Es ist und bleibt ein Reizthema: die Streckenlimits. Seit diesem Jahr gilt: Die weiße Linie ist die Streckenbegrenzung. Wer mit allen vier Rädern jenseits davon erwischt wird, kassiert eine Strafe. In der Qualifikation wird die Runde gestrichen. Im Rennen gibt es beim dritten Mal die gelbe Karte. Wer sich einen vierten Fehltritt leistet, muss entweder fünf Sekunden beim Boxenstopp abdienen, oder er bekommt die Strafe nach dem Rennen zur Gesamtzeit addiert.
In Silverstone hielt sich das mit neun Vergehen im Rennen und einem in der Qualifikation im Rahmen. Eine Woche später in Spielberg gab es so viele Fälle, dass Zweifel an dem System geäußert wurden. Nicht an der Tatsache, dass die Rennstrecke irgendwo aufhören muss. Und wenn es die weiße Linie ist, dann ist es eben die weiße Linie. Doch wer Fahrer für die Verletzung der Streckenlimits bestrafen will, muss das auch überprüfen können. Und das war am Red Bull-Ring nicht möglich.
Perez-Strafe viel zu spät
Es gab einfach zu viele Verletzungen. Und kein elektronisches Signal, das einwandfrei ein Übertreten der Streckenbegrenzung mit allen vier Rädern aufgedeckt hätte. Alle Verstöße in den Kurve 1, 7, 9 und 10 wurden nach Augenmaß bewertet. Dazu mussten die Prüfer jedes einzelne Auto immer im Blick behalten.
Als Hilfsmittel dienten die Kameras in den einzelnen Autos. Der Blick aus dem Cockpit nach vorne reicht aber unter Umständen nicht aus, weil man da nicht die Hinterräder im Blick hat. Genauere Überprüfungen waren auch nicht möglich, weil sonst der Kontrolleur die nächste Kurve verpasst.
Die Formel 2-Rennen lieferten mit insgesamt 108 Vergehen eine Inflation von Abmahnungen und Strafen. In der Qualifikation bekamen 16 Fahrer ihre Runde aberkannt. Für Sergio Perez hatte das dramatische Folgen. Er stürzte von Platz vier auf Rang 13 ab, weil ihm nachträglich die beste Q2-Zeit gestrichen wurde.
Es herrschte allgemein Unverständnis, warum der Mexikaner nicht gleich aus der Wertung genommen wurde. Selbst Red Bull-Sportchef Helmut Marko gab zu, dass sein Mann glasklar über der Linie war. Pierre Gasly hat man so den Aufstieg ins Q3 gestohlen.
43 Verstöße im Rennen
Im Sprint wurden 26 Übertretungen gezählt. Spitzenreiter war Gasly mit drei Verstößen. Das war aber nur der Auftakt zu einem Formel-1-Hauptrennen, in dem sich gefühlt jeder Fahrer mindestens eine Strafe einfing. 43 Mal wurde die Warnung "track limits" auf dem Informationsbildschirm angezeigt . Für Lando Norris, Sebastian Vettel, Guanyu Zhou und Pierre Gasly endete das wegen jeweils vier Ordnungswidrigkeiten mit einer Fünfsekunden-Strafe. Nur Alonso, Ocon, Bottas und Russell behielten eine weiße Weste.
Das führte nach dem Rennen zu bösen Kommentaren in Fahrerkreisen. In einigen Fällen waren die Vorwürfe offensichtlich unbegründet. Mercedes stritt ab, dass Lewis Hamilton drei Mal über die Linie fuhr. "Um das ohne Induktionsschleifen einwandfrei zu checken, müssten die Prüfer einen Blick von oben haben. Sie haben aber nur die Cockpitkamera nach vorne, teilweise auch nach hinten, und das, was das Fernsehen von außen zeigt. Diese Regel war nicht überwachbar."
Mercedes hat der Rennleitung nach dem Sprintrennen demonstriert, dass Mick Schumacher im Kampf mit Hamilton vier Mal neben der Strecke war. "Sie haben es gar nicht gemerkt. Weil sie auf diese Weise gar nicht 20 Autos überwachen lückenlos können." Die Fahrer merkten an, dass man auch nicht jede Kurve gleich behandeln könne. Vettel ärgerte sich: "Ich bin in der Qualifikation in Kurve 1 zu weit rausgefahren. Dabei habe ich Zeit verloren statt gewonnen."