabei: Red Bull war an diesem Tag kein Maßstab.

George Russell - Mercedes - Formel 1 - GP Italien 2024
xpb

George Russell musste seinen Frontflügel wechseln lassen. Am Ende wurde es immerhin noch Platz sieben.

Auch mit einem Stopp hinter Sainz

Auch Mercedes fragte sich hinterher, warum man Lewis Hamilton ein zweites Mal an die Boxen geholt hatte. Hamilton kam in der gleichen Runde zum ersten Stopp wie Leclerc. Doch im Kopf des Fahrers hatte sich von Anfang an die Meinung eingebrannt, dass auch der harte Reifen irgendwann zu körnen beginnt und einbricht.

Die Strategen waren anderer Meinung. "Wir sind auf Sicht gefahren. Das Körnen der Medium-Reifen hat uns den ersten Boxenstopp diktiert. Dann wollten wir warten, bis bei den harten Reifen das Körnen eintritt und notfalls einen zweiten Stopp einlegen." Es trat ein, aber weniger stark als befürchtet. Es verschwand aber auch wieder, wenn man lange genug auf der Strecke blieb. "Das haben alle ein bisschen unterschätzt", gaben die Mercedes-Strategen zu.

Am Ende hätte Hamilton ein Einstopp-Rennen wenig genutzt. "Wir lagen vor dem zweiten Stopp hinter Sainz, und wären so auch ins Ziel gefahren, wenn wir durchgefahren wären. Unsere einzige Chance an Sainz vorbeizukommen war, wenn er ein zweites Mal an die Box gekommen wäre."

George Russells Strategie war schon in der ersten Runde besiegelt. Eine leichte Kollision mit Verstappen in der zweiten Schikane kostete die rechte Frontflügel-Endplatte. Der frühe Boxenstopp samt Nasenwechsel in Runde 11 warf den Engländer in ein anderes Rennen. Sein einziger Gegner war Sergio Perez, den er mit einem Undercut überholen wollte. Es gelang nicht. Deshalb musste es Russell auf der Strecke erledigen.

Im Rückblick wäre sogar mehr möglich gewesen, wie Chefingenieur Andrew Shovlin zugibt: "Als George zum zweiten Mal an die Box kam, haben wir zu unserer Überraschung festgestellt, dass der Reifenverschleiß viel geringer war als erwartet. Er hätte locker mit einem Stopp durchfahren und so auch noch vor Max landen können."

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP Italien - Monza - 1. September 2024
xpb

Die Red Bull starteten auf dem harten Reifen, mussten aber trotzdem zwei Stopps in Monza einlegen.

Red Bull geht ins Risiko

Red Bull ging, gegen den Trend, mit harten Reifen in das Rennen. Teamchef Christian Horner gab zu, dass man bewusst auf Risiko setzte, in der Hoffnung, dass sich alles zum Guten wendet. Es war ein hohes Risiko, auch weil man mit beiden Autos gleich pokerte. Ein Safety-Car zur falschen Zeit, und Red Bull hätte noch mehr Punkte verloren.

Die Taktik mit einem langen ersten Stint auf den harten Reifen und einer Attacke auf den Medium-Gummis am Ende konnte gar nicht funktionieren, weil die Balanceprobleme nicht einfach so über Nacht verschwunden waren. Das killte zu früh die Reifen. Damit war klar, dass Max Verstappen und Sergio Perez eine zweite Garnitur harte Reifen brauchten und damit zu einem weiteren Boxenstopp gezwungen waren. Am Ende waren sich alle einig, dass auch eine andere Strategie nichts am Ergebnis geändert hätte. "Wir waren einfach zu langsam", gab Verstappen zu.

Aston Martin unterschätzt die Gegner

Auch in der zweiten Hälfte des Feldes galt: Ein Stopp war besser als zwei. Alexander Albon und Kevin Magnussen bremsten damit Fernando Alonso aus. Magnussen sogar inklusive einer Zehnsekunden-Strafe. Aston Martin machte den Fehler, dass man ein hohes Renntempo anschlug und sich damit früh auf zwei Boxenstopps festlegte und weder Williams noch Haas ein Einstopp-Rennen zutraute.

Am Ende reichte der Speed-Vorteil von Alonso nicht, aus seine Gegner noch einzuholen. Der Spanier verfehlte den zehnten Platz um 0,193 Sekunden und den neunten um 1,039 Sekunden. Teamchef Mike Krack erklärte: "Wenn wir uns die Autos herum anschauen, müssen wir uns fragen, warum wir es nicht auch mit einem Stopp probiert haben. Aber wir wissen, dass unser Auto die Reifen hart strapaziert. Deshalb haben wir uns die Entscheidung nicht zugetraut."